Yu-No: A Girl who chants Love at the Bound of this World – TEST

Etwa dreiundzwanzig Jahre hat es gedauert bis Yu-No: A Girl who chants Love at the Bound of this World außerhalb Japans erschienen ist. Die erstmals 1996 veröffentlichte Visual Novel gilt als Meilenstein, der das Genre beeinflusst hat und ist in Japan auch heute noch beliebt. Die Switch-Umsetzung präsentiert die Mystery-Geschichte in aufgehübschter Grafik.


Yu-No: A Girl who chants Love at the Bound of this World beginnt relativ zäh. Als Oberschüler Takuya wachen wir auf dem Dach der Schule auf. Wieder einmal haben wir den Unterricht geschwänzt und lieber ein Nickerchen gehalten. Ertappt werden wir dabei von Schulärztin Eriko Takeda. Schnell fällt in dem anschließenden Gespräch Takuyas triebgesteuertes Verhalten auf. Optional können wir nicht nur die Umgebung betrachten, sondern auch Erikos Brust, Po und Figur – inklusive entsprechendem Kommentar des Protagonisten. Dieses pubertäre Verhalten zieht sich durch das gesamte Spiel, ist aber glücklicherweise nicht immer präsent. Dennoch bleibt es peinlich und es erfordert eine gewisse Toleranz, um damit zurechtzukommen. Sehen wir aber darüber hinweg, erwartet uns bei Yu-No eine spannende und intelligente Mystery-Geschichte mit interessanten Charakteren und allerlei Wendungen.

Zäher Einstieg, spannende Erzählung

Bevor es jedoch soweit ist, müssen wir den langen und zähen Prolog hinter uns bringen. In zahlreichen ausufernden Gesprächen lernen wir die wichtigsten Charaktere kennen. So treffen wir etwa auf unsere junge Stiefmutter Ayumi, mit der wir alleine zusammenleben, da Takuyas Vater erst kürzlich verschollen ist und für tot erklärt wurde. Halten wir lang genug durch, öffnet sich Yu-No nach einigen Stunden und präsentiert uns ein reizvolles Spielelement, das wir zwar von anderen Visual Novels kennen, dieses Mal aber zentral genutzt wird: unterschiedliche Story-Routen. Genauer gesagt erhalten wir ein Gerät, das es uns ermöglicht, zwischen parallelen Welten zu wechseln und in der Zeit vor- und zurückzuspringen. Dafür setzen wir auf einer Art Weltenkarte, die die unterschiedlichen Story-Routen zeigt, Speicherpunkte. Zumindest solange wie wir Steine für das Gerät haben. Gehen uns diese aus, müssen wir erst wieder bis zu einem Speicherpunkt spielen, um den dort abgelegten Stein zurückzuerhalten.

Das klingt vielleicht komplizierter als es ist, übt aber einen enormen Reiz aus. Unsere Aktivitäten haben genauso wie das Wissen aus anderen Welten direkten Einfluss, so dass die Geschichte immer komplexer wird. Es ist vor allem der kluge Einsatz des Parallelweltenkonzepts, das viel zur Faszination von Yu-No beiträgt. Nach einiger Zeit sind wir wie gefangen von der spannenden Geschichte und können sogar Takuyas offensichtlich triebgesteuerte Art problemlos übersehen. Dafür sind Handlung und Charaktere zu interessant und wir folgen gerne den mysteriösen Ereignissen der verschiedenen Welten.

Leider fallen regelmäßig Abschnitte auf, in denen die Visual Novel zäher wird und sich ein wenig zieht. Hier verlieren wir die zuvor gewonnenen Freiheiten, folgen linearen Abschnitten und Dialogen, bevor sich Yu-No wieder stärker öffnet. Das ist zwar schade, ändert aber nichts an der spannenden Geschichte, deren weiteren Verlauf und Wendungen wir weiterhin gefesselt verfolgen. Zu verdanken ist das auch den interessanten und gelungenen Charakteren, die viel zur Story von Yu-No beitragen. Dafür bleibt das Gameplay selbst eher rudimentär. Abgesehen vom Wechsel zwischen den Welten, dem Untersuchen der Umgebung und dem damit verbundenen Lesen und Durchklicken von Texten gibt es nichts zu tun. Yu-No ist eben eine typische Visual Novel, die in schicker Anime-Optik inszeniert und mit einem guten Soundtrack untermalt ist.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

Yu-No: A Girl who chants Love at the Bound of this World hat zwei große Schwächen, die sich leider direkt zu Beginn zeigen. Zum einen ist da Takuyas triebgesteuerte und pubertäre Art, zum anderen die manchmal etwas zähen und sehr textlastigen Abschnitte. Gerade Letzteres macht den stundenlangen Prolog zu einer Herausforderung, die mich fast dazu gebracht hätte, die Visual Novel bereits früher abzubrechen. Da ich aber wusste, dass mich noch mehr erwartet, bin ich dran geblieben und froh darüber. Die Mystery-Geschichte mit Science-Fiction- und Romantik-Elementen ist nicht nur spannend, sondern auch komplex und wartet mit einigen Wendungen auf. Unterstützt von den interessanten Charakteren ist es besonders das Parallelwelten-Konzept, das Yu-No im Genre hervorstechen lässt. Mehr oder weniger frei springe ich zwischen Story-Routen und erkunde so eine immer komplexer werdende Visual Novel. Der kluge Einsatz dieses zentralen Spielelements übt einen großen Reiz aus, der mich bei Laune hält. Zudem ist Yu-No nicht zu Ende, wenn eine Route vorbei ist. Stattdessen widme ich mich direkt der nächsten Route; das gehört schließlich zum Spielprinzip dazu. Visual-Novel-Fans sollten sich Yu-No nicht entgehen lassen und auch alle anderen, die dem Genre nicht komplett abgeneigt sind, sollten zumindest einen genaueren Blick wagen.