The Legend of Heroes: Trails through Daybreak – TEST

Am 5. Juli erschien mit The Legend of Heroes: Trails through Daybreak der elfte Teil von Nihon Falcoms langlebiger Rollenspielreihe dank Publisher NIS America in Europa und den USA. Eigentlich bereits im September 2021 in Japan veröffentlicht, markiert das Spiel den Beginn eines neuen Handlungsbogens, der nun mit einem neuen Schauplatz und einem neuen Protagonisten auch neue Spieler zu Abenteuern auf dem Fantasy-Kontinent Zemuria einladen soll.


Vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 7. Juli 2023 erschien The Legend of Heroes: Trails into Reverie in westlichen Gefilden. Das Spiel war der Epilog und das Ende einer langen Fantasy-Geschichte, die im Jahr 2004 mit The Legend of Heroes: Trails in the Sky begann und sich nun mit in Japan bisher erschienenen zwölf Teilen zur umfangreichsten und ambitioniertesten japanischen Rollenspielserie gemausert hat. Die schiere Menge an Spielen, welche das Epos nun umfasst, ist auch mit Sicherheit einer der Gründe, warum neue Spieler die Serie als unzugänglich wahrnehmen. Immerhin reden wir hier von mittlerweile elf sehr langen japanischen Rollenspielen mit einer Spielzeit von jeweils um die 60 Stunden und mehr. The Legend of Heroes: Trails through Daybreak schickt sich nun an, dies zu ändern, bietet das Spiel doch als Start eines neuen Handlungsbogens mit einem neuen Handlungsort und einem neuen Protagonisten den perfekten Einstieg und hat dabei auch gleich einige spielerische Neuerungen im Gepäck, die auch für Serien-Veteranen interessant sein dürften.

Wer zudem mehr über die Trails-Reihe, ihre Anfänge, die chronologische Reihenfolge der einzelnen Spiele und die bisherigen Handlungsbögen erfahren möchte, dem sei das NMag-Special „Die Trails-Serie: Ein Überblick über die ambitionierteste japanische Rollenspiel-Reihe“ ans Herz gelegt.

Ein Spriggan für alle Fälle

The Legend of Heroes: Trails through Daybreak spielt in der Republik Calvard, die in den bisherigen Spielen der Reihe zwar immer wieder erwähnt wurde, aber bisher nie ein Handlungsort war. Calvard ist das flächenmäßig größte Land Zemurias und ist ein Schmelztiegel der verschiedensten Kulturen des Kontinents. Wir schreiben das Jahr 1208 im Septian Kalender Zemurias, und Calvard erfreut sich einem blühenden Nachkriegs-Wirtschaftswachstum. Dank Reparationszahlungen aus dem Imperium von Erebonia blüht die Republik in nie gekanntem Ausmaße auf, und doch drohen aufgrund Immigration und Regierungsreformen soziale Unruhen. Edith, die Hauptstadt des Landes, ist sehr offenkundig an Paris angelehnt, und ist wie sein Vorbild in der realen Welt ein Hotspot von Kultur und Mode. Hier beginnt unsere Geschichte.

Der Protagonist des Spiels ist Van Arkride, ein so genannter “Spriggan”, eine Mischung aus Privatdetektiv und Kopfgeldjäger, der sich um solche Jobs kümmert, die sich oftmals im legalen und moralischen Graubereich bewegen und damit jenseits der Möglichkeiten von Polizei und der für Recht und Ordnung sorgenden Bracer-Gilde liegen. Nicht umsonst lautet das Motto seines Büros Arkride Solutions „Complicated Matters Only“. Eines Tages klopft eine junge Frau an seine Tür, welche die Schuluniform der prestigeträchtigen Aramis Akademie trägt und seine Hilfe benötigt. Agnès Claudel ist ihr Name, und sie ist auf der Suche nach einem gestohlenen Artefakt, das einst ihrem Urgroßvater gehörte.

