Travis Strikes Again: No More Heroes – TEST

Als im Jahr 2010 No More Heroes 2: Desperate Struggle für die Nintendo Wii veröffentlicht wurde, hat wohl kaum jemand geahnt, dass es bis Anfang 2019 dauern sollte, bis wieder etwas vom Auftragskiller Travis Touchdown zu hören war. Seine Rückkehr gestaltete sich jedoch anders, als sich das der eine oder andere Fan des Franchises wünschen würde.


Eigentlich hätten Entwicklung und Produktion eines dritten Serienteils nicht so lange auf sich warten lassen dürfen. Serienschöpfer Gōichi Suda plante zwar eine Fortsetzung, doch da er sich nach der Fertigstellung von No More Heroes 2 zunächst anderen Projekten zuwendete, vertagte er den Plan leider für lange Zeit. Erst als Nintendo ihm während einer Präsentation 2016 die Nintendo Switch vorstellte, kamen neue Ideen für die dritte Episode seiner kultverdächtigen Videospielreihe auf. Um den dritten Teil handelt es sich bei Travis Strikes Again: No More Heroes aber nicht. Das Spiel stellt eher einen Zwischenstopp auf dem Weg dorthin dar und trotz einer versteckten Andeutung auf eine mögliche Fortsetzung, soll die Zukunft der Serie von Travis Strikes Again, beziehungsweise wie erfolgreich der Titel sein wird, abhängen.

Obwohl es sich hierbei nicht um eine klassische Fortführung handelt, knüpft das Spiel inhaltlich vage an die Geschehnisse von No More Heroes 2 an: Travis hat sich nach seiner Erkämpfung auf den ersten Platz der Rangliste der Auftragskiller aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und lebt seither irgendwo in der texanischen Wildnis in einem Wohnwagen. Mit der Ruhe ist es jedoch vorbei, denn Badman, der Vater der von Travis getöteten Bad Girl, hat ihn ausfindig gemacht und sinnt nach Rache. Dieser Plan misslingt Badman aber auf ganzer Linie, denn anstatt dessen werden die beiden mordslustigen Charaktere gemeinsam in die unbekannten Dimensionen der ominösen Videospielkonsole Death Drive Mark II teleportiert.

Vollgestopft mit humoristischen Einlagen

Stil und Humor waren schon immer das Aushängeschild der No-More-Heroes-Reihe und auch dieses Mal haben die Entwickler von Grasshopper Manufacture versucht, an allen Ecken und Enden mit Wortwitzen, verdorbenen Gags, schmalspurigen Jokes, haufenweise Schenkelklopfern und sogar mit dem Durchbrechen der vierten Wand aufzufallen. Dabei werden auch US-amerikanische Filme wie Terminator, Anime wie Dragon Ball oder Sailor Moon, Fantasy-Romane wie Der Herr der Ringe und eine Vielzahl an großen und kleinen Videospielen wie The Legend of Zelda: Ocarina of Time oder Hotline Miami notdürftig durch den Kakao gezogen.

Alleine der irre Handlungsstrang, in dem alle sieben entwickelten und dazu auch noch kugelförmigen Spiele des Death Drive Mark II gefunden werden müssen, damit einem ein Wunsch erfüllt wird, zeigt sehr deutlich, dass das Spiel an keiner Stelle wirklich ernst genommen werden will. Stilistisch bewiesen Suda und sein Team ein weiteres Mal, dass sie Videospiele anders als der Großteil der Branche sehen, denn anstatt beispielsweise die Story mit Dialogen im Comic-Look voranzutreiben, wurde beschlossen, die Handlung im Rahmen betagter japanischer Text-Adventures inklusive giftgrünem Farbstich voranzutreiben. Auch in den Texten nimmt Travis Strikes Again den Spieler auf die Schippe, da dieser schließlich ein Action-Spiel erwartet und nicht durch das Lesen langer Texte seine Zeit verschwenden will.

Zwei wie Pech und Schwefel

Hauptsächlich findet das Abenteuer in sieben verschiedenen Videospielen statt, die nach und nach im Laufe der Story freigeschaltet werden. Hier bekämpfen wir mit Travis oder wahlweise mit Badman meistens aus der leicht versetzten Vogelperspektive massenweise Bugs, die die Gegner der jeweiligen Videospiele darstellen. Ausgerüstet mit Beam-Katana oder Baseballschläger geht es den Spielfehlern für massenweise Erfahrungspunkte mit leichten sowie starken Angriffen an den Kragen. Überall in den Videospielwelten lassen sich zudem Spezialfähigkeiten finden und ausrüsten, die ein wenig Abwechslung in den sonst recht drögen Schnetzelalltag bringen.

