Wenig Lob und viel Kritik für Nintendo Switch Online – SPECIAL

Bereits im Launch-Zeitraum der Nintendo Switch machte der Konsolenhersteller klar, dass er künftig auf ein Online-Bezahlmodell setzen möchte. Eigentlich hätte das neue System schon im Herbst 2017 starten sollen, jedoch dauerte die Umsetzung anscheinend länger als erwartet und so ging das Konzept erst am 18. in Nordamerika beziehungsweise 19. September 2018 im Rest der Welt online.


Mit Nintendo Switch Online stehen Nintendo-Fans einige Änderungen ins Haus. Bisher konnten Spieler auf sämtlichen Nintendo-Konsolen online gegen Freunde oder unbekannte Spieler antreten und mussten – im Gegensatz zur Konkurrenz von Microsoft und Sony – keinerlei Cent dafür löhnen. Damit ist seit Mitte September, zumindest auf der Switch, endgültig Schluss. Um künftig online spielen zu können, muss eines von vier verschiedenen Abo-Modellen abgeschlossen werden. Zum Servicestart kostet ein einmonatiges Abonnement circa vier, eine dreimonatige Mitgliedschaft etwa acht und ein zwölfmonatiges Abo ungefähr zwanzig Euro. Als viertes Modell gibt es noch die ebenfalls einjährige Familienmitgliedschaft für gleich acht miteinander zu verbindenden Nintendo-Accounts, die mit circa 35 Euro zu Buche schlägt.

Im Vergleich zu den Angeboten von Microsoft und Sony scheinen diese Preise, vor allem die Gebühr für die einjährigen Mitgliedschaften, auf den ersten Blick sehr human und vor allem sehr günstig zu sein. Während Spieler, die mit ihrer PlayStation 4 oder Xbox One online spielen wollen, sechzig Euro pro Jahr zahlen müssen, erscheinen die zwanzig Euro Gebühr im direkten Vergleich als durchaus akzeptabel. In diesem Zusammenhang ist es jedoch wichtig zu untersuchen, ob der Leistungsumfang von Nintendo Switch Online mit den anderen Konsolen mithalten kann oder ob Abstriche gemacht werden müssen.

Peer-to-peer-Dilemma

Sobald die Offline-Modi von Mario Kart 8 Deluxe, Mario Tennis Aces oder Splatoon 2 gesättigt haben, ist der Hunger nach weiterer Action sicherlich groß und Online-Funktionen sind dann immer eine gute Möglichkeit, um den Spielspaß auf angenehme Art und Weise zu strecken. Deshalb steht im Kern des neuen Online-Programms auch weiterhin das Online-Spiel. Dieses hat je nach Titel in der Vergangenheit halbwegs gut funktioniert, Verbindungsabbrüche beim Online-Zocken waren einigen Spielern jedoch häufig ein Dorn im Auge. Diese ständigen Abbrüche oder auch Lags, die beim Online-Spielen regelmäßig auftraten, lagen vor allem an der ungünstigen Peer-to-peer-Verbindungsart, bei der eine Konsole als Server für alle anderen Spieler in der Partie herhalten musste.

Jetzt, wo Nintendo beim neuen Konzept zur Kasse bittet, war die Erwartung groß, dass der japanische Konzern die Spiele, die auf dieser Verbindungsart basieren, mit zwingend nötig Updates versorgt und eine eigene Server-Infrastruktur auf die Beine stellt. Davon ist nach dem Start von Nintendo Switch Online nichts zu sehen, nach wie vor basiert das Online-Spiel auf denselben veralteten Strukturen. Schon lange stand Nintendo dafür in der Kritik und Nintendo Switch Online zeigt, dass der Konzern stillschweigend – wie schon bei 3DS, DS, Wii und Wii U – nur geringfügig Interesse daran hat, dass der (jetzt dafür auch noch zahlende) Kunde zufriedener die Online-Funktionen nutzt.