Somit beginnt eine fesselnde Geschichte, die serientypisch mit einem starken Worldbuilding aufwartet, diesmal aber deutlich düsterer daher kommt als die der Vorgänger. Unterwegs treffen wir dabei auf eine ganze Reihe von schillernden, interessanten und sympathischen Charakteren wie beispielsweise das Mädchen Feri Al-Fayed, die von ihrem Clan ins Exil geschickt wurde und Van und die anderen langsam als ihre neue Familie ansieht, der Playboy-Gangster Aaron Wei, der in seiner Freizeit Frauenrollen im Theater spielt oder die Filmschauspielerin Judith Lanster, die ein Doppelleben führt, dies aber aufgrund ihrer unbeholfenen Art nur schwer verstecken kann. Die neuen Charaktere sind uns auf jeden Fall allesamt sehr schnell ans Herz gewachsen und sorgen dafür, dass die Welt von The Legend of Heroes: Trails through Daybreak gewohnt lebendig herüberkommt. Hinzu kommen auch eine ganze Reihe von Gastauftritten von Charakteren älterer Teile, die besonders Serien-Veteranen ein Grinsen auf das Gesicht zaubern dürften, aber so in der Geschichte verwoben sind, dass sie den neuen Charakteren nicht die Show stehlen und Neulinge nicht außen vor lassen.

Eine fesselnde Geschichte mit Freizeitaktivitäten und zwielichtigen Jobs

Unterteilt ist das Spiel in insgesamt sechs Kapitel, wobei jedes Kapitel wiederum in mehrere Tage aufgeteilt ist. Während uns die Hauptstory immer wieder in andere Gegenden von Calvard führt, und uns Rollenspiel-typisch Dungeons erforschen und Monster bekämpfen lässt, beginnt und endet ein Tag bei Arkride Solutions grundsätzlich mit Freizeit, in der wir 4SPG genannte Side-Quests absolvieren und uns mit einzelnen Charakteren privat treffen können, um unsere soziale Bindung mit ihnen zu erhöhen. Solche speziellen Charakter-Interaktionen gab es schon in der Trails-of-Cold-Steel-Reihe und sind den Social Links von Persona nicht unähnlich.

Neu ist das so genannte L.G.C. Alignment. Da Spriggans oftmals Aufträge übernehmen, welche sich im Graubereich befinden und sich immer wieder mit zwielichtigen Typen einlassen, hat das Spiel ein System, welches dies beeinflusst. Mit Entscheidungen innerhalb von 4SPGs beeinflussen wir dabei, in welche Richtung sich diese Skala entwickelt. In einer Nebenaufgabe beschäftigen wir uns beispielsweise mit einem Fahrraddieb. Haben wir ihn geschnappt, erfahren wir, aus welchem Grund er das Fahrrad gestohlen hat. Bleiben wir hart, überstellen wir den Dieb der Polizei und bekommen so einige Punkte auf der „Law“-Skala gutgeschrieben. Verdonnern wir den reumütigen Dieb aber stattdessen zu gemeinnütziger Arbeit, erhalten wir Punkte auf der „Grey“-Skala. In einem anderen Quest entlarven wir den Stalker einer jungen Frau und können diesen ebenfalls für Punkte auf der „Law“-Skala an die Gesetzeshüter überführen, oder ihn mit gesammelten Beweisen gegen ihn erpressen, damit er von der armen Frau ablässt, was uns aber Punkte auf der „Chaos“-Skala einbringt. Wie sich diese Alignment-Skala im Laufe des Spiels entwickelt, hat sowohl Auswirkungen auf einige von Vans Status-Werten, als auch auf seine Beziehungen zu diversen Verbündeten und Gegnern, was sich ungefähr ab der Hälfte der Geschichte bemerkbar macht.

