
Xenoblade Chronicles X: Definitive Edition – TEST
Nach Jahren des Wartens bekommt Xenoblade Chronicles X endlich eine zweite Chance auf dem Massenmarkt. Die Definitive Edition auf Nintendo Switch verspricht technische Verbesserungen und möchte einige Schwächen des Originals angehen. Ob die Reise auf dem fremden Planeten Mira heute genauso fesseln kann wie damals – oder vielleicht sogar noch besser – klären wir in unserem NMag-Test.
Ursprünglich auf der Wii U in Japan am 19. April 2015 und in Europa und Nordamerika am 04. Dezember 2015 erschienen, bringt die Definitive Edition seit dem 20. März 2025 nun das komplett überarbeitete Xenoblade Chronicles X auf die Switch. Anders als die mit Nummern versehenen Titel der Spielreihe deutet das X auf etwas anderes hin: Das zentrale Motiv ist nämlich Exploration, Erforschung – statt dramatisch-epischer Geschichte. Diese gibt es in Ansätzen auch, sie steht aber nicht im Fokus. Wer des Japanischen mächtig ist, kann der Geschichte jetzt neben Englisch auch in Japanisch folgen, bis zum neuen Level-Cap. Statt des an World of Warcraft erinnernden Wertes sechzig ist hier das Maximallevel unserer Helden und Heldinnen mit neunundneunzig um einiges höher. Doch damit fangen wir das Spiel natürlich nicht an.
Ein fremder Planet, ein zweiter Versuch
Wir wachen in einer Rettungskapsel auf. Blade-Soldatin Elma steht vor uns, in hübschem Kampfanzug und regnerischer Umgebung. Sie stellt sich vor, erklärt in wenigen Worten, dass wir überlebt haben – aber nicht mehr auf der Erde sind. Die wurde zerstört, die Menschheit ist geflüchtet, unsere Arche war der Weiße Wal, ein riesiges Raumschiff. Jetzt sind wir auf Mira und unser Neuanfang beginnt mitten im Dschungel, denn wir haben alles vergessen. Die ersten Schritte erinnern uns an das, was wir von damals wissen: Dass wir vieles allein herausfinden werden und dass wir noch wissen, wie wir mit einer Waffe umgehen müssen. Wir lernen nicht nur am Anfang sehr viel neu – dieses Gefühl prägt den gesamten Spielverlauf.
Wir stoßen bald auf New Los Angeles, die neue Koloniestadt der Menschheit, die einst die Wohneinheit des Raumschiffs war. Von hier aus arbeitet BLADE, eine Organisation, die Überlebende sucht, Ressourcen sichert und Mira kartografiert. Unsere Spielfigur – meist stumm, aber immerhin selbst konfigurierbar – wird Teil dieser Gemeinschaft. Die Geschichte ist dabei nicht Hauptsache, sondern Rahmen. Je länger wir auf Mira unterwegs sind, desto mehr merken wir, dass das Spiel gar nicht viel erzählen will, sondern uns erleben lässt. Der Plot bringt anfangs genug neue Reize und Themen mit, um uns die Welt besser zu erklären. Dennoch bleibt er stellenweise vage, gerade gegen Ende, aber das stört kaum. Weil Mira selbst die Geschichte ist.
Mira als Hauptfigur
Fünf Kontinente mit Höhlen und Höhen, aber keine Ladebildschirme. Dafür ein ständiger Eindruck von Größe, Tiefe und Überraschung: Mira ist keine Welt, die wir abarbeiten, sondern eine, die wir durchwandern. Anfangs noch zu Fuß, später mit riesigen Skells – und am Ende damit sogar fliegend. Doch schon früh wird klar: Jeder Ausblick kann zu einem Ziel werden. Wir sehen Pilzberge in der Ferne und erreichen sie nach einem teils beschwerlichen Umweg. Wir stehen am Ufer und fragen uns, ob wir da drüben hin können – ja, wir können. Diese Offenheit fühlte sich 2015, noch vor The Legend of Zelda: Breath of the Wild, wahrlich besonders an und ist auch 2025 noch ein echter Schatz.