Voice-Chat-Problematik

Um die Online-Erfahrung zu vertiefen, ist ein Voice-Chat eine gute Möglichkeit, um den Spaß mit anderen Spielern zu steigern. Während bei PlayStation 4, Xbox One oder dem PC ganz einfach ein Headset an die Controller oder ans Gerät angeschlossen werden kann, hat Nintendo derlei Optionen von Anfang an ausgeschlossen. Weder Joy-Con-Halterung noch Pro Controller geschweige denn die Konsole selbst verfügen über die Anschlussmöglichkeiten für ein Mikrofon oder Headset. Der Einsatz von Bluetooth-Headsets, die technisch gesehen mit der Switch funktionieren könnten, werden ebenfalls nicht unterstützt. So lagert der japanische Hersteller die Voice-Chat-Funktion seit jeher auf eine im Google Play Store und im App Store von Apple erhältliche kostenfreie Applikation aus, die einen recht durchwachsenen Ruf genießt.

Natürlich ist es löblich, dass Nintendo den Voice-Chat auf diese einfache Art und Weise nachreicht, da die Applikation jedoch nur verschiedene hauseigene Titel unterstützt, ist der Nutzen überschaubar. Ebenfalls ist es ärgerlich, dass nur mit Freunden gesprochen werden kann. Instant Messenger wie Skype und Konsorten können dieses Manko, sich nicht mit wildfremden Spielern zu unterhalten, zwar nicht aufwiegen, doch können diese Programme nicht nur während des Online-Spiels sondern auch zur Vor- und Nachbesprechung bei Bus- und Bahnfahrten oder anderen Tätigkeiten genutzt werden. Auch hier muss klar gesagt werden, dass der kostenpflichtige Service in diesem Punkt keinen neuen Vorteil bietet und die Kommunikationsmöglichkeiten ohne Messenger gen null streben.

Spielstände fallen aus allen Wolken

Auch wenn sich das Online-Konzept in diesen beiden Punkten gar nicht verbessert hat, gibt es drei Features, die zumindest interessant sind und einen gewissen Mehrwert bieten. Die erste dieser drei Funktionen ist die so genannte Speicherdaten-Cloud, in die die Spielstände von vielen verschiedenen Titeln hochgeladen werden dürfen, solange das Abonnement des Kunden besteht. Allerdings ist das Feature nicht mit allen Spielen kompatibel, da Nintendo Betrügern respektive Cheatern, die ihre Spielstände oder das Online-Zocken manipulieren wollen, einen Riegel vorschieben will. Es ist zwar ein nachvollziehbarer Grund, aber der ehrliche Spieler wird damit indirekt bestraft und somit um eine nützliche Möglichkeit beraubt.

Das Konzept, Spielstände einfach in der Cloud zu speichern, ist jedoch nicht neu. Was auf dem PC zumindest manuell schon seit Langem möglich ist, wurde auch auf der PlayStation 4 und der Xbox One etabliert. Im Falle der Xbox One ist es sogar nicht einmal nötig, eine kostenpflichtige Mitgliedschaft einzugehen, um auf die Funktion zugreifen zu können. Da ein manuelles Verschieben der Spielstände auf andere Speichermedien wie microSD-Karten auf der Switch ebenfalls noch nicht möglich ist und womöglich niemals realisiert werden wird, ist die Cloud die einzige Möglichkeit, um eigene Spielstände zumindest teilweise zu retten, sofern einem das Feature natürlich wichtig genug ist, um dafür zwischen 20 und maximal 48 Euro im Jahr zu zahlen.

Zurück in die Zukunft

Vor allem für jüngere Spieler, die nicht mit älteren Nintendo-Konsolen aufgewachsen sind und auf Wii, Wii U oder 3DS aus unterschiedlichen Gründen nicht in Berührung mit der Virtual Console gekommen sind, dürfte eine nur als zahlendes Mitglied nutzbare Applikation, in der Monat für Monat Nintendo-Entertainment-System-Klassiker hinzugefügt werden, vielleicht ein netter Anreiz sein. NES-Titel wie Donkey Kong, Super Mario Bros. 3 oder The Legend of Zelda können im Rahmen dieser digitalen Videospielsammlung wunderbar inklusive der Möglichkeit, jederzeit speichern und Spielstände laden zu können, nachgeholt und zusätzlich auch noch online gespielt werden.