Shards oder nicht Shards, das ist hier die Frage


Die größte spielerische Neuerung von The Legend of Heroes: Trails through Daybreak ist sicherlich das Kampfsystem. Zusätzlich zum gewohnten, rundenbasierten Kampfsystem ist es diesmal nämlich auch möglich, die Gegner direkt in bester Action-Manier zu verkloppen. Die auf der Karte immer sichtbaren Monster können somit direkt mit der Waffe des gerade gesteuerten Charakters mit Druck auf die A-Taste angegriffen werden, mit der B-Taste weichen wir den Angriffen aus. Mit einem Druck auf die Y-Taste aktivieren wir dann das als „Shards“ bezeichnete Rundenkampfsystem und können den Monstern nun in gewohnt rundenbasierter Manier einheizen. Auch hier gibt es einige Neuerungen. So können wir die Charaktere frei in einem bestimmten Radius bewegen, wobei nah zusammenstehende Charaktere einen Bonus-Angriff bekommen. Das besondere daran ist, dass wir, wenn wir die B-Taste gedrückt halten, wieder in das Action-Kampfsystem umschalten können.

Dies erlaubt einige sehr dynamische Kämpfe, denn es ist durchaus sinnvoll immer wieder zwischen beiden Systemen hin- und her zu wechseln. Schaffen wir es nämlich, einen Gegner im Action-Kampf durch das Füllen des so genannten Stun-Meters bewusstlos zu hauen, und dann in das rundenbasierte „Shards“-System zu wechseln, starten wir dieses mit einem Vorteil und alle Gegner in der Gruppe erleiden zu Beginn sofort massiven Schaden und können erst einmal nicht agieren. Auf der anderen Seite werden wir aber, wenn wir im Action-Kampf zu viel Schaden erleiden, mit einem Malus in das „Shards“-System katapultiert. Hier ist also auch Vorsicht angesagt. Insgesamt hat uns dieses zweigleisige Kampfsystem viel Spaß bereitet und die Tatsache, dass es uns dazu anleitet, auch immer wieder zwischen beiden Systemen zu wechseln, sorgt für ein dynamisches Kampfgeschehen. Einziger Wermutstropfen ist, dass der Action-Part für sich allein gestellt sehr rudimentär daher kommt, und außer zwei Angriffsarten und einem Move zum Ausweichen nicht viel bietet. An das dynamische Action-Kampfsystem von Falcoms hauseigener Ys-Serie reicht es dabei leider nicht heran, und entfaltet erst im Zusammenspiel mit dem „Shards“-System seine eigene Dynamik. Kämpfe gegen Bossgegner laufen dabei grundsätzlich rundenbasiert ab, in manchen Gefechten kann sich Van auch in eine Kreatur namens Grendel verwandeln, welche anders kämpft und deren Natur eng mit der Geschichte verwoben ist, weshalb hier aus Spoiler-Gründen auch nicht näher darauf eingegangen werden soll.

Neue Engine mit technischen Abstrichen auf der Switch

The Legend of Heroes: Trails through Daybreak läuft auf einer neuen Engine und ist damit grafisch der bisher schönste Teil der Reihe. Besonders die detaillierten Charaktermodelle stechen dabei hervor. Leider müssen auf der Switch dabei im Gegensatz zu den „großen“ Konsolen PlayStation 4 und PlayStation 5 sowie dem PC einige Abstriche gemacht werden. So fehlen leider in der Switch-Version einige grafische Spielereien wie beispielsweise der in den anderen Versionen des Spiels flauschige Fellkragen von Vans Jacke. Auch die Beleuchtung der Umgebung fällt auf der Switch insgesamt etwas unspektakulärer und matter aus. Zudem wurde in einigen Außenarealen deutlich die Vegetation reduziert, um ein flüssigeres Spielerlebnis zu ermöglichen. Sonst läuft das Spiel aber auch im Handheld-Modus erstaunlich flüssig und stabil, allerdings ist der Text im Handheld-Modus gerade in den Kämpfen oftmals zu klein, so dass wir die Bedeutung von Buffs und Debuffs manchmal nur erraten können. Hier wird hoffentlich noch mit einem Patch nachgebessert.

