Diablo II Resurrected – TEST
Ihr spielt lieber Bowama statt Trapsin, ärgert euch über den NHAM-Bug und habt sicherheitshalber eine Sammlung von Steinen von Jordan? Dann wisst ihr vermutlich schon alles über Diablo II Resurrected. Doch gerade, wenn euch das alles nichts sagt, könnte der eigentlich zwanzig Jahre alte Titel aus dem Hause Blizzard eine Bereicherung für eure Spielesammlung auf der Switch sein.
Um euch nicht weiter rätseln zu lassen, falls ihr mit den obigen Fachbegriffen nichts anfangen könnt, ist hier die Auflösung: Eine Bowama ist eine Amazone, die auf Bögen als Hauptwaffe setzt, eine Trapsin eine Assassine, die sich auf Fallen spezialisiert hat. Der NHAM-Bug steht für „Next Hit Always Misses“ und sorgt leider auch auf der Switch bislang dafür, dass ihr den nächsten Angriff immer in den Sand setzt, wenn ihr zuvor während einer Angriffsanimation von einem Monster getroffen wurdet. Letztlich ist der Stein von Jordan ein berühmter Ring, der für viele der im Spiel enthaltenen Rezepte eingesetzt werden muss, obwohl er eigentlich ein seltener Gegenstand ist.
Bevor wir zum eigentlichen Spiel kommen, müssen wir auf den Umstand hinweisen, dass Blizzard gerade eine Klage wegen Sexismus, Diskriminierung und schlechten Arbeitsbedingungen bekommen hat. Doch gerade trotz der Arbeitsbedingungen gibt es Entwickler und Entwicklerinnen, die zurecht stolz auf Diablo II Resurrected sind und denen ein Boykott ihres Werkes nicht helfen würde. Wir haben uns daher entschieden, den Titel unabhängig von diesem Umstand zu testen.
Alter Kern in neuem Gewand
Als größte Neuerung von Diablo II Resurrected sticht der Umstand hervor, dass es nun Konsolenfassungen des Spiels gibt, das als Diablo II im Jahr 2000 nur für PC erschienen ist. Anders als bei Diablo III wurde hier zwar keine Rolle als Bewegungsergänzung hinzugefügt, dennoch lässt sich der Titel per Controller sogar besser steuern als am PC. Anders als dort können wir hier Fähigkeiten auf Tasten legen und mit einem Knopfdruck abfeuern. Hierbei zielt unser Charakter auf die nächstbeste Figur vor ihm, was durch eine Beschriftung über dem Gegner oder der Gegnerin angezeigt wird. Dadurch ist das Zielen viel einfacher als über eine Keyboard- und Maus-Steuerung.
Ebenfalls über eine Tastenkombination (ZL + Minus) können wir jederzeit zwischen dem neuen Grafikmodus und den alten Varianten wechseln. Hierbei ändert sich auch der Bildausschnitt von 16/9 auf 4/3 und umgekehrt. Ebenso passen sich die Musik und die Sounds an und wir können erahnen, warum das Spiel die Neuerungen in der Aufmachung dringend brauchte. Für die alte Darstellung können wir sogar zwischen den beiden originalen Auflösungen von 640 x 480 Pixeln und 800 x 600 Pixeln sowie anderen Features wie der 3D-Ansicht des Originals hin- und herschalten: wunderbar nostalgisch.
Neue Grafik althergebracht
Trotz der modernen Lichteffekte und Echtzeitschatten holt uns die neue Grafik allerdings nicht hinter dem Ofen hervor. Während das Original damals eine beeindruckende Grafik aufwies und allein damit zu begeistern wusste, ist die neue Optik gerade mal zweckmäßig. Zweckmäßig heißt aber im Gegenzug, dass sie auch nicht schlimmer geworden ist, was etwa die Übersichtlichkeit angeht. Noch immer sind alle Gegner und Gegnerinnen, Wände und anderen Elemente eindeutig zu erkennen und gehen nicht im Kampfgetümmel unter. Das hätte schlimmer laufen können.
