A.O.T. 2 – TEST

Videospiel-Adaptionen von Filmen, Serien oder Büchern haben die schwere Aufgabe, der jeweiligen Vorlage inhaltlich gerecht zu werden und gleichzeitig als Videospiel auf einer Gameplay-Ebene nicht zu versagen. A.O.T. 2 gelingt schönerweise beides.


Anders als noch im 2016 erschienenen A.O.T.: Wings of Freedom schlüpfen wir im Nachfolger nicht in die Rolle vom Manga- und Anime-Protagonisten Eren Jäger, sondern formen unsere eigene Spielfigur im Charakter-Editor. Mit dieser begleiten wir dann die bekannten Figuren auf Schritt und Tritt durch das Spiel, denn A.O.T. 2 basiert auf der ersten und zweiten Staffel der 2017 erschienenen TV-Serie, die wiederum auf der aktuell noch laufenden Manga-Reihe fußt. Kenner des ersten Spiels werden eine Menge Story-Ereignisse nachspielen, die schon im ersten Spiel behandelt wurden. Nintendo-Switch-Besitzer kommen mit A.O.T. 2 nun erstmalig in den Genuss des gesamten Pakets.

In der Fantasy-Welt aus Attack on Titan sieht sich die Menschheit von gefährlichen, unmenschlichen Titanen bedroht. Während sich die letzten Überlebenden in ein von gigantischen Wällen geschütztes Terrain zurückgezogen haben, versucht das Militär gegen die mysteriösen Titanen anzukämpfen. Zusammen mit Eren Jäger und anderen bekannten Figuren schließen wir uns der Einheit ein, um die Bedrohung in den Griff zu bekommen. Von Beginn an stehen auch Mysterien im Mittelpunkt der Reihe: Woher stammen diese monströsen Gestalten, woher schöpfen sie ihre Kraft und welche Rolle spielt dabei Eren? Nachdem der Manga noch läuft, werden bis Ende des Spiels natürlich nicht alle Fragen beantwortet. Dazu dürften sich Spieler, die mit der Vorlage nicht vertraut sind, etwas verloren fühlen.

David gegen Goliath

Das ändert aber nichts am Spaß, den das grundlegende Spielprinzip macht: Um die überlegenen Titanen auf Augenhöhe zu bekämpfen, nutzen wir die Gas- und Eisendrähte-betriebene 3D-Manöver-Ausrüstung. Die Entwickler von Omega Force haben es geschafft, die Bewegungsmöglichkeiten dieses Geräts sehr gut ins Spiel zu übersetzen. Per Knopfdruck gleiten wir mit Höchstgeschwindigkeit durch die offenen Areale auf der Suche nach den Titanen, um sie mit gezielten Schwerthieben niederzustrecken. Wer schon einmal ein Musou-Spiel aus dem Hause Koei Tecmo gespielt hat, wird gleichzeitig den markanten Gameplay-Bogen auch in A.O.T. 2 wiedererkennen. Die Herausforderung ist es, hierbei den Überblick über die Missionsziele, den Gegnern auf der Karte und unseren Mitstreitern zu behalten und anschließend alle uns zur Verfügung stehenden Funktionen effizient gegen den Feind einzusetzen. Gleichzeitig sollten wir stets ein Auge auf unsere verschleißbaren Klingen und unseren verbleibenden Gasvorrat haben. Nähern wir uns einem Titanen, können wir im Angriffsmodus unterschiedliche Körperteile anvisieren und diese im Flug mit unseren Klingen bearbeiten. Glücklicherweise kämpfen wir nicht alleine, sondern können unseren Kameraden bestimmte Angriffs-Ziele zuweisen, um die sie sich im Anschluss kümmern. Die erlegten Titanen gehen dennoch auf unser Konto, sehr schön!

Jede Tätigkeit auf dem Schlachtfeld wird selbstverständlich mit Geld und Ressourcen vergütet, die wir zwischen den Kämpfen in neue und verbesserte Ausrüstungsgegenstände investieren. Die anfangs gewöhnungsbedürftige und überkomplizierte Steuerung geht nach wenigen Kämpfen wesentlich leichter von der Hand und gibt uns Zugriff auf ein vielfältiges Arsenal an Bewegungs- und Handlungsoptionen, um gegen die Titanen anzukommen. Zusätzliche Kampf-Items, Kameraden-Interaktionen sowie das taktische Abtrennen bestimmter Körperteile zwingen die Titanen letztendlich in die Knie.

