Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin – TEST
Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin ist ein Klassiker unter den Rollenspielen. Auch wenn der Titel lediglich einen Port für die Nintendo Switch, anstatt einer Remaster-Version wie bei der PlayStation 4 oder dem PC, erhalten hat, schmälert dies die Spielerfahrung nur wenig. Neulinge sowie Fans von japanischen Rollenspielen können sich nun in das Abenteuer rund um Oliver stürzen, das durch seine Anime-Kulisse, der wundervollen Musik-Untermalung und der liebevoll erzählten Geschichte zu überzeugen weiß.
Während in Japan Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin bereits Ende 2010 für den Nintendo DS erschienen ist, mussten Spieler aus anderen Ländern bis zur 2013 veröffentlichten PlayStation-3-Version warten, um in den Genuss des Spiels zu kommen. Der Nachfolger Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs erschien weltweit 2018 für die PlayStation 4 und dem PC. Im September erschien nun der Port vom ersten Teil für die Nintendo Switch und die Remaster-Version für die PlayStation 4 und den PC. Inhaltlich unterscheiden sich Port- und Remaster-Fassung nicht voneinander, da beide das komplette Spiel mitsamt DLC-Inhalt umfassen. Lediglich bei der Grafik machen sich Unterschiede bemerkbar: Während sich Nintendo-Switch-Spieler mit einer angestaubten Grafik des Spiels zufriedengeben müssen, können sich PlayStation-4- und PC-Spieler über eine aufgehübschte Variante mit erhöhter Auflösung und Bildrate freuen.
Liebenswürdige Story
Beim Start des Spiels müssen wir uns zunächst zwischen den Schwierigkeitsgraden „Einfach“ oder „Normal“ entscheiden. Wer die Geschichte lediglich genießen möchte und auf herausfordernde Kämpfe verzichten kann, ist mit „Einfach“ besser bedient, andernfalls ist „Normal“ die klügere Wahl. Den Schwierigkeitsgrad kann man jedoch jederzeit in den Einstellungen ändern. Nach der Entscheidung können wir uns nun auf die Abenteuerreise mit dem Jungen Oliver begeben. In einem spielbaren Rückblick schauen wir auf den Beginn der Geschichte zurück: Wir starten in Motorville, der Heimatstadt von Oliver. Dort lernen wir unter anderem die verschiedenen Bewohner des Städtchens kennen – Olivers Mutter Ally, seinen besten Freund Philip und die Ladeninhaberin Leila.
Nachdem Philip Oliver erzählt, dass er das gemeinsam erbaute Auto nun fertig stellen konnte, möchten die beiden des Nachts heimlich eine Probefahrt unternehmen. Auch wenn Oliver von der unbekannten, gespensterhaften Pia vor der Fahrt gewarnt wurde, lässt er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Seine Fahrt wird jedoch durch die Weiße Königin manipuliert und endet in dem danebenliegenden Fluss. Olivers Mutter wird zeitgleich durch Pia unbemerkt geweckt. Sobald Ally erkannt hat, dass sich Oliver nicht mehr im Haus befindet, macht sie sich vor lauter Sorge auf die Suche nach ihm. Gerade noch rechtzeitig findet sie ihn im Fluss, dem Ertrinken nahe, und rettet ihn. Jedoch hat diese Rettung schwerwiegende Folgen: Olivers Mutter bricht aufgrund ihres schwachen Herzens zusammen und stirbt kurz danach im Krankenhaus.
Oliver zieht sich nun voller Schuld- und Trauergefühle in sein Zimmer zurück. Als er jedoch das von seiner Mutter genähte Plüschtier zum Trost in die Arme nimmt und Tränen auf dieses fallen, passiert auf einmal etwas Unvorhersehbares. Das Plüschtier verändert sich – es sieht auf einmal anders aus, kann sich bewegen und sogar sprechen. Er stellt sich als Fee Tröpfchen vor, welcher durch den Bösewicht Shadar in die Puppe verwandelt worden und in Motorville gelandet ist. Tröpfchen kommt aus einer anderen Welt, die durch Shadar unter gebrochenen Herzen und Krieg leidet. Weil Oliver durch seine Tränen Shadars Fluch bei Tröpfchen brechen konnte, bezeichnet Tröpfchen ihn als Reinherzigen, den möglichen Retter seiner Welt. Nachdem Oliver erfährt, dass durch einen Sieg über Shadar die Möglichkeit besteht, seiner Mutter zu helfen, willigt er der Rettung ein und die Reise in Tröpfchens Welt beginnt.