Visuell ähnelt Diablo II Resurrected eher Diablo III Eternal Collection, nur etwas weniger bunt. Sämtliche Animationen und Darstellungen der vielen Wesen in Diablo II Resurrected sind sehr ansehnlich geworden und passen zu einem aktuellen Titel. Manche Umgebungen haben sogar sehr gewonnen durch neue Darstellungen, so werden etwa manche neuen Lager, die die Stimmung in Höhlen aufwerten, bei einem Wechsel der Grafikmodi zu langweiligen Felswänden. Was die Atmosphäre angeht, hat Diablo II Resurrected mit seinem ernsten Flair somit alles richtig gemacht.
Diablo in der Suchtspirale
Im Grunde machen wir in Diablo II nur wenige Dinge, davon drei optional: Wir lauschen den in jeder Sprache hervorragend vertonten, inhaltlich umfangreichen Sprachmonologen der NPCs, bringen Monster um, sammeln Beute ein. Wir bringen die Beute in die Stadt und verkaufen sie oder legen sie an. Wir jubeln, wenn wir einen legendären Gegenstand finden, sind enttäuscht, wenn dieser eine andere Charakterklasse hat als unsere eigene und denken alle halbe Stunde so etwas wie „nur noch diesen kurzen Abschnitt, dann hören wir wirklich auf“. Diablo II hat damals die Suchtspirale mit der Zufallsbeute weltweit verbreitet, und die funktioniert auch heutzutage noch.
In fünf Akten spielen wir eine von sieben Charakterklassen mit jeweils drei Fertigkeitenbäumen und einer Vielzahl von verschiedenen Waffen. Die Schräg-von-oben-Ansicht wurde damals von vielen anderen Spielen kopiert und ist auch immer noch hervorragend geeignet, um sowohl Übersicht zu behalten, als auch mitten im Geschehen zu bleiben. Durch die unterschiedlichen Optionen spielt sich das Spiel in jeder Variante recht unterschiedlich, was den Wiederspielwert noch weiter erhöht als es das Verlangen, sich stetig zu verbessern, ohnehin tut. Einzig die Geschichte ist nach dem ersten Spielen nicht mehr von Belang, lässt sich aber überspringen und ignorieren. Sehenswert sind die komplett neu gestalteten Videosequenzen in jedem Fall.
Beim Beginn des Spiels können wir zudem festlegen, ob wir den Modus mit der damals separat erhältlichen Erweiterung Lord of Destruction spielen wollen oder in der klassischen Version ohne fünften Akt. Wir entscheiden, ob wir einen Hardcore-Modus mit Permadeath oder lieber beim Tod unseres Charakters nur ein bisschen Geld verlieren wollen. Auch ob wir online oder offline spielen wollen, legen wir bereits bei der Erstellung unserer Spielfigur fest, und das lässt sich auch im Nachhinein nicht mehr ändern. Sollten wir unterwegs ohne Netzanbindung spielen wollen, benötigen wir einen Offline-Charakter, für das Spiel mit anderen einen separaten Online-Charakter.
Zugänglichkeit mit Tücken
Diablo II Resurrected lässt uns etliche Einstellungen machen, zu den bereits genannten Grafikoptionen auch einige, die das Gameplay betreffen. Für Streamer und Streamerinnen ist die Option, mehrere Sets von Audio-Optionen zu speichern, um etwa ohne Musik zu streamen und mit Musik privat zu spielen. Audio- und Textsprache lassen sich separat zwischen dreizehn gängigen Sprachen unabhängig voneinander auswählen. Wir können die Schriftgrößen einstellen, wobei auch die größte Option leider zu klein für den Tischmodus der Switch ist, sich für größere Bildschirme oder den Handheld-Modus aber eignet. Dazu gesellen sich ein großartiger Farbenblindheitsmodus mit mehreren Optionen, Untertitel- und Steuerungsmöglichkeiten und Funktionen für die Karte. Chapeau!
