Actraiser Renaissance – TEST

1990 zauberte der damals noch alleinig als Enix operierende Videospielkonzern mit Actraiser eine kunterbunte Genre-Mischung aus dem Ärmel. Der Super-Nintendo-Titel avancierte zum Hit. Mit Actraiser Renaissance erhält das Spiel mehr als drei Jahrzehnte später ein Remake.


Heutzutage ist es keine Seltenheit, Merkmale verschiedener Genres miteinander zu kombinieren. Im Jahr 1990 geschah dies allerdings nicht so häufig, weshalb Actraiser als eines der ersten Super-Nintendo-Spiele aus der Menge einer einzigen Gattung zugeordneter Spiele herausstach. So kämpfen wir in Actraiser nicht nur in zweidimensionalen Action-Abschnitten gegen diverse Dämonen. Zusätzlich müssen wir ganze Völker in einem Simulationsmodus auf die nächste Kulturstufe bringen und sie vor dem Bösen bewahren, das sich der Welt bemächtigen will. Jahrzehnte später erinnern sich wohl nur noch ältere Semester an diesen Klassiker.

Im Zuge der Nintendo-Direct-Ausgabe vom 24. September 2021 kündigte der japanische Publisher Square Enix überraschend das Remake des Spiels an, das noch überraschender am gleichen Tag seinen Weg in den eShop der Nintendo Switch fand. PC- und PlayStation-4-Spieler gehen ebenfalls nicht leer aus. Actraiser Renaissance, so der Titel des Remakes, lässt uns wie im Original in die Rolle des Meisters schlüpfen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um niemand geringeres als den Gott aus der christlich-jüdischen Mythologie. Dieser wurde von seinem satanischen Gegenspieler Tanzra, sprich dem Teufel, vor langer Zeit aus der Welt verbannt. Mit neuer Kraft wollen wir das Gute in die Welt zurückholen und Tanzra besiegen.

Actionlastige Dämonenklopperei

Offenbar scheint Square Enix der religiöse Kontext in der außerhalb Japans veröffentlichten Fassung immer noch zu heikel zu sein, weshalb Gott und Satan nach wie vor auf Meister und Tanzra hören. Schlimm ist diese Entschärfung aber nicht, da das eigentliche Gameplay davon nicht tangiert wird. Actraiser Renaissance lässt sich in zwei, wenn nicht sogar in drei wichtige Gameplay-Abschnitte einteilen. Wenn wir mit dem Himmelspalast ein Gebiet ansteuern, für das der Meister erst einen bestimmten Level erreicht haben muss, müssen wir uns zunächst in einem seitlich scrollenden 2D-Action-Abschnitt mit zahlreichen Monstern anlegen.

Hierfür schlüpft der Meister in eine Statue, die mit einem Schwert bewaffnet ordentlich austeilt. Im späteren Spielverlauf kommt auch noch Magie hinzu. Dann können wir auf die Dämonen auch noch Feuerbälle schießen oder Eiskristalle aus dem Boden heraufbeschwören. Um Zaubersprüche einsetzen zu können, brauchen wir ausreichend Magiepunkte. Damit wir die maximale Kapazität für unsere Magie erhöhen können, sollten wir in den Levels Ausschau nach leicht versteckten Spruchrollen halten. Am Ende eines jeden Levels warten außerdem noch Bossgegner wie Werwölfe oder Minotauren auf uns, deren Taktik wir erst durchschauen müssen. Diese Abschnitte spielen sich wirklich flott und gehen schnell in Fleisch und Blut über.

Fingerzeig Gottes

Haben wir in Actraiser Renaissance ein Areal von den Dämonen befreit, können dort wieder Menschen siedeln. Von einem Tempel aus müssen wir sie mit unserer göttlichen Macht leiten. Dies geschieht nicht mehr in der Rolle der Statue, sondern als ein kleiner Engel. In diesem Zusammenhang wird das Geschehen auch nicht mehr aus der Seitenperspektive gezeigt. Stattdessen wird es aus der Vogelperspektive dargestellt. Die Menschen legen auf ihrem Weg diverse Pfade an, an denen sie ihre Häuser, Gehöfte und Werkstätten errichten. Haben sich die Menschen vermehrt, fühlen sie sich mutiger und wollen auch die restlichen Monster aus ihren Nestern vertreiben. Im Gegensatz zum 16-Bit-Original müssen wir aber nachhelfen, indem wir in kurzen 2D-Abschnitten das Nest mit Waffe und Magie ausräuchern.

Sind die Nester noch aktiv, greifen aus den Löchern in kurzen Intervallen Dämonen an. Diese können wir mit Pfeil und Bogen des Engels abschießen. Getötete Feinde füllen unsere göttliche Energie auf. Für einen bestimmten Betrag können wir Wunder wirken, um beispielsweise mit Blitzen Bäume aus dem Weg zu räumen, mit Sonnenlicht Sümpfe trockenzulegen oder mit Regenschauern brennende Gebäude zu löschen. Auch dieser Aspekt des Spiels funktioniert für sich genommen sehr gut. Allerdings gibt es beim Remake diesbezüglich zwei kleine Haken.