Spielgestaltung
Nicht nur zu Beginn des Spiels, auch im Verlauf begeistert uns die Geschichte rund um Oliver, Tröpfchen und Co weiterhin. Nachdem wir durch unseren ersten gelernten Zauber Portal in der Parallelwelt gelandet sind, müssen wir uns dort verschiedenen Kreaturen auf der Oberwelt stellen. Hier können wir uns frei bewegen und so zwischen verschiedenen Städten mit ihren Eigenarten hin und her laufen. Eine Minikarte auf dem Bildschirm oben rechts und eine große Karte auf Knopfdruck hilft uns, die Orientierung zu behalten. Je nach Region unterscheidet sich die Oberwelt und dadurch auch die dazugehörigen Städte und Kreaturen: Von ausgedehnten Wiesen bis zu trockenen Wüsten finden wir einiges an Abwechslung. Auch zur Umgebung passende Dungeons können von der Oberwelt aus erreicht werden, an dessen Ende ein Bossgegner auf uns wartet. Die Dungeons sind jedoch trotz ihres labyrinth-ähnlichen Designs recht linear und warten nur mit wenigen designtechnischen Überraschungen auf.
Wir laufen natürlich nicht nur auf der Oberwelt umher, auch in den Orten gibt es einiges zu tun. So können wir beispielsweise durch die Stadt schlendern, mit verschiedenen Personen sprechen und die vorhandenen Läden besuchen, die uns nützliche Gegenstände verkaufen können. Darunter fallen zum Beispiel ausrüstbare Waffen aber auch praktischer Proviant, der beispielsweise unsere Lebenspunkte wiederherstellen kann. Außerdem lernen wir in den Städten verschiedene Menschen mit gebrochenen Herzen kennen. Diesen Personen fehlt ein Teil ihres Herzens wie zum Beispiel die Tugenden Güte oder Mut. Wenn wir nun eine Person treffen, die einen Überfluss an so einer Tugend hat, können wir sie bitten, uns etwas davon in unsere Phiole durch einen unserer Zauber abzugeben. Danach können wir das fehlende Herzteil dem Menschen mit gebrochenem Herzen schenken, wodurch das Herz heilt. Dies ist für uns eine wichtige wiederkehrende Aufgabe im Spiel.
Außerdem erfahren wir hier mehr über die Verbindungen der Menschen der anderen Welt zu den Personen aus Motorville. Jedes Lebewesen hat in der anderen Welt nämlich einen Seelenverwandten, mit dem es verbunden ist. Wenn wir der einen Person helfen, können wir besser verstehen, wie wir dem Seelenverwandten aus der Parallelwelt beistehen können. Neben den Hauptaufgaben gibt es natürlich auch Nebenaufgaben – wir können zum Beispiel die verschiedensten Aufträge der Stadtbewohner erfüllen. Aufträge können beispielsweise so aussehen, dass wir Kreaturen besiegen, etwas suchen oder einer anderen Person etwas bringen sollen. Dadurch bekommen wir Stempel auf unserer Stempelkarte, die wir dann für nützliche Vorteile einlösen können. Neben den Aufträgen der Einwohner können wir in der Oberwelt auf Monsterjagd gehen, wodurch wir noch zusätzliche Prämien einheimsen können.
Kampfsystem
Wie für japanische Rollenspiele üblich, ist natürlich auch das Kampfsystem ein wichtiger Punkt des Spiels. Wenn wir auf der Oberwelt oder in Dungeons ein Monster sehen, können wir uns heimlich von hinten anschleichen, um die Oberhand zu haben und so den ersten Angriff zu starten. Andernfalls kann das Monster natürlich auch uns zuerst angreifen, wenn es uns in den Rücken läuft. Wenn das Monster uns zwar gesehen hat, was durch ein Ausrufezeichen kenntlich wird, und auf uns von vorn oder der Seite zuläuft, hat niemand Anfangsvorteile im Kampf. Abgesehen davon könnt ihr natürlich auch versuchen, den Kreaturen aus dem Weg zu gehen oder ihnen davonzulaufen.