Und dann die Atmosphäre und diese Musik. Tagsüber hören wir sphärische Sounds, nachts eine andere Melodie, oft mit sanftem Gesang oder minimalistischen Rhythmen. Orte verändern sich mit dem Soundtrack. Nach fünfzehn Stunden Spielzeit standen wir etwa zum ersten Mal in Noctilum – ein fluoreszierender, üppiger Urwald, mit Pflanzen, die sich bewegen und Lebewesen, die uns stufenweise weit voraus sind. Dazu diese Musik, die uns immersiv umgibt – in wunderbarem Surround-Sound übrigens. Mira ist fremd, aber nie befremdlich. Alles ist eine Einladung, diese Welt komplett zu erkunden.
Komfort und Kontrolle
Das Interface auf der Wii U war mitunter umständlich. Eine Karte auf dem GamePad, Menüs auf dem Hauptbildschirm, ein ständiger Wechsel. Hier finden wir alles auf einem Bildschirm. Die Karte ist schnell über ein Menü aufrufbar, die Missionen schnell wechselbar, Tag-Nacht-Wechsel und intuitive Schnellreise lassen sich ohne große Umschweife erledigen. Auch unser Team können wir nun überall ändern und Begleitungen austauschen – früher mussten wir dafür zurück nach NLA. Das spart Wege und sorgt für mehr Spielfluss. Doch auch wenn wir zwischendurch nach NLA wollen, um etwa neue Waffen zu kaufen, geht das dank kurzer Ladezeiten leicht von der Hand.
Viele weitere kleine Änderungen wirken sich stark aus. Anleitungen sind jederzeit einsehbar, Texte größer und erheblich besser lesbar. Der Follow-Ball, den wir im Laufe der Story bekommen, zeigt uns jetzt sogar die Richtung bei Sammelquests und zieht einen Schweif hinter sich her – das nimmt dem Spiel nichts von seinem Entdeckergeist, verhindert aber viele nervige Suchereien. Besonders wichtig: Auch wenn vieles modernisiert wurde, fühlt sich das Spiel nicht anders an. Es ist immer noch Xenoblade Chronicles X – nur erheblich bequemer.
Skells, Fliegen und Verantwortung
Die Mechs, die hier Skells genannt werden, sind nicht nur mächtige Geh-Roboter-Anzüge und Fahrzeuge, sondern Spielwandel. Ab dem Moment, in dem wir die Lizenz dazu machen, verändert sich unsere Wahrnehmung der Welt. Wir fahren schneller, springen höher, greifen härter an. Aber wir sind auch angreifbarer – manche Gegner, die uns zu Fuß ignorierten, stürzen sich auf uns, sobald wir im Skell unterwegs sind. Dadurch ändert sich das Spiel nach dutzenden Stunden Spielzeit abermals merklich.
Und dann kommt das Flugmodul. Nach unzähligen Stunden auf dem Boden können wir plötzlich fliegen. Nicht gescriptet, nicht in bestimmten Arealen – einfach überall – ganz wie der Wechsel von The Legend of Zelda: Breath of the Wild zu Tears of the Kingdom. Das Gefühl, über Mira zu fliegen, ist kaum anders zu beschreiben: Es ist Freiheit. Natürlich müssen wir unsere Skells pflegen, sie reparieren, ausbauen, verbessern, bemalen, wenn wir denn wollen – aber genau das gibt ihnen Gewicht. Sie sind nicht beliebig, sondern wertvoll, und sie fühlen sich gut an, denn sie verleihen uns große Macht. Neu ist auch, dass man nun im Skell springen kann, ohne den Flugmodus zu aktivieren – ein kleines, aber sehr willkommenes Komfort-Update.
