Vaccine – TEST

Betrachtet man die Screenshots von Vaccine, könnte man meinen, dass die Entwickler sich an den Lorbeeren von Resident Evil erfreuen wollen. Vaccine zeigt zudem schnell, dass man die Survival-Horror-Spiele der 1990er Jahre mit ihren Licht- und Schattenseiten neu beleben will.


Sobald wir in Vaccine ein neues Spiel gestartet haben, dürfen wir uns entscheiden, ob wir lieber in die Rolle von Rita O’Conner oder Manuel G. P. schlüpfen wollen. Herausragende Unterschiede gibt es bei beiden Charakteren allerdings nicht; einzig und allein ihr Aussehen und geringe Attributsabweichungen zeigen die Differenzen zwischen beiden Figuren auf. Haben wir einen Charakter gewählt, erfahren wir in zwei Sätzen auch kurz und knapp, was wir in Vaccine zu tun haben. Unser Partner Was für ein partner? wurde vom Shredder-Virus befallen und wird in exakt dreißig Minuten dem Virus erlegen und sich in einen der umherwandelnden Untoten verwandeln.

Das müssen wir natürlich verhindern, nehmen flugs die Beine in die Hand und müssen in einem vermeintlichen Herrenhaus nach dem Gegenmittel suchen. Fragen, wie die, wie wir in die Villa gelangt sind und welchen Auftrag wir eigentlich hatten, verkommen so leider zur Nebensache. Dennoch sind im Anwesen überall Notizen verteilt, die uns etwas über die Hintergrundgeschichte verraten. Paralleldimensionen, Experimente und Mitteilungen von einem unserer Vorgänger geben interessante Einblicke in das scheinbar doch gar nicht mal so unausgeklügelte Universum. Das motiviert uns stets – trotz des knappen Zeitlimits – jeden einzelnen Winkel des Hauses abzusuchen und die gelungene Atmosphäre in uns aufzunehmen.

Dreißig Minuten im Labyrinth

Wer schon einmal den Klassiker Prince of Persia gespielt hat, wird wissen, dass schon sechzig Minuten nicht viel Zeit sind, um eine Prinzessin zu retten. Ähnlich fällt diese Limitation auch bei Vaccine aus und ist im Grunde auch noch eine ganze Stufe knackiger. Konnten wir bei Prince of Persia die Struktur von Verlies und Palast noch auswendig lernen, um bei weiteren Spieldurchläufen maßgeblich Zeit zu sparen, ist dies bei Vaccine kaum möglich. Das liegt daran, dass das Herrenhaus nach jedem neuen Spielstart zufällig zusammengewürfelt wird. In puncto Präsentation wirkt die willkürliche Architektur alles andere als glaubhaft, doch mit der netten Hintergrundgeschichte (über die wir aus Spoiler-Gründen natürlich kein weiteres Wort verlieren werden) können wir auch diese wahnwitzige Designentscheidung schweren Herzens nachvollziehen.

Das führt dazu, dass manche Gänge von einem Salon in den nächsten führen oder mehrere Schlafzimmer hintereinander abgeklappert werden. Neben der Raumanordnung finden wir in jedem Zimmer, auch wenn wir es schon mal in einem anderen Spieldurchlauf gesehen haben, immer wieder unterschiedliche Items. Neben Schlüsseln zum Türenöffnen oder Nahrungsmitteln zum kurzzeitigen Verbessern von Ausdauer und Co, gehören dazu natürlich auch Waffen wie Messer, Flinten oder Pistolen, damit wir Infizierte töten können.

Klaustrophobische Steuerung

Von den Monstern gibt es unterschiedliche Versionen. Die typischen Zombies schlurfen langsam auf uns zu und lassen sich mit wiederholten seichten Rückwärtsschritten einfach besiegen. Andere Infizierte krabbeln auf allen Vieren und halten zudem wesentlich mehr Treffer aus, sind also schwieriger zu besiegen. Letztere Behauptung könnte für den einen oder anderen Spieler auch auf alle anderen Individuen zutreffen, da sich die Steuerung am großen Vorbild Resident Evil von 1996 orientiert.

