Fire Emblem: Three Houses – TEST
Nicht viele alteingesessene Videospielereihen können auf eine erfolgreiche Wiederbelebung zurückblicken, so wie es Fire Emblem mit den 3DS-Ablegern gelungen ist. Auf der Switch hat die klassische Reihe neue Hürden zu reißen.
Stammentwickler Intelligent Systems ist allerdings nicht mehr alleiniger Entwickler des Spiels, vielmehr übernahmen die Köpfe hinter Fire Emblem: Awakening, Fire Emblem: Fates und zuletzt Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia hauptsächlich die Planung und wurden bei der Entwicklung maßgeblich von Koei Tecmo unterstützt. Eines gleich vorweg: Hätten wir das nicht gewusst, wäre es uns allerdings nicht aufgefallen. Three Houses bietet zwar eine Menge Gameplay-Änderungen für die Reihe, das Herzstück ist aber immer noch dasselbe rundenbasierte Taktik-Rollenspiel. Aus der Perspektive eines jungen Lehrers oder einer Lehrerin werden wir ins Kloster Garreg Mach im Zentrum des Landes gerufen, um Dozent für die ansässige Militärakademie zu werden. Auch wenn wir nicht unbedingt älter sind als unsere Schüler, scheint der stumme Protagonist nicht nur besonders gewandt im Kampf zu sein, sondern auch eine Vergangenheit zu haben, die noch erzählerisch relevant wird.
Entscheidungen zählen
Entscheidungen und deren Auswirkungen stehen eindeutig im Mittelpunkt von Fire Emblem: THree Houses. Das wird schon zu Beginn des Spiels klar, wenn wir uns für eines der drei Häuser und damit für eine Klasse in der Militärakademie entscheiden müssen. Je nach Wahl ändern sich unsere ersten Kampfgefährten, die ihren Fokus entweder auf Bogen-, Magie- oder Nahkampf-Fähigkeiten setzen, im späteren Spielverlauf verzweigen sich die einzelnen Story-Pfade dazu.
Bis es so weit ist, dürfen wir unsere Schüler in der Kampfkunst unterweisen; für sie bedeutet das Büffeln und eine Menge Statusbalken nach oben treiben. Nicht nur gibt es Level-Aufstiege pro Charakter und Charakterklasse, ständig verbessern wir auch unsere Bataillonsstufen, Kampftechnikenund Fertigkeiten. Auch die Menüs erschlagen uns zunächst mit ihren breitgestreuten Informationen, sobald wir aber verstehen, was die Spielstruktur vom Spieler erwartet und welche Bedeutung die Icons haben, sind wir stets motiviert, unserer Truppe nach unserem Geschmack zu formen. Dafür gibt einem das Spiel mehr als genug Möglichkeiten an die Hand.
Zu wenig Zeit und zu viel zu tun
Limitierender Faktor ist tatsächlich nur die Zeit, denn diese ist auch in Three Houses endlich, in dem jedes Kapitel ein spielbarer Monat darstellt. Am Wochenende erkunden wir das Kloster frei nach unserem Belieben und opfern die begrenzten Freizeit-Slots für einige der zahlreichenNebenbeschäftigungen. Im besten Falle steigert das die Fähigkeitswerte der beteiligten Schüler oder die Motivation. Umso motivierter, desto mehr Wissen können wir ihnen unter der Woche einprügeln und umso schneller lernen angehende Ritter das Reiten oder Mönche stärkere Heilzauber. Das macht deswegen so viel Spaß, weil die begrenzte Zeit automatisch zum Effektivspielen anregt und weil der Fortschritt auch sofort im Kampf erkennbar ist. Mit diesen Mechaniken verbringen wir mindestens genauso viel Zeit wie mit den Kämpfen.
Auf dem Schlachtfeld wird es unverzüglich ernst, denn auch die Kirche hat eine Menge Feinde, seien es einfache Banditen oder abtrünnige Teile der Glaubensgemeinschaft, um die sich auch die jungen Schüler direkt kümmern müssen. Wenn wir unsere Einheiten über das schachbrettartigeSchlachtfeld in Reichweite eines Feindes schieben, kommt es zum Kampf. Wer diesen gewinnt, hängt nun nicht mehr vom Waffendreieck ab – das gehört der Vergangenheit an. Stattdessen gibt es individualisierte Fähigkeiten, die Angriffe verstärken, aber auf Kosten der Waffenhaltbarkeit gehen. Verteidigungsboni des Terrains, die Unterstützung von anstehenden Kameraden und im späteren Spielverlauf auch die unterschiedlichen Klassen entscheiden darüber, wer den Kampf gewinnt.