Da viele Multiplayer-Titel auf dem NES häufig noch abwechselnd gespielt werden mussten, hat sich Nintendo hier ein paar interessante Ideen ausgedacht. So kann der gerade nicht aktive Spieler mit einem Cursor auf den Bildschirm zielen, um dem anderen Teilnehmer der Online-Partie etwas zu zeigen oder zu verdeutlichen. Zum Start des Services stehen zwanzig Titel zur Verfügung und dass zumindest in den ersten Monaten kontinuierlich Spiele nachgereicht werden, ist eine wunderbare Idee. Ärgerlich ist nur, dass die Sammlung selbst bei einer einjährigen Mitgliedschaft stets alle sieben Tage mit dem Internet verbunden werden will, damit die Spiele geladen werden können. Für Vielreisende, Dauerurlauber oder Weltenbummler sollte der Konzern hier noch einmal nachbessern.

Exklusive Angebote für Fans

Selbstverständlich ist es unerfreulich, dass Super-Nintendo-Entertainment-System-Spiele entgegen der Ankündigung im Launch-Zeitraum nicht mit dem Start von Nintendo Switch Online auf ähnliche Art und Weise zur Verfügung gestellt worden sind. Es ist aber davon auszugehen, dass früher oder später auch 16-Bit-Klassiker ihren Weg in das Online-Programm finden können. Des Weiteren wirbt das japanische Unternehmen auch noch mit speziellen Angeboten, die nur den zahlungswilligen Abonnenten zur Verfügung stehen.

Das erste dieser Angebote ist ein NES-Controller-Paar, das wie die Joy-Cons an die Switch angeschlossen werden kann und ausschließlich mit den NES-Titeln kompatibel ist. Ganz davon abgesehen, dass das Aufladen nur über die Switch und nicht via USB-Kabel möglich ist, ist der Preis für das Duo mit sechzig Euro ein Schlag ins Gesicht. Wohlgemerkt kostet ein einzelner Controller für das NES Mini weniger als ein Viertel des Preises für das Paket, auf das auch noch Versandkosten erhoben werden. Nintendo soll hier nicht für die Preispolitik gerügt werden, aber wenn die Technik in leicht abgewandelter Form bereits wesentlich günstiger vorhanden ist und das Angebot exklusiv für zahlende Abonnenten offeriert wird, müssen selbst die härtesten Nintendo-Fans an Sinn und Verstand an dem noch wesentlich ausbaufähigen Nintendo Switch Online zweifeln.

Verbesserungswürdiges Online-System

Unterm Strich lässt sich die Frage, an wen sich der im September 2018 gestartete Service richtet, nicht ganz einfach beantworten. Wer weiterhin Mario Kart 8 Deluxe, Mario Tennis Aces oder Splatoon 2 online mit seinen Freunden spielen will, wird wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen, um den zuvor kostenfreien Service nun kostenpflichtig weiterhin nutzen zu dürfen. Dann sind auch die wenigen Annehmlichkeiten wie die Speicherdaten-Cloud und die künftig zumindest leicht ansteigende Anzahl an NES-Titeln in der dazugehörigen Applikation ein durchaus netter Bonus.

Auch die exklusiven Angebote, die Nintendo in Geheimniskrämerei gehüllt für die Zukunft groß angekündigt hat, können durchaus ein Anreiz sein, sich für eines der vier Abonnements zu entscheiden. Diese sollten aber über das preislich äußerst diskutable Angebot der NES-Controller hinausgehen, denn so bieten diese selbst für die treuesten Kunden keinen wirklichen Mehrwert. Wem die letzten drei Punkte jedoch nicht wichtig genug sind, wird den Service nach der siebentägigen Testphase, die jedem Nintendo-Account einmalig zur Verfügung steht, wohl nicht weiter nutzen wollen. Steht im Übrigen noch eine Wii U zuhause, können Titel wie Mario Kart 8, Splatoon oder Super Smash Bros. for Wii U auch weiterhin in einer ähnlichen Qualität kostenlos gespielt werden, da das Abo-Modell für Nintendos letzte reine Heimkonsole und für den Handheld 3DS glücklicherweise nicht greift.

Geschrieben von Eric Ebelt