Missionen, Nebenquests und Blade
Das Spiel verlangt uns einiges ab. Wir können nicht einfach durch die Hauptstory eilen, denn die ist an Fortschritte auf der Karte und an absolvierte Nebenquests geknüpft. Haupt-Missionen haben Level-Empfehlungen, die wir beachten sollten, wenn wir nicht vorschnell zu Kleinholz werden wollen. Das führt manchmal zu Lücken, aber nie zu Leerlauf. Denn fast jede Erkundung bringt uns zu einem neuen Ort, einem neuen Gegner, einer neuen Mini-Geschichte. Selbst die Sammelquests wirken durch den Follow-Ball harmlos und bieten uns gute Gründe, die Welt weiterzuerkunden.
Blade als Organisation ist mehr als ein Questverteiler. Während wir früher nicht nur unsere Figur, sondern auch unsere Blade-Ränge gelevelt haben, hat sich in der Definitive Edition etwas getan. Es gibt keine Beschränkung mehr auf eine Ausrichtung, das alte Field-Skills-(Botanik/Mechanik/Sondierung)-Leveling wurde komplett gestrichen – alle Proben und Sondierungen laufen jetzt ohne zusätzliche Sperren. Kämpfen, Forschen, Scouten schränken uns nicht mehr ein, sondern bieten uns volle Freiheit, zu tun und zu lassen, was wir wollen. Nur die Boni sind unterschiedlich, je nachdem, welcher Blade-Division wir uns anschließen – wir können aber auch einfach frei wechseln. Diese Systeme sind nun viel zugänglicher, verlieren aber nichts von ihrer Tiefe. Chapeau, Monolith Soft! Wer will, kann Stunden in der Optimierung verbringen und für jeden Bonus wechseln – muss es aber nicht.
Kampfsystem und Klassenvielfalt
Xenoblade Chronicles X ist kein klassisches JRPG – auch wegen seiner Kämpfe. Wir bewegen uns frei, unsere Figur greift automatisch an, wir lösen Spezialfähigkeiten per Button aus. Dazu kommen Kombinationen wie Schwanken und Umwerfen, Positionsangriffe und Soul-Voices – kleine Zurufe der Teammitglieder, die wir kontern können, um zusätzliche Effekte auszulösen und Synergien zu nutzen. Das ist zehn Jahre später immer noch clever, auch wenn es sich weniger direkt anfühlt als moderne Action-RPGs.
Die neue Quick-Cooldown-Leiste erlaubt uns, Fähigkeiten im Kampf sofort wieder einsatzbereit zu machen, wenn wir die Ressource dafür genügend durch Kämpfen aufgeladen haben. Das erhöht das Tempo, macht aber auch manche Kämpfe leichter. Ein kleines Ausrufezeichen über der betreffenden Art zeigt jetzt an, wann ihr sie besonders effektiv einsetzen solltet. Diese Mechanik ist eine von sehr vielen Systemen und Mechaniken im Spiel, die sich nahtlos einfügen. Wer puristischer spielen will, kann sie ignorieren, doch sie passt ins Spiel. Auch die Klassenvielfalt bleibt riesig: Wir können fast alles lernen und kombinieren, unendlich optimieren. Dadurch entsteht viel Spielraum für Experimente – und für Lieblings-Builds. Unsere Begleiter und Begleiterinnen haben hingegen feste Rollen, von denen wir uns inspirieren lassen können.
New Los Angeles und seine Menschen
NLA ist nicht nur Basis, ehemalige Wohneinheit und stadtgroß und -ähnlich, sondern auch Ort für viele Begegnungen. Elma – die kühle, starke Soldatin, die uns als erste begrüßt, und Lin, die Mechanikerin, die Kochen liebt und viel mehr Tiefe hat, als man ihr anfangs zutraut, sind nur einige wenige der Figuren, aber die ersten, die wir lieb gewinnen. Dazu kommt Tatsu, der kleine Nopon mit der ständigen Angst, im Eintopf zu landen – Geschmacksache, aber als Kontrast wichtig. Unser Team setzt sich aus maximal vier Leuten zusammen, Tatsu mal außen vor, aber wir können im Laufe des Spiels aus über 20 Figuren wählen. Die größte und wichtigste Neuerung hier ist, dass alle mitleveln, gleich ob sie mit uns unterwegs sind oder in NLA währenddessen verweilen. Das spart uns dutzende Stunden an Grinding und gibt uns so mehr Möglichkeiten, Neues auszuprobieren.
