Mega Man: Battle Network – Legacy Collection (Vol. 1) – TEST

Capcom ist bekannt dafür, ältere Videospiele aus dem eigenen Repertoire in Sammlungen erneut zu veröffentlichen. Nachdem schon einige Titel der Mega-Man-Serie an der Reihe waren, wird das Vorhaben mit der Mega Man: Battle Network – Legacy Collection fortgeführt.


Aufgeteilt ist die Mega Man: Battle Network – Legacy Collection auf zwei Volumes. Diese können einerseits getrennt oder im Bundle im eShop erworben werden. Letzteres ist deutlich günstiger und zumindest für Fans oder Kenner der Reihe definitiv empfohlen. In der ersten Ausgabe sind die ersten drei Spiele der sechsteiligen Reihe enthalten, sprich Mega Man: Battle Network und Mega Man: Battle Network 2, die beide erstmals 2001 in Japan veröffentlicht worden sind, und Mega Man: Battle Network 3 – Blue sowie Mega Man: Battle Network 3 – White aus dem Jahr 2002. Ähnlich wie bei der Pokémon-Reihe hat sich Capcom beim dritten Teil gedacht, das Spiel in zwei Fassungen aufzuteilen. Die Unterschiede fallen aber sehr marginal aus. Es ist vollkommen egal, mit welchem der beiden Versionen ihr ins Spiel einsteigt, denn die Story bleibt identisch.

Apropos Story: In der Mega-Man-Battle-Network-Reihe schlüpfen wir durchweg in die Rolle des Fünfklässlers Netto Hikari, aus dem in der englischen Fassung des Spiels Lan Hikari gemacht wurde. Die Spielwelt, die im 21. Jahrhundert angesiedelt ist, ist inzwischen vollkommen vernetzt. Wir könnten sogar sagen, dass Capcom Vorreiter in der Definition des Smart Houses war. Jedenfalls wird die virtuelle Infrastruktur mehr und mehr mit Viren zersetzt. Mit Lan gehen wir gegen eine große Verschwörung vor.

Virtuelle Weiten

Um dies zu erreichen, verbinden wir uns an verschiedenen Stellen der Spielwelt mit dem Netzwerk und schlüpfen in diesen Momenten in den titelgebenden Mega Man. Diese Geschichte wirkt schon fast wie aus einem Anime entnommen und spricht am ehesten Fans von leichter Unterhaltung an. Dadurch, dass wir aber in jedem der sechs Spiele Lan verkörpern, können wir uns nach jedem Spiel besser mit ihm identifizieren – und auch das Gameplay flutscht von Spiel zu Spiel mehr.

Im Gegensatz zu den üblichen Abenteuern des titelgebenden blauen Bombers handelt es sich bei der Mega-Man-Battle-Network-Reihe jedoch nicht um reine Action-Titel. Stattdessen handelt es sich bei der Reihe, zumindest größtenteils, um eine Rollenspielserie. Sobald wir im virtuellen Raum unterwegs sind, erwarten uns zahlreiche Zufallskämpfe, die auf einem separaten Kampfbildschirm ablaufen. Die Kämpfe finden jedoch nicht rundenbasiert statt, sondern fallen sehr actionreich aus. In jedem Kampf bewegen sich die Akteure auf insgesamt achtzehn Feldern, von denen wir zu Beginn jedoch nur die Hälfte betreten können. So wechseln wir die Positionen ständig, um Projektilen in Echtzeit auszuweichen, uns richtig zu positionieren und Schüsse abzugeben. In regelmäßigen Abständen können wir auch Spezialfähigkeiten einsetzen, die dann richtig viel Schaden anrichten. Toll!

Herausstechendes Kampfsystem

Für so gut wie jeden erfolgreich beendeten Kampf erhalten wir Geld oder Chips. Die Chips stellen weitestgehend die Spezialfähigkeiten von Mega Man dar. Wir rüsten beziehungsweise wechseln sie im Vorfeld aus, um in den Kämpfen auf sie Zugriff zu erlangen. Da wir maximal dreißig dieser Chips gleichzeitig nutzen können, müssen wir uns gut überlegen, wie wir in den Kämpfen agieren wollen. Eine Bombe können wir zum Beispiel drei Felder nach vorne befördern, was besonders bei Gegnern in den hinteren Reihen nützlich ist. Mit einem Schwert können wir hingegen im Nahkampf attackieren, was allerdings erforderlich macht, dass sich der Gegner in der vordersten Reihe des gegnerischen Kampffeldes befindet oder wir unsere Bewegungsreichweite zunächst erhöhen müssen.

Da wir pro aufgeladener Leiste nur eine bestimmte Anzahl an Chips verwenden oder sogar miteinander kombinieren können, ist auch hier taktisches Überlegen angesagt. Das Kampfsystem der drei Mega-Man-Battle-Network-Spiele macht sehr viel Spaß und kann über lange Zeit begeistern. Es ist nur schade, dass im Verlauf der Reihe, vor allem zu Beginn, nur wenige Veränderungen im Kampfsystem Einzug halten. Das heißt, dass wir bei jedem weiteren Spiel nur mehr vom Gleichen sehen. Eigentlich erleben wir lediglich im Rahmen der Story regelmäßig Neues oder besser gesagt Anderes.

Chip, Chip, Chip und Geld

Mit erbeutetem Geld können wir uns natürlich auch Chips kaufen, worunter auch Upgrades für Mega Man gehören. Beispielsweise können wir mit Power-ups die Stärke seiner Standardwaffe erhöhen. Wenn wir statt einem direkt zwei Schadenspunkte anrichten, halbiert das schon mal gut die Zeit, die für einen Kampf gebraucht wird. Wenn wir taktisch gut agieren, fallen die Spiele auch nicht sonderlich schwierig aus. Zwar setzen die Gegner auf unterschiedliche Angriffsmuster, doch die sind schnell durchschaut. Manche Feinde markieren das Zielfeld ihres Angriffs, andere Gegner bewegen sich erst hin und her, bevor sie attackieren. Angriffe sind die ganze Zeit sichtbar, weswegen wir ihnen in den meisten Fällen auch rechtzeitig ausweichen können.