Sobald wir einmal den Dreh raushaben, macht das eine Menge Spaß, und mit der 3D-Manöver-Ausrüstung durch die Lüfte und Häuserschluchten zu jagen, vermittelt ein gutes Geschwindigkeits-Gefühl. Das Titanen-Schlachten auf den offenen Gebieten ist der Kernaspekt des Spiels, an dem in folgenden Missionen nur wenig geändert wird. Kleinen Nebentätigkeiten auf dem Schlachtfeld oder Hilferufen von Kameraden können wir optional spontan nachgehen. Dieser Spielrhythmus unterhält uns über zwanzig Stunden Spielzeit hinweg gut.

Soziale Interaktionen

Eine Videospiel-Umsetzung zieht auch einen großen Teil seines Reizes durch das Wiedersehen und die Interaktion mit den bekannten Figuren. Hier bietet A.O.T. 2 eine Menge Material, an dem Fans von Attack on Titan ihre Freude haben werden. Dazu zählen viele Hintergrundinfos zu Charakteren und insgesamt eine sehr getreue Umsetzung des Originals. Besonders gelungen ist unserer Meinung nach das Freundschafts-System. Zwischen den Scharmützeln gegen die Titanen haben wir die Möglichkeit, uns im Modus Alltagsleben die Zeit im Lager zu vertreiben. Dort verwalten wir nicht nur unsere Ausrüstung, sondern treffen auch unsere Mitstreiter, mit denen wir kurze Dialoge mitsamt Antwortoptionen führen. Abhängig von der passenden Antwort steigt der jeweilige Freundschafts-Level – dadurch werden für uns neue Fähigkeiten freigeschaltet. Je nach Charakter und Situation erwarten die Figuren natürlich unterschiedliche Antworten von uns. Ein simples, aber schönes System, das die Interaktion zwischen Spieler und Nichtspielerfiguren stärkt und stets motiviert hat.

Eine weitere Neuerung sind die Basen, die wir an vorgegebenen Stellen auf dem Schlachtfeld errichten. Je nach Wahl des Gebäudes versorgen uns diese Posten mit frischen Klingen und Gas, feuern auf umliegende Titanen oder fördern mehr Ressourcen für uns. Haben wir einen Gegner maßgeblich geschwächt, können wir diesen auch einfangen. Im Titanenforschungslabor werden wir dann im Austausch gegen Testobjekte entsprechend entlohnt. Abseits des Story-Modus können wir Expeditionen online sowie offline in unbekanntes Terrain wagen. Hier ist es auch möglich wieder die Kontrolle über unzählige bekannte Attack-on-Titan-Gesichter zu übernehmen, die wir Stück für Stück freischalten.

A.O.T. 2 setzt wie seine Vorlage auf einen Anime-Stil mit einer schönen, bedächtig gewählten Farbpalette. Charakter-Animationen und Umgebungsdetails sind keinesfalls auf der Höhe unserer Zeit, dafür wurde Wert auf hübsch aufgemachte Menüs gelegt, die dank angenehmer Schriftgröße auch im Handheld-Modus eine gute Spielbarkeit erlauben. Unabhängig vom Handheld- oder TV-Modus geht bei hoher Anzahl an Titanen im Getümmel die Framerate auf dem Bildschirm durchaus in die Knie. Dazu sorgen aufpoppende Figuren für negative Auswirkungen auf das Gameplay und unsere Übersicht. Zwischen den Missionen werden wir mit vielen computergenerierten Zwischensequenzen belohnt, die die Geschichte voranbringen. Für den echten Attack-on-Titan-Flair wurden natürlich die originalen japanischen Sprecher gecastet.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

 

Trotz technischer Schwächen fängt das Spiel die Kernelemente und den Charme von Attack on Titan sehr gut ein. Kenner des ersten Spiels werden hier aber vieles doppelt erleben. Positiv überrascht bin ich vom erzählerischen Kniff, der sich bei unserer Spielfigur, dem namenslosen Soldaten, erlaubt wurde. Dieser war nämlich zufälligerweise immer an den wichtigsten Stellen der Handlung vor Ort und macht uns somit unabhängig von der Position der bekannten Protagonisten in der Vorlage. Das Gameplay unterhält solide, aber auch Nebenmissionen, neue Szenarien und weitere Fähigkeiten können nach einer gewissen Spielzeit Abnutzungserscheinungen des doch monotonen Spielprinzips nicht aufhalten. Dahingegen bereitete mir das simple aber effektive Freundschafts-System überraschend viel Freude. Die regelmäßige Rotation zischen den Schlachten und dem Alltagsleben üben einen gewissen Reiz aus. Kenner der Vorlage bekommen ein umfangreiches Fan-Paket – Leute, die mit Attack on Titan nicht vertraut sind und vielleicht vom Setting angesprochen werden, dürfen dennoch ein spaßiges Spiel erwarten.