Lovecraftian: Blick auf ein Subgenre – SPECIAL

Vor fünfundachtzig Jahren starb Howard Phillips Lovecraft, doch seine Geschichten auch heute noch sehr populär. Maßgeblich hat H. P. Lovecraft mit seinen Werken das phantastische Horror-Genre beeinflusst und Romane, Kurzgeschichten, Filme, Serien, Comics und natürlich Videospiele inspiriert. Auch für Nintendo-Systeme und die Switch sind einige dieser Lovecraftian-Games erschienen.


Am 15. März 1937 und somit vor mittlerweile über fünfundachtig Jahren ist der amerikanische Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft verstorben. Geboren am 20. August 1890, beeinflusste er mit seinen Werken maßgeblich nachfolgende Autoren und kreative Personen. Noch heute gilt H. P. Lovecraft, wie er meist genannt wird, als einflussreichster Schriftsteller der phantastischen Horrorliteratur. Besonders der von ihm geschaffene Cthulhu-Mythos ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Popkultur und findet sich nicht nur in Romanen und Kurzgeschichten anderer Autoren wieder, sondern in den unterschiedlichsten künstlerischen Werken. So adaptiert Mangaka Gou Tanabe Erzählungen Lovecrafts als Manga, während Stephen Kings Sohn Joe Hill unter anderem von Lovecraft eindeutig inpirierte Comics verfasst. Das sind nur zwei Beispiele für die zahlreichen Werke, die abseits von Videospielen in den letzten Jahren erschienen sind. Doch schon weitaus früher haben sich Autoren von Lovecraft beeinflussen lassen und ihre eigenen Beiträge zu dessen Cthulhu-Mythos beigetragen. Entsprechend ist es wenig überraschend, dass auch zahlreiche Videospiele die düsteren Phantasien von H. P. Lovecraft als Basis genutzt haben.

Psychologisches Grauen

Eines der frühen Horror-Spiele für eine Nintendo-Konsole, das heute dem Lovecraftian-Subgenre zugeordnet werden würde, ist Eternal Darkness: Sanity’s Requiem. Der 2002 veröffentlichte GameCube-Titel ist in der Rahmengeschichte von Protagonistin Alexandra Roivas in Rhode Island, Lovecrafts Heimat, angesiedelt und nutzt ganz offen die Verbindung zum Cthulhu-Mythos und dem Schriftsteller selbst. Ein zentrales Gameplay-Feature von Eternal Darkness basiert eindeutig auf einem der wichtigsten Elemente von Lovecrafts Geschichten: der Wahnsinn. Genauer die Verstandsanzeige unserer Spielfiguren. Verlieren wir im Angesicht des Schreckens immer mehr den Bezug zur Realität, hat das in Eternal Darkness deutlich merkbare Einflüsse. Damit spielt das Entwicklerstudio Silicon Knights auf eben jenen wichtigen Bestandteil vieler Lovecraft-Geschichten an. Was ist Realität? Was ist nur Illusion oder Einbildung? Oft müssen sich Lovecrafts Figuren mit dem Wahnsinn auseinandersetzen, verlieren langsam ihren Verstand oder landen direkt in Traumwelten. Eternal Darkness, das leider abseits des GameCube keine Veröffentlichung spendiert bekommen hat, zeigt hervorragend, wie dieses Element in einem Videospiel umgesetzt werden kann.

Allerdings soll Eternal Darkness hier nur als Beispiel dienen, dass schon bevor der Begriff des Lovecraftian-Genres geprägt war, Spiele erschienen sind, die sich der Werke des Schriftstellers auf irgendeine Weise bedienen. Das muss nicht immer so offen sein wie in Eternal Darkness. Auch subtilere oder nur lose Inspirationen sind möglich. So sind beispielsweise in den Spielen von From Software wie Demon’s Souls, Dark Souls oder besonders Bloodbourne eindeutige Anleihen der lovecraftschen Thematiken und Ästhetiken zu erkennen. Diese finden sich entweder in der Art des düsteren Horrors, der Gruselstimmung, die erzeugt wird – oder anhand von Wesenheiten, die dem Meer entsprungen sein könnten. Der Hintergrund liegt hierbei in Lovecrafts Thalassophobie, der Angst vor tiefen Gewässern, Meeren und dem Ozean und dem was dort leben könnte. Deshalb sind auch die meisten Geschöpfe aus den Geschichten des Autors Wesen aus den Tiefen der Ozeane. Darunter etwa die Großen Alten, zu denen auch Cthulhu gehört. Dessen bekannteste Darstellung nutzt aufgrund dieser Tatsache auch zahlreiche Tentakel, die das Gesicht schmücken und Cthulhu als groteskes teilweise humanoides tintenfischähnliches Wesen erscheinen lassen. Wie populär Cthulhu und seine Darstellung ist, zeigt sich daran, dass der Namensgeber für Lovecrafts Mythos bereits in den unterschiedlichsten Werken auftreten durfte – darunter auch in der bekannten und beliebten Zeichentrickserie South Park.

