Blasphemous II – TEST

Mit Blasphemous II erschien am 24. August die Fortsetzung des Metroidvania mit Souls-like-Elementen des spanischen Entwicklerstudios The Game Kitchen. Das düstere Abenteuer mit reichlich religiöser Symbolik entführt uns erneut in der Rolle des gesichts- und namenlosen „Büßers“ in eine geschundene Fantasy-Welt, welche abermals von der übernatürlichen, nur als „Mirakel“ bekannten Macht heimgesucht wird.


Blasphemous schickte uns im Jahr 2019 in der Rolle des geheimnisvollen, gesichtslosen „Büßers“ durch die düstere, stark von katholischer Ikonographie und Symbolik geprägte Fantasy-Welt Cvstodia. Die Entstehung des Spiels begann dabei bereits im Jahr 2017 mit einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, die insgesamt mehr als 300.000 US-Dollar einbrachte. Nach dem Release sorgten viele positive Rezensionen, sowie gute Mund-zu-Mund-Propaganda dafür, dass Blasphemous berechtigterweise zu einem der beliebtesten Indie-Spiele der letzten Jahre wurde. Ausgeruht auf ihren Lorbeeren haben sich die kreativen Köpfe des spanischen Indie-Studios The Game Kitchen aber nicht. Zwischen August 2020 und Dezember 2021 veröffentlichten sie drei umfangreiche und kostenlose Download-Erweiterungen zu Blasphemous, die neben vielen Verbesserungen bei der Steuerung und Spielbalance auch neue Endgegner, Gegenden und mit der letzten Episode „Wounds of Eventide“ auch ein völlig neues Ende inklusive neuem letzten Boss bieten. An dieses Ende knüpft nun die vorliegende Fortsetzung an.

Die Geburt eines neuen Mirakels

Der Protagonist von Blasphemous II ist wie beim Vorgänger der gesichts- und namenlose „The Pentinent One“, der auf Deutsch einfach nur „Der Büßer“ genannt wird. Die Geschichte des Spiels ist dabei genauso kryptisch und schwer greifbar wie die des ersten Teils. Der Büßer erwacht in einem steinernen Sarg in einem ihm unbekannten Land und soll die Geburt eines neuen Mirakels verhindern, die laut einer Prophezeiung kurz bevor steht. Geburt ist dabei wörtlich zu verstehen, befindet sich doch hoch oben in den Wolken ein pulsierendes Herz, in dem das neue Mirakel heranwächst. Die einzige Möglichkeit, zu ihm zu gelangen ist es, zu einer auf den Schultern von drei gigantischen Statuen getragenen Kathedrale zu erreichen. Dazu müssen wir zunächst drei Wächter finden, deren Aufenthaltsorte auf unserer Karte markiert werden.

Auf unseren stummen Protagonisten wartet auf seiner Reise durch die große düster-atmosphärische Welt wieder eine ganze Reihe von herrlich makaber grotesken Nicht-Spieler-Charakteren. Ein bärtiger alter Mann, aus dessen klaffenden Wunden an den Handflächen, Gesicht und am Rücken goldener Honig fließt, eine riesige junge Frau, die sich willentlich Stück für Stück von kleinen Engeln die Haut abziehen lässt oder eine Händlerin, von der man nur einen riesigen, mit Schmuck behängten Arm sieht. Die Entwickler von The Game Kitchen verstehen es nach wie vor meisterlich, verstörend surreale Pixel-Kunst zu schaffen. Die Verquickung von spanischer Kultur, Folklore und religiöser Ikonographie, die auf dem Konzept von Leid und Schmerz innerhalb des spanischen Katholizismus basiert, schaffen eine Art quasi-christliche Fantasy-Welt, die schaurig und faszinierend zugleich ist. Creative Director Enrique Cabeza nennt als Inspirationsquellen wie beim Vorgänger die religiöse Kunst und Ikonographie der spanischen Stadt Sevilla und der Region von Andalusien, der Heimat des Entwicklerstudios The Game Kitchen. Auch berühmte spanische Maler wie Bartolomé Esteban Murillo oder Francisco Goya dienten als Vorbilder. Vor allem Goya scheint es den Entwicklern angetan zu haben. So stand sein Bild „Eine Prozession der Flagellanten“ Pate für die auffällige Kopfbedeckung des Büßers, und ein Endgegner zitiert beim Übergang in seine zweite Phase das bekannte Gemälde „Saturn verschlingt seinen Sohn“.

