Romancing SaGa 2 – TEST

Im Dezember 1993 veröffentlichte Square das Rollenspiel Romancing SaGa 2 in Japan für das Super Nintendo. Außerhalb Japans erschien der Klassiker erstmals 2016 für Android und iOS, Ende 2017 wurden endlich auch Plattformen wie die Nintendo Switch oder der PC bedient.


Einst retteten die sieben sagenumwobenen Helden die Welt vor dem Untergang. Seither lebt die Bevölkerung des Imperiums Varennes in Frieden. Nur kleinere Monsterhorden stellen in diesen Zeiten eine Bedrohung für die Menschheit dar, um die sich Imperator Leon höchstpersönlich mit seinem Gefolge kümmert. Die Idylle in der Hauptstadt Avalon trübt jedoch, denn schon in den ersten Spielminuten taucht einer der Heroen aus der Legende auf und tötet Victor, den Erstgeborenen des Imperators und somit den legitimen Thronfolger.

In Romancing SaGa 2 übernimmt der Spieler deshalb nicht nur die Rolle über Leon und seinem zweiten Sohn Gerard, sondern verkörpert in einer auf dutzende Spielstunden angelegten Handlung über vier Jahrhunderte hinweg mehrere Generationen dieser Erblinie, um mehr über den Sinneswandel der sieben Helden herauszufinden und dem Imperium schlussendlich erneut den Frieden zu bringen. Dafür müssen nicht nur die sieben Hauptfeinde besiegt, sondern auch das Imperium verwaltet werden. Die Währung des Spiels, Kronen genannt, muss dann auch für den Wohlstand des Reiches und nicht nur für neue Waffen und Rüstungen für die Gruppe herhalten. Hinzu kommt, dass aufgrund der Jahrhunderte umfassenden Story auch viele Charaktere auftauchen, die mal mehr und mal weniger stark beleuchtet werden. Gute Englischkenntnisse beim Kennenlernen sind Pflicht, eine deutsche Lokalisation gibt es leider nicht.

Kampfsystem für hartgesottene Masochisten

Das Kampfsystem von Romancing SaGa 2 funktioniert ähnlich wie in Final Fantasy II: Jedweder Kampf läuft rundenbasiert ab, indem am Anfang Befehle für alle Helden eingegeben werden, die unter Berücksichtigung der gegnerischen Statuswerte Zug für Zug ausgeführt werden. Erfahrungspunkte gibt es wie im Vorbild aus dem Jahr 1988 ebenfalls nicht, stattdessen werden Technikpunkte auf die Charaktere verteilt, die ihre Fähigkeiten entsprechend ihrer Anwendungen im Kampf verbessern. Wer beispielsweise Imperator Leon oft mit seinem Stahlschwert angreifen lässt, erhöht damit automatisch auch den Angriffswert im Umgang mit Schwertern.

Damit nicht genug, arbeitet das Spiel zum einen mit Trefferpunkten und zum anderen mit Lebenspunkten. Während die Trefferpunkte nach jedem Kampf automatisch wieder aufgefüllt werden, fällt die Lebenspunkteanzahl mit jedem Tod eines Charakters permanent um eins. Fällt dieser Wert auf null, verstirbt der jeweilige Held endgültig. Glücklicherweise ist es in Romancing SaGa 2 möglich, jederzeit zu speichern. Das heißt, dass ein Dungeon nicht jedes Mal von vorne abgeklappert werden muss, sollte der Lieblingscharakter endgültig verschieden sein. Masochisten werden sich an diesem System erfreuen, Anfänger eher abgeschreckt. Stumpfsinnig ist in diesem Zusammenhang, dass derlei Gameplay-Elemente an keiner Stelle im Spiel erklärt werden und komplett selbst herausgefunden werden müssen.

Nostalgischer Titel für frustresistente Rollenspieler

Unter technischen Gesichtspunkten ist Romancing SaGa 2 ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind die Umgebungen in der aufpolierten HD-Grafik wirklich hübsch gestaltet und die Charaktere, denen die 16-Bit-Herkunft noch sehr viel deutlicher anzusehen ist, wachsen einem als Spieler mit ihrem charmanten Retro-Stil rasch ans Herz. Jedoch ist das Spiel auf der anderen Seite nicht frei von ärgerlichen Mängeln. Wer sich rasch durch die Spielwelt bewegt, der wird dem Flimmern von sehr vielen Texturen bald überdrüssig werden. Auf dem Fernsehbildschirm fällt dies schlimmer aus als im Handheld-Modus der Nintendo Switch.

Ein weiteres Manko ist die Steuerung des Protagonisten, denn in fast allen Fällen wird die auszuführende Aktion einer Laufbewegung mit einer leichten Latenzzeit ans Spiel übertragen. Da sich die Gruppe wie in der Super-Nintendo-Fassung schachbrettartig und somit keinesfalls stufenlos bewegen lässt, führt dieser Umstand dazu, dass die Spielfiguren ständig eine Treppe oder eine Tür verfehlen und an anderen Objekten hängenbleiben. Zusammen mit der unübersichtlichen Menüführung, einer fehlenden digitalen Anleitung oder gar ins Spiel integrierte Tutorials, verkommt Romancing SaGa 2 bereits in den ersten Spielstunden zu einem frustrierenden Erlebnis, das sich eindeutig an Hardcore-Rollenspieler und niemand anderen richtet.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Romancing SaGa 2 sieht auf den ersten Blick wie eines dieser typischen 16-Bit-Rollenspiele für das Super Nintendo aus. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass der Titel von der ersten Minute an eine ganz andere Richtung einschlägt. Er bricht mit vielen Regeln der Epoche und hebt sich deshalb wunderbar von der Konkurrenz ab. Wer sich erstmals mit dem Rollenspiel aus dem Jahr 1993 beschäftigt, wird wohl oder übel sehr viel Zeit in den Klassiker investieren müssen. Dabei ist es egal, ob die Urfassung für das Super Nintendo, die japanische Virtual-Console-Fassung oder das Remake von Entwicklerstudio Arte Piazza in Angriff genommen wird: Romancing SaGa 2 erklärt Gameplay-Elemente im Verlauf des Spiels kaum bis gar nicht, alle Inhalte müssen vom Spieler grundlegend selbst erarbeitet werden. Wer die Zeit investieren und die technischen Macken wie die schwammige Steuerung oder die gewöhnungsbedürftige Menüführung in Kauf nehmen will, kommt in den Genuss eines wirklich faszinierenden und andersartigen Rollenspiels, das zudem mit einer tollen grafischen Oberfläche und einem wunderschönen Soundtrack aus der Feder von Komponist Kenji Itō glänzen kann. Einzig und allein Rollenspiel-Neulinge sollten zumindest vorerst Abstand vom Titel nehmen, denn diese werden durch die Unzugänglichkeit gerne dazu verleitet, frustriert die Konsole auszuschalten.