Anfangs müssen wir uns mit unserem einfachen Zauberstab alleine gegen die Kreaturen wehren. Wir können sie mit unserem Zauberstab angreifen, uns verteidigen, Proviant zur Stärkung verzehren oder aus dem Kampf fliehen. Angriffe könnt ihr euch folgendermaßen vorstellen – wir laufen in Echtzeit aktiv auf das Monster zu, drücken den Angriffsknopf und, solange bis die Uhr abgelaufen ist oder wir den Angriff unterbrechen, hauen wir die Kreatur wiederkehrend mit unserem Zauberstab. Sobald der Angriffsbefehl danach erneut verfügbar sein sollte, können wir einen neuen Angriff starten. Attacken sind jedoch durch unseren Zauberstab als Waffe nicht sonderlich effektiv, weswegen es gut ist, dass wir im Laufe des Spiels immer mehr Zaubersprüche lernen, die wir dann auch im Kampf einsetzen können.
Wir müssen jedoch nicht lange alleine kämpfen, denn wir lernen schnell sogenannte Vertraute kennen. Diese sind Kreaturen, die sich jedoch mit uns anfreunden und an unserer Stelle im Kampf antreten. Wir können bis zu drei Vertraute pro Person besitzen, jedoch immer nur einen Vertrauten in den Kampf schicken. Unseren Vertrauten stehen je nachdem verschiedene Aktionen wie Angriffe oder diverse Techniken zur Verfügung. Vertraute haben jedoch eine begrenzte Ausdauer, weshalb es nach längerem Kampfeinsatz notwendig ist, sie auszutauschen, damit sie sich erholen können. Natürlich besitzt Oliver auch Lebens- und Magiepunkte, die sich die Vertrauten quasi mit ihm teilen. Wenn ein Vertrauter also besiegt wird, ist auch Oliver am Ende seiner Kräfte. Beim normalen Schwierigkeitsgrad passiert uns das öfters als uns lieb ist. Vor allem der notwendige schnelle Wechsel von Angriff auf Verteidigung dauert in der Realität manchmal länger als von den Entwicklern wohl eingeplant worden ist.
Jeder Vertraute hat einen zugeordneten Typus. Außerdem besitzen sie genauso wie Oliver ein Level, das sie durch im Kampf gesammelte Erfahrung erhöhen. Abgesehen von Erfahrungspunkten erhalten wir für gewonnene Gefechte auch Geld und manchmal Items. Später können wir sogar erlernen, wie wir unsere Kreaturen – ähnlich wie in Pokémon – selbst fangen und entwickeln können. Im Laufe des Spiels schließen sich jedoch neben den verschiedensten Vertrauten auch zwei menschliche Verbündete mit ihren jeweiligen Vertrauten unserer Gruppe an. Diese möchten dann in jedem Gefecht an unserer Seite kämpfen. Jeder kann hierbei mit Vertrauten bestimmter Typen am besten umgehen. Im Kampf können wir sie durch Taktikbefehle anweisen, welche Aufgabe sie aktuell übernehmen sollen. Zum Beispiel gegen ein anderes Monster zu kämpfen oder vorwiegend zu heilen. Diese Taktik klappt jedoch durch die veraltete künstliche Intelligenz nicht ganz so gut wie gewünscht. Die Verbündeten setzen selten die passenden Vertrauten und Angriffe ein, was uns manchmal etwas frustriert.
Menü, Anime-Design und Gesamtbild
Auch das Menü hat natürlich wichtige Fähigkeiten. Neben der Phiole für die Herzteile, können wir hier auf unsere Items zugreifen, unser Tagebuch oder unsere erhaltenen Seiten aus unserem Zauberbuch nachlesen, den sprechenden Stein nach Hilfe fragen, unsere Einstellungen ändern oder speichern. Wir können auch auf unsere Vertrauten zugreifen und sie mit Ausrüstung oder Techniken optimieren. Im Kreaturenkäfig können wir die Vertrauten sogar füttern, um Pluspunkte auf ihre Fähigkeiten zu bekommen. Außerdem dürfen wir später im Menü sogar selbst Gegenstände herstellen. Im Hauptmenü können wir zwischen einer tollen japanischen und englischen Sprachausgabe wählen, während wir natürlich deutsche Untertitel zum Lesen nutzen. Vor allem durch das lose Mundwerk von Tröpfchen bekommt das Spiel einen besonderen Humor, weswegen das viele Lesen problemlos vonstatten geht.
