198X – TEST
In den späten 1980er-Jahren wurden viele Grundlagen im Videospielsektor gelegt. Noch dazu handelt es sich bei dem Jahrzehnt um eine Epoche, die audiovisuell gänzlich neue Akzente setzen konnte. 198X verbindet diese beiden Elemente mit einer sehr melancholischen Story.
198X erzählt die Geschichte eines kaum definierten Teenagers, der in den 1980er-Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika lebt. Er wächst in schwierigen Verhältnissen auf, fühlt sich als Außenseiter, hat keine Freunde und entdeckt zu allem Überdruss seine große – aber für ihn unberührbare – Liebe. Im Schulunterricht ist er nur körperlich anwesend, denn seine Gedanken kreisen um weit entfernte Themen wie Videospiele. Im Fokus der Story steht die Entdeckung einer Arcade-Spielhalle, in der sich der Teenager die Nächte um die Ohren schlägt. Immer mehr verschmelzen für ihn die Grenzen zwischen der Realität und den fiktiven Welten, in die er reist.
Obwohl sich das Szenario wie gemacht für ein spannendes Adventure anhört, entpuppt sich 198X als Minispielsammlung verschiedener Genres. Zu Beginn kämpfen wir uns beispielsweise in bester Beat-’em-up-Manier wie im Klassiker Streets of Rage von links nach rechts durch Gassen und Hinterhöfe. Wenig später nehmen wir im Cockpit eines Raumschiffs Platz und schießen wie in den Shoot ’em ups Gradius und R-Type Aliens im Weltraum ab. An anderer Stelle wiederum wünschen wir uns ans Steuer eines Sportflitzers und müssen tatsächlich exakt wie in Segas Arcade-Rennspiel OutRun in einer knapp bemessenen Zeit verschiedene Etappen absolvieren, um unser Ziel zu erreichen.
In der Kürze liegt die Würze
Ebenfalls übernehmen wir in 198X die Rolle eines Ninja, der sich seinen Dämonen stellen muss. Zu guter Letzt durchkämmen wir in der Ego-Perspektive einen Dungeon und müssen in rundenbasierten Kämpfen aufleveln, um am Ende drei Drachen besiegen zu können. Dabei verhält sich der Schwierigkeitsgrad aber recht human, denn bis auf vereinzelte Stellen sind die fünf enthaltenen Arcade-Spielchen nicht annähernd so schwierig wie ihre geistigen Vorbilder. Da keiner der fiktiven Titel mehr als zwei bis drei Levels beinhaltet, ist 198X äußerst kurz geraten. Nach gut einer Stunde Spielzeit flimmert bereits der Abspann über den Bildschirm.
Für die meisten Spieler dürfte das wohl zu wenig sein. Dem hätten die Entwickler ruhig mit freischaltbaren Levels entgegenhalten können, die nach dem Durchspielen der Story auswählbar wären. Obwohl die Hi-Bit Studios bei Weitem nicht alle Möglichkeiten nutzen, ist gerade die Verknüpfung von Story und Arcade-Gameplay zusammen mit dem beeindruckenden Artstyle und dem paralysierenden Soundtrack umwerfend. Während wir uns an einer Stelle wie in einem High-School-Drama fühlen, erinnert uns das Gesamtbild im nächsten Moment an Science-Fiction-Filme wie Blade Runner. 198X ist ein großartig erzähltes und inszeniertes Abenteuer, das trotz kurzer Spielzeit jeder Fan der titelgebenden Ära erlebt haben muss!
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Mit den 1980er-Jahren verbinde ich persönlich kultverdächtige Fernsehserien, fantastische Filmklassiker, paralysierende Synthesizer-Musik und Videospiele, die ich auch heute noch gerne anrühre. 198X verbindet all diese Aspekte in einem einzelnen, aber leider auch sehr kurzen Spiel. Hier wird eine äußerst tiefgründige Story über die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion erzählt. Verpackt in einem Jugenddrama mit fünf Arcade-Spielchen als Intermezzos lässt mich die Geschichte von 198X einfach nicht mehr los, zumal auch alle fünf an echte Vorbilder angelehnte Titel wirklich gut spielbar sind. Den fantastischen Artstyle und die wirklich tolle Musik muss ich ebenfalls loben, zumal an letzterer unter anderem auch Komponist Yūzō Koshiro mitgearbeitet hat, der schon mit der Streets-of-Rage- und Etrian-Odyssey-Reihe unsterblich geworden ist. Trotz der kurzen Spielzeit ist 198X ein fantastisches Erlebnis, das nicht nur Retro-Fans, sondern auch Liebhaber von künstlerisch wertvollen Spielen anspricht.