FAR: Lone Sails

FAR: Lone Sails – TEST

FAR: Lone Sails bezeichnet sich selbst als „Vehicle Adventure“ – eine Genre-Bezeichnung, die man wohl weder vor, noch nach dem ursprünglichen Release im Jahr 2018 so oft zu Ohren bekommen sollte. Trotzdem passt der Begriff wie die Faust aufs Auge.


Das Schweizer Indie-Produkt FAR: Lone Sails steht nun mit der Nintendo-Switch-Version auf allen gängigen Hardware-Varianten zur Verfügung. Bisher konnte der Titel eine außerordentliche Zahl an Nominierungen und Preisauszeichnungen für sich verbuchen. Eines vorweg: Auch die Nintendo-Switch-Version von FAR: Lone Sails hat nichts von ihrem Charme verloren und noch immer all diese Preise verdient.

Als kleine, rote Spielfigur beginnen wir das Abenteuer an einer einsamen, tristen Küste; geprägt von wenigen Farbeindrücken, die uns anzeigen, mit welchen Objekten wir interagieren können. Schnell gelangen wir an Bord eines seltsamen Gefährts, eine Art landtauglicher Raddampfer, der sich durch einen Knopfdruck auch schon entlang der Seitenansicht in Bewegung setzt.

Um Fahrt aufzunehmen, müssen wir erst einmal den Energie-Tank des Fahrzeugs füllen – und das geschieht, indem wir Objekte in den Treibstofftank befördern. Danach müssen wir den Motor wieder per Hand starten, aufpassen, dass der Dampfkessel nicht überhitzt, und gegebenenfalls die Bremse betätigen, um außerhalb des Gefährts neuen Brennstoff aufzusammeln. Das alles erledigen wir nicht direkt per Tastendruck auf den Joy-Cons, sondern müssen uns immer zu den einzelnen Interaktionspunkten im Fahrzeug bewegen – alles klar erkennbare rote Knöpfe. Das Fahrzeug ist nicht groß, weswegen wir alle Stationen in wenigen Augenblicken erreichen.

Mensch und Maschine

Nach und nach werden in verlassenen Werften neue Teile angebracht und damit die Funktionen des Gefährts erweitert. So erhalten wir schnell das Segel, mit dem wir auch ohne Treibstoff gut vorankommen. Natürlich nur so lange sich die Fahne im Wind dreht. Das Spiel lässt uns nur an wenigen Stellschrauben die Fortbewegung des Fahrzeugs beeinflussen. Das genügt aber, um uns das stetige Gefühl von Kontrolle und Verantwortung zu geben.

Vorsichtig sein sollten wir nämlich trotzdem, denn das Fahrgerät ist für unsere Spielfigur überlebenswichtig. Die weite vernebelte Einöde erstreckt sich kilometerweit, zu Fuß wollen wir hier nicht stranden. Hier und da treffen wir auf verwitterte Konstruktionen und Industrieabschnitte, die uns erahnen lassen, was in der Welt von FAR: Lone Sails vorgefallen ist. Auch ganz ohne Textboxen oder ein gesprochenes Wort kommuniziert das Spiel mit dem Spieler dennoch fortlaufend. Anhand des Motorengeräuschs erkennen wir, wie viel Fahrt wir aufnehmen, bei einer Fehlfunktion fliegen die Funken und verlangen nach dem eingebauten Reparatur-Kit und das unheilvolle Zischen des Dampfkessels erinnert uns daran, mal wieder Dampf vom Druckkessel zu nehmen.

Das Gefühl der Leere

Alle Spielsysteme zusammengenommen sind nicht wirklich komplex und kleine Rätsel verlangen von uns höchstens, die Funktionen des Fahrzeugs mit der Umgebung zu kombinieren. Bis zum Schluss wurde uns nur wenig Köpfchen abgefordert, dafür konnten wir uns ganz auf die Stimmung des Spiels konzentrieren. FAR: Lone Sails strahlt eine ruhige Melancholie aus, die hauptsächlich durch die Landschaften und die sehr passende Musikuntermalung geprägt wird. Jederzeit können wir auch herauszoomen und die Weitsicht genießen, die Musik ändert sich dabei auch. Sobald sich unser Gefährt in Bewegung setzt, setzt zum Beispiel die rhythmische Hintergrundmusik ein. Manchmal ist das Spiel aber auch einfach nur leise und lässt die Naturgeräusche für sich sprechen.

Das Spiel trägt sich mühelos über die zwei bis drei Spielstunden hinweg, bis das Fahrzeug sein Ziel erreicht. Die Switch-Version ist einwandfrei, allerdings empfehlen wir den TV-Modus, denn im Handheld-Modus wirken viele Elemente arg kleinteilig. Besonders die Momente, wenn die Kamera besonders weit rauszoomt und die Größenunterschiede zwischen der kleinen Spielfigur, dem Gefährt und den Hintergrund-Elementen zur Geltung kommen, will man auf dem großen Fernseher genießen.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

 

Die kleine aber unglaublich sympathische Produktion zählt zu den besten Indie-Spielen, die ich in den letzten Jahren erleben durfte. FAR: Lone Sails ist ein sehr unaufgeregtes und konzentriertes Spielerlebnis, das dennoch seinen Spieler stets im Bann hat. Einmal durch das stetige Betreiben und Pflegen des Fahrzeugs, zu dem der Spieler irgendwann automatisch eine Verbindung aufbaut. Wie schlimm wäre es doch, wenn es in der windigen kalten Welt auf einmal kaputt geht. Zum andern wegen der Stimmung. Besonders gefiel mir die klassische Musikuntermalung, die in manchen Punkten an die vereinzelten Musik-Tropfen aus Breath of the Wild erinnert, sich aber auch in ausladenden Klangteppichen ergießt, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Timing ist ein guter Stichpunkt, denn durch seine Musik und den Kamera-Ausschnitt, den mir das Spiel zeigt, inszeniert sich FAR: Lone Sails außerordentlich geschickt und wird mir mit manchen Momenten länger in Erinnerung bleiben, als so manches Effekt-Gewitter großer Spiele.