Cthulhu, das Horror-Sternchen

Allgemein ist es vor allem der Cthulhu-Mythos, der heutige Lovecraftian-Games prägt. Dabei ist es nicht immer erforderlich, dass sich die Spiele wirklich an Szenarios oder Zeiten von Lovecraft halten. Stattdessen wird die Grundstimmung und -thematik genutzt um die unterschiedlichsten Settings auszuschmücken oder lediglich zu inspirieren. So erleben wir etwa in Apsulov, einem First-Person-Horror-Action-Adventure eine von der nordischen Mythologie geprägte Science-Fiction, die zumindest lose lovecraftsche Elemente wie tentakelartige Wurzeln nutzt. Als direktes Lovecraftian-Game kann Apsulov aber nur bedingt gelten. Andere Titel sind dem Subgenre schon näher. Dabei fällt auf, dass sich von Lovecraft inspirierte Spiele in zahlreichen unterschiedlichen Genres findet. Von Visual Novels wie The Innsmouth Case oder Hermitage: Strange Case Files über Rogue-likes wie We Need To Go Deeper, Souls-like-Rollenspiele wie Morbid: The Seven Acolytes bis hin zu kooperativen Brettspielumsetzungen wie Fhtagn!: Tales of the Creeping Madness oder Point-and-Click-Adventures wie Gibbous: A Cthulhu Adventure wird viel Abwechslung geboten. Dabei bleibt nicht jedes Spiel komplett der düsteren, bedrückenden Horror-Grundstimmung treu. Manche sind kurzweiliger, andere setzen auf Humor und wieder andere bieten strategische Herausforderungen. Es ist offensichtlich, dass das Lovecraftian-Subgenre einiges an Abwechslung bietet.

Bedauerlich dabei ist jedoch, dass viele Spiele nur schwer über das Mittelmaß hinauskommen. Neben einigen guten Spielen gibt es nur wenige, die aus der Masse herausragen. Das soll aber nicht bedeuten, dass es viele schlechte oder schwache Lovecraftian-Spiele gibt. Viele der Titel schaffen es in ihrem Genre und ihrer Spielmechanik zu überzeugen und dürften gerade Fans von beidem überzeugen. Aber es fällt doch auf, wie viele von Lovecraft inspirierte Videospiele heutzutage aus dem Indie-Bereich oder von kleineren Studios stammen. Große Triple-A-Produktionen finden sich dort fast gar nicht. Negativ muss das aber nicht zwingend sein. Entsprechend können sich Lovecraft- und Horror-Fans in einige atmosphärische Abenteuer stürzen. Dabei dürften das First-Person-Adventure Call of Cthulhu und das Open-World-Action-Adventure The Sinking City mit zu den größten Produktionen der letzten Jahre gehören. Beide Spiele haben gemeinsam, dass sie direkt auf Lovecrafts Schöpfungen basieren, ohne direkt auf einem der Werke des Autors zu basieren. Dafür werden wichtige Thematiken des Cthulhu-Mythos aufgegriffen. Hafenstädte in New England dienen als Handlungsorte, das Meer spielt eine zentrale Rolle und der Wahnsinn ist allgegenwärtig. Beide Titel gehen zwar in eine etwas andere Richtung, schaffen es aber trotz kleinerer Schwierigkeiten, wunderbar die nötige Grundstimmung einzufangen und auch mit Spielmechaniken und Gameplay zu überzeugen.

Lovecraftian Flut, auch auf Switch

Das sind jedoch nur zwei Beispiele für gelungene Lovecraftian-Games, die es auch für die Nintendo Switch gibt. Gibbous: A Cthlhu Adventure zeigt im Gegensatz dazu wie gut sich der Cthulhu-Mythos und Lovecrafts Geschichten für ein humorvolles Point-and-Click-Adventure eignen. Mit reichlich Witz, kniffligen Rätseln und einer amüsant-spannenden Geschichte schafft es Gibbous als perfektes Beispiel dafür zu dienen, dass Lovecraft nicht immer zwingend ernste und düstere Horror-Spiele inspirieren muss. Gerade daran zeigt sich erneut, wie breitgefächert das Lovecraftian-Subgenre letztlich sein kann. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Zielgruppen aus. Es sind nicht zwingend Fans von H. P. Lovecraft und des Cthulhu-Mythos, die bei jedem Spiel direkt angesprochen werden müssen. Oft reicht es schon, wenn Genre, Stil und Ausrichtung auf ein genau dafür geeignetes Publikum zugeschnitten sind. Doch dank der Verwendung des Lovecraftian-Subgenres dürften einige Spiele noch einmal mehr Aufmerksamkeit erregen als sie es ohne dieses würden. Ein reiner Selbstzweck ist die Inspiration durch H. P. Lovecraft aber nicht. Es fällt auf, wenn Spiele zu halbherzig mit der Vorlage umgehen. Doch wenn die Grundlage mit einem guten Gameplay gemischt wird, wissen Lovecraftian-Games gleich auf mehrere Arten zu fesseln. Es bleibt nur zu hoffen, dass die aktuelle Inflation an Spielen des Subgenres nicht zu sehr Überhand nimmt, da sonst eine Übersättigung einsetzen könnte. Das wäre weder H. P. Lovecrafts Werken gerecht, noch für Fans des Cthulhu-Mythos wünschenswert.

Geschrieben von Alexander Geisler