Falcom-typisch bietet The Legend of Heroes: Trails through Daybreak einen fantastischen Soundtrack. Von der ruhigen Melodie beim Streifzug durch die Straßen der Hauptstadt Edith bis zu aufpeitschenden Musikstücken in den Kämpfen, die sich auch der momentanen Situation anpassen, schöpfen Falcoms Komponisten mal wieder aus den Vollen und geben uns wieder ordentlich was auf die Ohren.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

 

Die Trails-Serie ist für mich so etwas wie Rollenspiel-Comford-Food. Sobald ich in die detaillierte und lebendige Welt von Zemuria eintauche, welche die Serie seit nunmehr zwanzig Jahren immer weiter entwickelt, fühle ich mich sofort wie zu Hause. Genauso ist es nun auch bei The Legend of Heroes: Trails through Daybreak. Im Gegensatz zu den letzten in unseren Gefilden veröffentlichten Titeln ist aber Trails through Daybreak aufgrund des neuen Handlungsortes und dem Beginn eines neuen Handlungsbogens sofort wesentlich einsteigerfreundlicher. Van Arkride ist ein für die Serie erfrischend anderer Protagonist und gleich sympathisch. Auch die im Gegensatz zu früheren Teilen deutlich düstere Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen, was vor allem daran liegt, dass das Spiel relativ schnell erzählerisch in die Gänge kommt. Dies sorgte dafür, dass ich direkt wieder in die Welt eintauchen und wieder viele Stunden in ihr verbringen konnte. Auch das neue Kampfsystem macht viel Spaß. Zwar ist das Action-Kampfsystem für sich allein gestellt recht rudimentär und reicht bei weitem nicht an andere Titel wie Falcoms hauseigene Ys-Serie heran, aber gerade die dynamische Verbindung mit dem klassischen rundenbasierten Kampfsystem sorgt für viele interessante Kämpfe. Zwar brauchte es tatsächlich mehrere Dungeons, bis es bei mir im Kopf „Klick“ gemacht hat und ich das Zusammenspiel beider Systeme verstanden hatte, aber ab dann hat es mir richtig viel Spaß gemacht. Dank der neuen Engine sieht das Spiel zudem auch noch vor allem auf die Charaktermodelle bezogen richtig gut aus, auch wenn wir auf der Switch mit einigen Abstrichen leben müssen. Gerade die Ausleuchtung der Umgebung sieht auf Nintendos doch nun recht betagter Hybrid-Konsole recht matt und unspektakulär aus, gerade wenn man das Spiel mit den Versionen auf den „großen“ Konsolen und dem PC vergleicht. Auch der manchmal etwas kleine Text im Handheld-Modus kann mitunter für angestrengte Augen sorgen. Ich könnte noch viel mehr schreiben, sei es über die sympathischen, vielschichtigen Charaktere, die tolle und fesselnde Geschichte oder die einzelnen Spielsysteme, aber dies würde dann doch den Rahmen sprengen. Ich kann allen Rollenspiel-Fans The Legend of Heroes: Trails through Daybreak wärmstens ans Herz legen. Gerade die Tatsache, dass hier eine völlig neue Geschichte ihren Anfang nimmt sollte auch solche überzeugen, die bisher aufgrund des Umfangs der Serie eher abgeschreckt waren. Also, macht Euch auf eine Reise nach Zemuria, es gab seit dem allerersten Trails in the Sky keinen besseren Zeitpunkt, in die Serie einzusteigen. Und wenn Ihr immer noch nicht sicher seid, im Nintendo eShop gibt es eine kostenlose, sehr umfangreiche Demo-Version, die den kompletten Prolog beinhaltet, der circa fünf bis sechs Stunden lang ist. Zudem könnt Ihr Euren Speicherstand aus der Demo in das richtige Spiel übernehmen.