Die liebevolle Anime-Darstellung durch das Entwicklerstudio Level-5 in Zusammenarbeit mit Studio Ghibli verzaubert uns ähnlich wie die anderen Film-Meisterwerke des namhaften Animationsstudios. Als Beispiele seien hierfür Chihiros Reise ins Zauberland oder Prinzessin Mononoke genannt. Vor allem die wunderschön anzusehenden Zwischensequenzen, aber auch die unterschiedlichen Städte mit ihren Charakteren und die Oberwelt mit ihren unterschiedlichen Kreaturen führen dazu, dass wir uns wie in einem selbst steuerbaren Anime fühlen. Neben den Entwicklern muss jedoch auch die fantastische musikalische Untermalung erwähnt werden. Diese wurde von Joe Hisaishi komponiert und durch das Philharmonieorchester Tōkyō vertont. Sie wirkt jederzeit zum derzeitigen Geschehen harmonisch und trägt viel zur Erschaffung der Atmosphäre bei.
Insgesamt könnt ihr mit Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin viele schöne Spielstunden verbringen. Selbst wenn ihr euch lediglich an der Hauptstory entlang hangelt, solltet ihr mindestens dreißig Stunden im Spiel versinken können. Freunde von Retail-Versionen freuen sich darüber, dass der Klassiker nicht nur im eShop, sondern auch im freien Handel auf Karte erhältlich ist. Das Spiel wurde flüssig auf die Nintendo Switch portiert und ist im TV- und Handheld-Modus ein Vergnügen. Weil die Nintendo Switch jedoch lediglich einen Port und keinen Remaster erhalten hat, haben Besitzer der PlayStation-3-Version keinen wirklichen Kaufgrund, außer wenn sie das Abenteuer erneut und vor allem portabel spielen möchten. Neulingen der Reihe können wir das Spiel jedoch wärmstens ans Herz legen. Wenn euch jedoch Portabilität nicht so wichtig ist und ihr lieber die grafisch beste Fassung des Spiels genießen möchtet, solltet ihr eher zum genauso teuren Remaster auf der PlayStation 4 Pro oder dem PC greifen.
Geschrieben von Linda Hilla
Fazit:
Die Ni-no-Kuni-Reihe ist mir erstmals zum Release des zweiten Teils auf der PlayStation 4 ins Auge gesprungen. Da ich jedoch ungern, auch bei voneinander unabhängigen Teilen, mit dem zweiten Spiel beginne, wollte ich zuerst Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin spielen. Dies hat sich mit dem Port auf die Nintendo Switch nun endlich ergeben und ich habe es keine Sekunde bereut. Auch wenn das Spiel nun schon ein paar Jährchen alt ist, hat es mich wahrscheinlich genauso in den Bann ziehen können wie die Personen, die es bereits auf der PlayStation 3 genießen konnten. Ich liebe Anime, vor allem die Werke von Studio Ghibli finde ich besonders herausragend und Ni no Kuni zähle ich nun dazu. Der Humor von Tröpfchen erfrischt das Spiel immer wieder, die musikalische Untermalung ist jederzeit ausgezeichnet und die Geschichte mit den mir liebgewonnen Charakteren ist gelungen erzählt. Natürlich gibt es auch bei diesem Spiel kleinere Kritikpunkte wie beispielsweise die veraltete künstliche Intelligenz der Verbündeten. Darüber kann ich jedoch bei dem Rollenspielklassiker auch gut hinwegsehen, denn auch heute ist der Titel für Fans von japanischen Rollenspielen ein Must-Have in der Spielebibliothek. Aber auch wenn ihr weniger mit solchen Spieln anfangen könnt, jedoch Anime liebt, solltet ihr ebenfalls einen genaueren Blick auf das Spiel werfen.