Was neue Spieler und Spielerinnen abschrecken und alte Hasen mit den Augen rollen lässt, ist allerdings die Inventarverwaltung im Spiel selbst. Wir haben nur 40 Plätze, die in einfacher Tetris-Manier für unsere aufgesammelten Gegenstände herhalten müssen. Da manche Waffen ganze acht Plätze benötigen, ist das einfach heutzutage sehr wenig und wir müssen per Stadtportal häufig zurück zu einem Händler oder einer Händlerin, um abzuladen. In der Kiste der Stadt haben wir jedoch inzwischen mehr Platz und können dort auch Gegenstände mit unseren anderen Charakteren austauschen, wenn wir sie in den gemeinsamen Fächer der Kiste lagern.
Dennoch ist die Sortierung der verschiedenen Inventare, auch von Händlern und Händlerinnen, Söldnerinnen und Söldnern, und auch angelegten Dingen mühsam zu verwalten. Wir bewegen per Stick einen Mauszeiger, der die Positionierung übernimmt, was sich mühsam anfühlt und lange dauert. Auch die automatische Sortierung per Drücken des R-Sticks ist nicht immer clever genug und so müssen wir immer wieder händisch umsortieren oder unseren Gürtel neu füllen. Hier hätte ein moderneres System besser funktioniert: Diablo III allein zeigt eine zugänglichere Variante.
Frage nach der Zielgruppe
Letztlich ist die Frage, für wen dieses Spiel nun umgesetzt wurde. Blizzard hat schon seit Diablo III keinen neuen Titel aus der Reihe mehr gebracht, auch Teil IV lässt auf sich warten. Wer also neues Futter sucht, könnte hier fündig werden. Auch ist Diablo II natürlich ein berühmter Meilenstein der Videospielgeschichte, den zu erleben sich immer noch lohnt, und das umso mehr in dieser dezent verbesserten Version. Wer von damals noch Spielstände auf dem PC herumliegen hat, kann diese zwar auf die neue PC-Version übertragen, aber da das nur für Offline-Charaktere gilt, gibt es leider keine Funktion, auf der Switch eure Charaktere mitzunehmen. Somit gibt es für alle Spieler und Spielerinnen somit nur die Option, neu zu beginnen. Wer den Titel noch nie gespielt hat, sollte ihn sich zumindest einmal ansehen. Ernsthafter und düsterer als Diablo III Eternal Collection ist Diablo II Resurrected eher für Spielerinnen und Spieler, die kein Problem mit komplizierteren Fähigkeitenbäumen und prozentualen Verbesserungen von Einzelfähigkeiten haben.
Geschrieben von Arne Ruddat
Fazit:
Als Diablo II im Jahr 2000 erschien, ahnte noch niemand, dass es auch 2010 noch in den Top-Ten-Listen der PC-Spiele-Zeitschriften auftauchen würde. Dennoch war der Einschlag von diesem Titel beeindruckend. Immer neue Gegenstände finden, sich stetig verbessern, sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen und gemeinsam Monster zu verhauen macht einfach Spaß, und das auch immer noch. Ich habe das damals sehr viel gespielt, immer wieder neu angefangen und bin letztlich doch immer wieder bei meiner geliebten Bowama gelandet. Fernkampf liegt mir einfach mehr. Ich würde Diablo II Resurrected jedem und jeder empfehlen, der oder die schon lange mit dem Gedanken spielt, diesen Titel damals leider verpasst zu haben und nun eine Möglichkeit sucht, diese Lücke zu schließen. Es spielt sich auf der Switch hervorragend und hat von seinem Charme nichts eingebüßt. Bis Diablo IV kommt, ist das ein herrlicher Zeitvertreib für alle, bei denen die Lust an Diablo III Eternal Collection verebbt ist.