Tower-Defense-Aspekte

Anstatt sich beim Simulationsanteil des Spiels auf das Nötigste zu beschränken, bekommen wir es in Actraiser Renaissance mit sehr viel Text zu tun. Andauernd bitten uns die Menschen, dass wir ihnen unter die Arme greifen möchten. Für ein flüssiges Spieltempo wären Symbole genügend gewesen. Alternativ hätten auch gesprochene Texte gereicht, die im Hintergrund ertönen. Allerdings bleiben die Figuren in Actraiser Renaissance durchgehend stumm und immer wenn es etwas zu erzählen gibt, wechselt das Geschehen in einen Dialogbildschirm. Das liegt jedoch auch daran, dass es im Remake auch Helden gibt.

In jedem Spielgebiet tritt ein neuer Charakter ins Rampenlicht. Diese haben zwar tragische Hintergrundgeschichten, die sich jedoch allesamt zu sehr ähneln. Sie unterlagen verschiedenen Antagonisten, haben ihren Mut verloren und müssen erst wieder zu sich finden. Dies geschieht weitestgehend über den dritten und zudem neuen Bestandteil des Spiels. So müssen wir unsere Siedlungen auch mit Festungen und Türmen bestücken, die in Zeitintervallen die angreifenden Gegnerhorden davon abhalten, Häuser, Höfe und Werkstätten zu vernichten. Hier können wir die Helden einzeln übers Schlachtfeld scheuchen. Für erledigte Missionen hagelt es zudem bestimmte Bücher, die als Ersatz für Erfahrungspunkte die Stufen der Helden peu à peu erhöhen.

Fragwürdige Designentscheidungen

Actraiser Renaissance hätte weder die zu häufigen, wenn meist auch kurzen Texte, noch den Tower-Defense-Anteil gebraucht. Diese Aspekte blähen das Spiel zu sehr auf und verhindern schnelle Fortschritte. Immerhin lassen sich alle Dialoge auf Knopfdruck überspringen. Eine Vorspulfunktion bei den Schlachten gibt es aber leider nicht. Warum die Entwickler das Spiel dahingehend erweitern mussten, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Eventuell wollten sie Actraiser ins 21. Jahrhundert hieven, haben jedoch den Kern des Spiels mit seinem hohen Spieltempo aus den Augen verloren.

Im krassen Gegensatz zu dieser Entscheidung steht der Artstyle, denn dieser besteht überwiegend aus vorgerenderten Umgebungsgrafiken. Viele Texturen sind zudem nicht gerade hochauflösend. Besonders im Simulationsteil fällt dies beim Hineinzoomen unschön auf. Die Switch-Fassung läuft mit etwa 45 Bildern pro Sekunde recht flüssig. Wer volle sechzig Frames aus Actraiser Renaissance herauskitzeln will, sollte unbedingt zur PC-Fassung greifen, denn selbst auf der PlayStation 5 kommt der Titel nicht über fünfzig Bilder pro Sekunde hinaus. Grandios sind auch die von Komponist Yūzō Koshiro persönlich überarbeiteten Melodien, die mit dem ebenso enthaltenen Originalsoundtrack ordentlich zur Atmosphäre beitragen. Mit der adrenalingeladenen Musik macht auch Actraiser Renaissance sehr viel Spaß, auch wenn sich das hohe Tempo des Originals nicht ganz entfaltet.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Actraiser gehört für mich zu den spannendsten und vor allem gelungensten Genre-Mischungen aller Zeiten. Sowohl die zweidimensionalen Action-Abschnitte als auch der Simulationspart aus der Vogelperspektive sind gelungen – zumindest im Super-Nintendo-Original von 1990. Actraiser Renaissance hebt sich in bestimmten Aspekten von diesem deutlich ab, auch wenn grundsätzlich noch dasselbe Spiel unter der neuen grafischen Oberfläche steckt. So gehen die Action-Levels immer noch wunderbar von der Hand und auch das Führen der Menschen zur nächsten Kulturstufe ist nach wie vor ein seichter, wenn auch motivierender Gameplay-Kniff. Allerdings nur bis zu bestimmten Momenten, denn die viel zu häufigen Dialoge unterbrechen das Geschehen genauso unschön wie die meiner Meinung nach überflüssigen Tower-Defense-Abschnitte. Diese machen zwar auch ein wenig Spaß, ufern zeitlich aber aus und fühlen sich langfristig zu sehr wie ein Fremdkörper an. Hier ist Square Enix mit dem Remake übers Ziel hinausgeschossen. Schade ist auch, dass nicht allzu viel Wert auf den Artstyle gelegt wurde. Was in den 1990er-Jahren für Begeisterung gesorgt hat, geht in dieser Form im Jahr 2021 einfach nicht mehr. Dafür überzeugt der Soundtrack von Yūzō Koshiro auch in seiner überarbeiteten Form mit adrenalingeladenen Klängen. Besonders toll ist für mich als Nostalgiker, dass ich auf Wunsch auch den originalen Soundtrack inklusive ein paar neuer 16-Bit-Musikstücke hinzuschalten kann. Sowohl das Original als auch das Remake haben ihre Momente. Allerdings hätte Square Enix deutlich mehr aus dem gefühlt voreilig veröffentlichten Remake herausholen können als das fertige Produkt in diesem Zustand für mich bietet.