Lediglich Bossgegner setzen hier und da auf richtige Spezialmanöver, für die ein wenig mehr Geschick vonnöten ist. Zum Glück können wir in jedem Spiel jederzeit speichern, weshalb Frust größtenteils vermieden werden kann. Automatisch angelegte Spielstände gibt es nicht. Ein Game Over bedeutet also tatsächlich das Laden eines manuell angelegten Spielstandes. Da es kurioserweise wie in früheren Mega-Man-Kollektionen keinerlei Rückspulfunktionen gibt, gehört regelmäßiges Speichern vor allem in den schlauchartigen Dungeons, die an Shin Megami Tensei oder Etrian Odyssey erinnern, zum Pflichtprogramm.

Informationsvielfalt und Nonsens

Wem das Spiel dennoch zu schwierig sein sollte, kann jederzeit im Menü den so genannten Buster MAX Mode aktivieren und bei Bedarf wieder deaktivieren. Ist der Modus aktiv, macht jeder Schuss den maximalen Schaden, wodurch die Kämpfe aber zur Lachnummer verkommen. Wir empfehlen daher klar, sich auf das Kampfsystem von Mega Man: Battle Network einzulassen. Es bietet genügend Tiefgang und Spielraum zum Experimentieren, der im Rahmen des aktivierten Modus vollkommen abhanden geht.

Da es ich bei den Spielen dieser Kollektion, wie bereits angedeutet, um Rollenspiele handelt, müsst ihr euch auf zahlreiche Textfenster einlassen. In den meisten Fällen sind die Dialoge mit wichtigen Informationen vollgestopft, die entweder für das Gameplay von Belang sind, oder die Story vorantreiben. Es gibt aber auch, da es sich beim Großteil der Protagonisten um Gründschüler handelt, auch genügend Nonsens. Dieser hilft aber zumindest, ein besseres Verständnis von den Charakteren zu erlangen. Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die drei respektive vier Spiele nur auf Englisch, Japanisch, Chinesisch oder vereinfachtem Chinesisch spielbar sind. Eine deutsche Lokalisation hat sich Capcom im Nachhinein bedauerlicherweise gespart. Mit mittelmäßigem bis akzeptablem Schulenglisch lässt sich der Handlung unserer Meinung nach aber gut folgen.

Umfangreiches Rollenspielpaket

Grafisch können die Spiele der Mega-Man-Battle-Network-Reihe zumindest im Kontext des Veröffentlichungszeitraums der frühen 2000er-Jahre punkten. Die Charaktermodelle und die Umgebungen dürften vor allem bei Nostalgikern Anklang finden. Wer wenig auf Pixel steht, kann jedoch auch einen Filter aktivieren, der einen Großteil der Bildpunkte glättet. In unseren Augen wirkt die Spielwelt dann aber etwas schwammig, was aber womöglich Geschmackssache sein dürfte. Darüber hinaus können wir das Bild auch in vier verschiedenen Größen anpassen. Der Retro-Soundtrack reißt zwar keine Bäume aus und wird auf Dauer auch etwas dröge, passt aber trotz allem zum Geschehen. Wer das Spiel also einfach mal zwischendurch einwirft, wird die Eintönigkeit wohl erst später oder vielleicht nie bemerken. Die insgesamt 87 Stücke des Soundtracks lassen sich im Übrigen über das Hauptmenü in einer Jukebox jederzeit anhören.

Fans dürften sich aber wohl am meisten über die Kunstgalerie freuen, die mit über fünfhundert Artworks und Konzeptzeichnungen gefüllt ist. Wer ganz viel Zeit in die drei beziehungsweise vier Spiele stecken möchte, kann zu guter Letzt auch noch 56 Achievements sammeln. Für das Freischalten einer Trophäe ist beispielsweise der erstmalige Einsatz eines Downloadchips notwendig. So oder so bietet die Mega Man: Battle Network – Legacy Collection (Vol. 1) einen großen Umfang, der trotz kleiner Defizite lange an die Switch fesselt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Da ich erst in der zweiten Hälfte des Lebenszyklus des Game Boy Advance einen Handheld ergattern konnte und ich die Spiele auf der Virtual Console der Wii U schlicht verpasst habe, bin ich sehr froh darüber, dass Capcom an eine Mega Man: Battle Network – Legacy Collection gedacht hat. Die drei Spiele der ersten Volume erzählen zwar nur eine zweckmäßige Handlung, können aber durchaus mit ihrem Gameplay überzeugen. Mir gefällt vor allem das Kampfsystem, das in dieser Form einzigartig ist und noch dazu jede Menge Spielraum zum Taktieren lässt. Allerdings ist es schade, dass sich die Reihe gerade in diesem Aspekt nicht wirklich weiterentwickelt und vor allem bei den ersten Spielen, die immerhin innerhalb von fast zwei Jahren in Japan auf den Markt kamen, gibt es diesbezüglich wenig Neues zu entdecken. Trotzdem mag ich die Spielwelt und die Charaktere, weshalb ich die Sammlung Rollenspielfans unbedingt ans Herz legen möchte. Gerade jenen, denen die Mega-Man-Spiele zu hart sind, können mit der Mega Man: Battle Network – Legacy Collection (Vol. 1) in das Universum einsteigen, das ihnen sonst aufgrund ihrer Skills verwehrt bleibt.