Die Kämpfe selbst sind wesentlich schöner als noch auf dem Nintendo 3DS inszeniert. Wir können sogar so nah an die Figuren heranzoomen, bis wir sie und ihre Truppen in der 3D-Umgebung selbst sehen; was uns direkt an die Massenkeilereien der Warriors-Spiele erinnert. Apropos Truppen: Nun werden die Kämpfe nicht mehr nur von einer Handvoll Figuren ausgetragen, sondern auch von vielen einzelnen Soldaten, die mit ihren Anführern kämpfen. Die meisten stehen zwar bloß unmotiviert im Hintergrund herum und warten darauf, endlich weglaufen zu dürfen, dafür haben wir aber endlich auch mal das Gefühl, Teil einer wirklichen Schlacht zu sein.
Aussicht auf Unsauberkeit
Die Darstellung vieler Figuren hat aber auch ihren Preis: Nicht nur die 3D-Umgebungen sondern auch die Unter- und Hintergründe der Taktik-Karte wirken im Kontrast zu den bunten Anime-Figuren eintönig und profitieren nicht vom realistischen Stil. Auch das Kloster gibt zwar mit sehr vielen Räumen und Einrichtungen ein realistisches Bild einer Akademie ab, die teils kahle Möblierung, die unansprechende Farbgebung und Texturierung sowie ein seichter Nebel, der über etwas zu weit entfernte Darstellungen liegt, zeigen aber, dass die Entwickler nicht alles aus der Nintendo Switch herausholen. Ab einem bestimmten Punkt ist die Akademie aber auch nur noch Hintergrundkulisse. Relevant sind nur noch Interaktionspunkte mit unseren Figuren wie der Speisesaal oder die Bibliothek, die wir auch per Schnellreise ansteuern können.
Das Thema der Entscheidungen zieht sich weiterhin über die Unterrichtsmechaniken hinaus bis zu den Unterstützungsgesprächen, in denen wir die Figuren unseres Hauses und aller anderen wichtigen Charaktere – wenn wir denn möchten – kennenlernen. Richtige Antwortmöglichkeiten werden nun auch mit Beliebtheitsboni belohnt – eine gute Möglichkeit, uns an die Dialoge zu fesseln, damit wir keine Bonuspunkte liegen lassen. Alle Figuren haben ihre wiedererkennbaren Eigenschaften, auf dem der Fokus der Charakterisierung liegt, dennoch fühlten sich die Figuren für uns selten überzeichnet oder stereotypisiert an.
Je nach Spielmodus haben auch die Entscheidungen im Kampf gravierende Konsequenzen: Selten hat der Klassische Modus so gut funktioniert wie in Three Houses. Wer im Kampf falsche Entscheidungen trifft, wird auch mit diesen leben müssen, denn in besagtem Modus kehren gefallene Figuren nach einem Kampf nicht so einfach wieder zurück. Es gibt zwar eine Rückspulfunktion, die uns eine beliebige Anzahl anRunden in die Vergangenheit befördert, aber auch diese Möglichkeit ist begrenzt. Darüber hinaus kann zwischen Normal und Schwer gewählt werden, wobei Normal eher dem Schwierigkeitsgrad Einfach entspricht. Auch wenn Three Houses nicht so gut mit den technischen Gegebenheiten der Switch zurecht kommt, sind es doch die vielen erfüllenden Spielmechaniken, die das Spiel sehr empfehlenswert machen.
Geschrieben von Jonas Maier
Fazit:
Fire Emblem: Three Houses bietet so viele Spielmechaniken und Rollenspielsysteme, die dann doch fast alle relevant sind und schön ineinandergreifen. Wer alleine in einem Spieldurchgang nichts verpassen will, hat eine Menge zu tun und muss aufgrund der neuen Zeitmechaniken besonders aufpassen. Wahrscheinlich fesselt mich das Spiel genau deswegen an die Switch. Durch die Wahl, welcher Figur ich welche Fähigkeiten beibringe und welche Rolle diese im Kampf einnimmt, schaffe ich mir so meine ganz eigenen Erinnerungen mit Three Houses. Dank der Vielzahl der Individualisierungen tritt dieses Element weiter in den Fokus. Es motiviert durchweg mehr, über die Figuren zu erfahren und in Kämpfen besonders gut auf diese achtzugeben. Etwas mehr Fokus auf Qualität statt Quantität hatte ich mir vor allem auf der technischen Seite gewünscht. Zwar gibt es massig an optionalen Charakterinteraktionen, aber der zentrale Spielort mit seinem technischen Grundgerüst aus der grauen Vorzeit wird jedem Spieler dutzende Stunden vor Augen geführt. Diejenigen, die darüber hinwegsehen können, sind aber auch genau die, die mit den restlichen Spielelementen ihren Spaß haben werden und erkennen, dass Three Houses eines der besten Switch-Spiele des Jahres ist.