Das heißt, dass wir den linken Analog-Stick nach oben drücken müssen, um vorwärts zu gehen und nach unten ziehen sollten, um Rückwärtsschritte zu machen. Bewegen wir ihn stattdessen nach links oder rechts, so drehen sich Rita oder Manuel einfach nur in die entsprechenden Richtungen. Sollte es dann und wann auch mal brenzlig werden, können wir auf Knopfdruck kurzzeitig auch rennen. Dass das aber nur selten hilft, ist der zufälligen Spielweltarchitektur geschuldet, da hinterhältige Gegner wie die überstarken Krabbelviecher oftmals unfair platziert sind. Auch auf der grafischen Ebene ist Vaccine ebenfalls alles andere als an die heutigen Begebenheiten angepasst. Dieser Schritt ist von den Entwicklern jedoch ebenso gewollt, um an die Survival-Horror-Spiele der 1990er Jahre, allen voran natürlich wieder Resident Evil für die PlayStation, zu erinnern.

Eine Frage der Betrachtung

Sämtliche Umgebungen sind vorberechnet und werden zu allem Übel auch noch aus starren Kameraperspektiven eingefangen. Im Klartext bedeutet dies, dass größere Räume auch schon mal aus zwei oder mehreren Blickwinkeln dargestellt werden und die Perspektive wechselt, wenn wir den Essbereich eines Salons verlassen und uns in die Nähe von Kamin und Sofa begeben. In der Theorie klingt dieses stilistische Konzept vor allem durch die Untermalung mit Soundeffekten wie Uhrticken und Co damals wie heute spannend, doch in der Praxis kann genau diese Entscheidung aufgrund der teils unfairen Gegnerplatzierung regelrecht zu Frustration führen. Auch hier ist deutlich das Vorbild erkennbar.

Da Vaccine auf ein straffes Zeitlimit setzt und ohne Speichermöglichkeit auskommt, dürfte dies vor allem für jüngere Spieler, die das Resident-Evil-Debüt in der Anfangsära des Genres nicht gespielt haben, ärgerlich sein. Dennoch muss man es Vaccine lassen, dass wirklich jeder Tod der Spielfigur dafür sorgt, dass wir uns direkt erneut ins Gemetzel stürzen wollen und uns motiviert, beim nächsten Mal ein paar Sekunden oder gar Minuten länger überleben zu wollen. Wer Herausforderungen oder einen Hauch Nostalgie sucht, kann mit Vaccine so gut wie nichts falsch machen. Möchte man jedoch eine durchdachte Story inklusive Charakterentwicklung erleben, so empfehlen wir eher den Griff zu diversen Episoden der Genre-Vertreter Resident Evil, Silent Hill oder Parasite Eve.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Vaccine zu beurteilen fällt mir wirklich sehr, sehr schwer. Auf der einen Seite kann ich mich mit der nostalgischen 32-Bit-Grafik anfreunden, ergötze mich auch regelrecht an der starren Kameraführung und an der betagten Steuerung. So wird jeder Kampf regelrecht zum Nervenkitzel und selbst wenn meine Spielfigur den Heldentod stirbt, starte ich Vaccine gerne ein weiteres Mal, um das zufällig generierte Herrenhaus in einem neuen Anstrich erleben zu können. Auf der anderen Seite wird genau diese Designentscheidung dem Survival-Horror-Spiel zum Verhängnis. Manche Gegner sind unfair platziert und überraschen mich auch gerne, ohne dass ich mich mit einer Flinte zur Wehr setzen kann, da ich dieses einfach noch nicht gefunden habe. Das führt unweigerlich zu Frustration und hätte vermieden werden können. Ebenfalls hätte ich mich darüber gefreut, wenn die Wahl des Charakters größere Auswirkung auf den Spielverlauf gehabt hätte. Von einer durchdachten Handlung, die auch abseits der verstreuten Hinweise zur Geltung kommt, möchte ich gar nicht erst anfangen. Nostalgiker dürfen zugreifen – alle anderen sollten vorher die großen Vorbilder für die PlayStation spielen.