Mega Man Legacy Collection – TEST

1987 schuf Capcom mit der Mega-Man-Videospielserie ein Franchise, das auch 2018 noch zu den beliebtesten Reihen gehört, zumindest was den Retro-Faktor und den hohen Schwierigkeitsgrad angeht. In der Mega Man Legacy Collection fasst der Publisher die ersten sechs Mega-Man-Abenteuer vom Nintendo Entertainment System in einer Kollektion zusammen.


Sechs verschiedene Spiele klingen im ersten Moment natürlich viel und das ist es im Grunde auch. Trotzdem sei schon an dieser Stelle gesagt, dass sich das grundlegende Gameplay und die Handlungsstränge der sechs verschiedenen Spiele nur geringfügig voneinander unterscheiden. Angesiedelt sind sämtliche Titel im Jahr 20XX, also in einer fernen oder nahen Zukunft. In der Grundkonstellation hat der Wissenschaftler Dr. Light diverse Roboter wie den titelgebenden Mega Man konstruiert, die der Menschheit bei ihren alltäglichen Problemen helfen soll. Sein Konkurrent Dr. Wily plant hingegen die Welt zu erobern und programmiert Lights Werke kurzerhand um. Es gelingt ihm jedoch nicht, Mega Man zu bekehren.

Dieser muss seine Artgenossen daraufhin der Reihe nach aus dem Weg räumen, um die Welt vor Dr. Wilys bösen Absichten zu schützen – ein System, das sich mit leichten Abwandlungen in der Story durch alle sechs Spiele der Legacy Collection zieht. Obwohl es den Anschein haben könnte, dass diese wiederholenden Strukturen den Spieler ermüden würden, hat es bei der Mega-Man-Reihe seit dem ersten Teil von 1987 sogar den gegenteiligen Effekt. Diese Design-Entscheidung ist so stark mit dem Gameplay verwoben, dass sich über die Jahre hinweg ein regelrechter Fanzirkel entwickelt hat, der im Internet darüber diskutiert, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Roboter am ehesten aus dem Weg geräumt werden sollten.

Auf der Suche nach dem nächsten Bossgegner

Aus einem Menü heraus darf in jedem der sechs Titel der nächste zu besiegende Roboter aus einer mehr oder weniger überschaubaren Auswahl an Feinden ausgewählt werden. Daraufhin landet Mega Man in einem Level, das auf die Thematik des Roboters zugeschnitten ist. Unter anderem taucht der Held ins Meer ab, schlägt sich in Fabriken mit Elektrizität herum oder schlittert auf glatten Oberflächen auf schneebedeckten Bergen – immer darauf achtend, das angreifende Gegner mit Schüssen eliminiert und Abgründe gemieden werden. Sowohl die Auswahl der Themenwelten als auch die Diversität der verschiedenen Bossgegner ist abwechslungsreich – und je nach gewählter Route durch ein Spiel auch unterschiedlich schwierig zu meistern.

Jeder Bossgegner agiert nach einem bestimmten Muster, das erst einmal durchschaut werden will und einen Versuch nach dem anderen fordert. Ist die Verhaltensweise jedoch erst einmal durchschaut, kann ein Bossgegner in der Regel schnell aus dem Verkehr gezogen und daraufhin seine Waffe in den eigenen Besitz übernommen werden. Da jeder Bossgegner eine andere Schwäche hat, ist es sinnvoll, die gesammelten Waffen immer mal wieder auszuprobieren und im richtigen Moment einzusetzen. So gehört zu jedem Mega-Man-Spiel auch stets der Wille, Experimente einzugehen, der mit jedem abgeschlossenen Level mit der Ausschüttung von Glückshormonen belohnt wird. Jüngere Spieler, die mit Videospielen aus der 8-Bit-Ära nur wenig zu tun haben, müssen sich an dieses Konzept eventuell erst noch gewöhnen.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Wer sich auch nach dutzenden Anläufen gar nicht mit dem hohen Schwierigkeitsgrad der Mega-Man-Spiele anfreunden kann, freut sich sicherlich über die Zurückspulfunktion. Bei gedrückter L-Taste wird das Geschehen solange zurückgedreht, bis der Spieler an der Stelle angelangt ist, die er korrigieren möchte. Ein Sturz in einen Abgrund der zweidimensionalen Level-Architektur ist damit ebenso wenig tödlich wie der finale Treffer durch ein verirrtes Projektil der Gegner. Leider lässt sich diese Funktion nicht ausstellen, sodass auch Profis schnell in Versuchung geführt werden und das Spiel austricksen möchten, wenn ein Sprung mal wieder nicht rechtzeitig ausgeführt wurde und der Level-Anfang nach dem Ableben der Spielfigur das größere – und jetzt vor allem ein nicht mehr notwendiges – Übel darstellt.