Mit diesen Techniken können Bugs beispielsweise zurückgedrängt, betäubt oder verlangsamt werden. Ebenfalls ist es so möglich, die eigene Geschwindigkeit temporär zu erhöhen oder gar ein ebenso wenig dauerhaftes Feld zu erzeugen, dass die Lebensenergie der Charaktere schrittweise wieder auffüllt. Während das am Anfang noch recht gut funktioniert, entpuppt sich das Gameplay im letzten Drittel durchaus als recht fummelig, da immer häufiger stetig größer werdende Gegnerhorden auftreten, die Travis und Badman an den Kragen wollen. Vor allem muss Travis’ Beam-Katana in regelmäßigen Zeitabständen wieder aufgeladen werden, damit es den maximalen Schaden anrichtet. Das funktioniert zwar kinderleicht an Ort und Stelle, doch während des Vorgangs ist Travis durchweg verwundbar.

Verpasste Chancen

Auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ist Travis Strikes Again bis auf wenige Stellen keine große Herausforderung. Allerhöchstens Situationen, in denen (zu) viele Gegner von allen Bildschirmseiten auf Travis oder Badman angestürmt kommen, oder die Bossgegner am Ende jedes Videospiels zeigen, dass die Finger am Controller auch schon mal ordentlich rauchen können. Grundsätzlich funktioniert die Bedienung tadellos, doch relativ oft erkennt das Spiel zu spät, dass wir die L-Taste zum Aktivieren von Spezialfähigkeiten bereits losgelassen haben und aktiviert die Technik dennoch, wodurch eine nicht zu verkürzende Abklingzeit in Kauf genommen werden muss, was wiederum besonders bei knackigen Gegnern fatal sein kann.

Auch die Kameraführung ist gelegentlich unvorteilhaft, da vor allem in labyrinthartigen Levels nicht einmal erahnt werden kann, wohin die Wege verlaufen. Neben dem recht eintönigen Gameplay gibt es immer mal wieder Münzen zu finden, die außerhalb der Konsolendimension für T-Shirts ausgegeben werden können, auf denen vor allem Motive zu zahlreichen Indie-Titeln abgebildet sind. Thematisch orientiert sich der Titel stark an Retro-Spielen der 8-, 16- und 32-Bit-Ära, ohne dabei meistens den grafischen Stil zu kopieren. Herausragend ist da höchstens die Vektorgrafik einer kurzen Rennspielpassage, aber auch die täuscht nicht über die sonst sehr sparsamen Animationen hinweg. Für Fans der Reihe ist der Titel alleine aufgrund Humor und Story empfehlenswert, alle anderen sehen sich lieber nach Alternativen um.

Geschrieben von Eric Ebelt

 

Fazit:

Als großer Fan der Serie erhoffe ich mir seit 2010 einen dritten Serienteil, denn das Franchise trifft inhaltlich, thematisch und stilistisch genau den richtigen Nerv bei mir. Auch wenn Travis Strikes Again: No More Heroes nicht die Rolle der dritten Episode einnehmen will, habe ich mich sehr auf das Action-Spektakel gefreut. Meine Erwartungen wurden auch ungefähr getroffen, denn trotz des repetitiven und eintönigen Gameplays habe ich hier und da viel Spaß mit dem Spiel gehabt, was vor allem am tollen Humor und genialen Designentscheidungen, wie die Handlung im Rahmen eines Text-Adventures voranzutreiben, liegt. Dennoch ist es sehr schade, dass der Titel zu wenig aus seinen Möglichkeiten macht. Wenn die Entwickler die Spielwelt schon über mehrere Videospiele im Spiel verteilen, dann hätten sie auch ruhig mit verschiedenen Genres experimentieren und diese nicht nur als kleine Randnotiz behandeln können. Fans der ersten beiden Serienteile oder von Gōichi Suda greifen auch dieses Mal zu. Wer hingegen ein Action-Spiel sucht und keine emotionale Verbindung zum Franchise hat, sollte sich unbedingt nach deutlich besseren Alternativen umschauen.