Viele Missionen bekommen wir von Figuren, die wir in der Spielwelt treffen. Sie erzählen von einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern, von Alltagsproblemen, kleinen Dramen, Tragödien. Manche Geschichten nehmen uns mit, andere sind schnell vergessen – aber fast alle tragen zur Glaubwürdigkeit der Welt bei. Die neuen Nebencharaktere und Affinitätsmissionen der Definitive Edition fügen sich gut ein. Unser eigener Charakter bleibt stumm – das stört manchmal, gerade in Zwischensequenzen. Einzig ein Wahlschalter mit zwei Optionen bleibt uns in den Zwischensequenzen als persönliche Note. Hier hätten wir uns eine Vertonung gewünscht, was der Welt und uns einiges an Persönlichkeit gegeben hätte.
Online, Sound und ein Epilog
Die Online-Funktionen bleiben optional, aber charmant. Wir gehören automatisch einer Gruppe an, können gemeinsam Ziele verfolgen, einen Avatar verleihen oder Weltbosse bekämpfen. Alles asynchron – aber nett. Der Multiplayer bleibt Nebensache, aber eine willkommene Ergänzung. Der Soundtrack ist mutig und waghalsig. Sawano liefert wieder Gesang, Rap, Elektro, Orchester: laute Beats und ruhige Momente – ein Stil, der polarisiert. In Wirklichkeit passt er perfekt zu Mira, deren fünf Kontinente mit Wetter- und Tag-Nacht-Wechseln wirklich abwechslungsreich sind.
Die technische Seite überzeugt ebenfalls: Die Performance ist deutlich besser als auf Wii U. Das Spiel läuft sauber, sieht schärfer aus, und alles lädt schnell. Sämtliche Charakterdarstellungen wurden überarbeitet und die Anatomie der Gesichter sieht erheblich natürlicher aus – selbstverständlich noch immer im Manga-Stil. Kohärent dazu sind die Haare komplett neu modelliert und nun eine wahre Augenweide. Xenoblade Chronicles X Definitive Edition ist zwar keine Neuentwicklung, aber ein gründlich überarbeitetes Spiel. So sollte ein Remaster aussehen und somit ein gutes Spiel mit einigen nervigen Mängeln in ein hervorragendes Spiel verwandeln, das inzwischen einem weit größeren Publikum zur Verfügung steht.
Fazit:
Ich hatte damals nicht mitbekommen, wie besonders dieses Spiel ist. Wie es sich anfühlt, wenn ein Planet nicht einfach Open World ist, sondern ein eigener Charakter. Wie motivierend es ist, nicht alles sofort serviert zu bekommen, sondern mir meinen Weg zu erarbeiten – Schritt für Schritt, Sprung für Sprung, später Flug für Flug. Für mich fühlt es sich wie ein MMORPG an, ohne die vielen anderen Leute. Nach zwanzig, dreißig, vierzig Stunden werden mir immer noch neue Mechaniken gezeigt und damit vollkommen neue Möglichkeiten. Xenoblade Chronicles X: Definitive Edition ist kein neues Spiel, aber ein besseres als früher und somit ein ausgesprochen gelungenes. Und auf der Switch endlich so komfortabel, wie es sein sollte. Wer sich auf Mira einlässt, bekommt keine klassische Heldenreise, sondern eine Welt, die zum Spielen einlädt. Ich bleibe hier definitiv länger, denn ein Spiel wie dieses gibt es nur einmal, und ich habe einige Ecken von Mira noch nicht genug erkundet.