Für Anfänger ist das Konzept optimal, verführte Fortgeschrittene bleiben hingegen Stillstehende. Hier wäre eine elegantere Lösung, beispielsweise eine begrenzbare Nutzung der Zurückspulfunktion wie im GameCube-Titel Prince of Persia: The Sands of Time, wünschenswert gewesen. Sicherlich hätte dies aus den sechs Klassikern fast schon neue Spiele gemacht; die eine oder andere neue Erfahrung hätte der Reihe aber bestimmt auch nicht geschadet. Wer konsequent bleibt und die Funktion außer Acht lässt, kann wunderbar in eine Zeit zurückreisen, in der ein Erfolg in einem Videospiel eine andere und womöglich wichtigere Bedeutung hatte. Immerhin lassen sich alle Titel in der Legacy Collection jederzeit speichern, was das mittlerweile arg veraltete Merken von Passwörtern obsolet macht.

Nostalgische Zeitreise

Ergänzend liegt der Kollektion auch ein Herausforderungsmodus bei, der ohne die Zurückspulfunktion auskommt. In diesem wird der Spieler in bekannte Spielsituationen geworfen, die er in einer bestimmten Zeit meistern muss. Bestzeiten landen auf einer Online-Rangliste, sodass es stets motivierend ist, die Fähigkeiten zu verbessern und mit anderen Spielern zu konkurrieren. Ebenfalls schön ist das Museum und die Galerie, in denen Artworks von Charakteren mit (deutschen) Beschreibungen aufgelistet und hochauflösende Cover, Anleitungen oder Werbetexte der Originalspiele zu finden sind. Vor allem ältere Mega-Man-Fans werden beim Schwelgen in Erinnerungen ihre wahre Freude daran haben.

Kenner der japanischen Versionen müssen auch nicht verzagen, denn neben der in Europa und Nordamerika veröffentlichen Fassung, sind auch alle sechs japanischen Rockman-Titel auswählbar. In grafischer Hinsicht handelt es sich bei allen Werken um Spiele für das Nintendo Entertainment System beziehungsweise Famicom, sodass die Pixelgrafik keinen Mangel darstellt. Wer es nostalgisch mag, kann als grafisches Feature auch Fernsehr- und Monitor-Filter über das Bild legen. Akustisch können die rockigen Tracks aus den späten 1980er und frühen 1990er Jahre aber auch heute noch punkten. Abschließend sei gesagt, dass beim Spielen die chronologische Reihenfolge unbedingt eingehalten werden sollte, um auch die Entwicklung mit ihren kleinen Details und Verbesserungen wie aufladbaren Schüsse und Co, wirklich würdigen zu können.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Weltweit begeistert die Mega-Man-Reihe seit 1987 und besonders die ersten Teile für das Nintendo Entertainment System sind in Fankreisen legendär – der Name der Mega Man Legacy Collection ist also definitiv berechtigt. Alle sechs Spiele fühlen sich zwar stets so gut wie früher an, doch wer ‚zu spät’ mit Videospielen angefangen hat und deshalb wohl weniger herausfordernde Titel gespielt hat, freut sich in den bockschweren Mega-Man-Titeln über eine hervorragend funktionierende Zurückspulfunktion, die sekundengenaue Wiederholungen ermöglicht. Hinzu kommen ein paar nette Herausforderungen mit Online-Ranglisten, sowie Museen und Galerien, in denen in nostalgischen Erinnerungen geschwelgt werden oder auch einfach nur das Hintergrundwissen über das Mega-Man-Franchise aufgefrischt werden darf. Einzig und allein die Steuerung mit einem Joy-Con im Tisch-Modus ist ein Graus, da stets darauf geachtet werden muss, dass die L-Taste nicht berührt wird, da sonst irgendeine (frei belegbare!) Funktion ausgeführt wird. Capcom ist mit der Mega Man Legacy Collection eine rundum gelungene Sammlung geglückt, die nicht nur Fans der Originale, sondern auch Action-Spieler mit einem Retro-Fetisch ansprechen und glücklich machen wird.