Verstörende Bildsprache und kryptische Erzählweise

Die kryptische Erzählstruktur von Blasphemous II wurde dabei wie beim ersten Teil von FromSoftwares Spielen inspiriert. Genau wie bei Dark Souls oder Bloodborne lebt die Story eher von Andeutungen und starker Symbolik und hat keine klassische Erzählstruktur. Die bizarren Charaktere sprechen oft in Rätseln und lassen uns verstört zurück, während die gigantischen Bauten und surrealen Szenerien unsere Phantasie anregen. Warum ist in dem See im Hintergrund einer Gegend das Spiegelbild einer Burg zu sehen, welche aber in der Landschaft fehlt? Oder was hat es mit den riesigen Statuen im Hintergrund auf sich, welche mit weit aufgerissenen Mündern und qualvollem Gesichtsausdruck flehend die Hände in den Himmel recken? Wer die Geschichte verstehen will muss die oft sehr ausschweifenden Item-Beschreibungen lesen, auf Details in den Hintergründen achten oder aber, wenn alle Stricke reißen, Webseiten konsultieren oder umfangreiche Lore-Videos auf YouTube anschauen. Aber auch wer nicht tiefer in die Welt von Blasphemous II eintauchen möchte, wird hier auf seine Freude haben, denn die geheimnisvolle Bildsprache und kryptische Erzählweise verstärkt zusätzlich die verstörende Atmosphäre des Spiels. Unserer Meinung ist es sogar besser, wenn vieles der Handlung im Dunkeln bleibt und man sich einfach auf die düsteren Bildwelten einlässt.

Mit den Waffen des Büßers

Auf den ersten Blick spielt sich Blasphemous II recht ähnlich wie der Vorgänger. Erneut erkunden wir aus der Seitenperspektive eine umfangreiche und zusammenhängende Welt, die aus klar voneinander getrennten und thematisch verschiedenen Gegenden besteht. Finden wir neue Waffen, Gegenstände oder Spezialfähigkeiten, schalten wir neue Wege innerhalb der Karte frei. Genau wie im ersten Teil bildet dabei ein Dorf den Mittelpunkt der Karte, von wo aus wir in verschiedene Gegenden der Welt vordringen können und auch die Heimat von vielen der bizarren NPCs ist. Gespeichert wird das Spiel nach wie vor an den Prie Dieu genannten Altären, zwischen denen wir uns im späteren Verlauf des Spiels auch hin- und her teleportieren können.

Während die Struktur von Blasphemous II zunächst routiniert daher kommt, erwartet und kurz nach Beginn des Spiels schon die auffälligste Neuerung. Kaum sind wir aus unserem steinernen Sarg geklettert, werden wir vor die Wahl gestellt und dürfen eine von drei Waffen auswählen. Zerschnetzelten wir im Vorgänger die grotesken Gegnerhorden lediglich mit dem Schwert „Mea Culpa“, sind unsere Kampfoptionen diesmal ungleich vielfältiger. Da wäre zunächst das Schwert „Ruego Al Alba“, welche am ehesten an die Waffe aus dem ersten Teil erinnert und gibt uns die Möglichkeit, gegnerische Angriffe im richtigen Zeitpunkt zu parieren, was nach einer kurzen Eingewöhnungsphase auch richtig gut funktioniert. Das Duo aus Dolch und Degen namens Sarmiento und Centella ist zwar die schnellste der drei Waffen, richtet aber vergleichsweise wenig Schaden an. Zudem können wir uns mit Hilfe des Waffen-Duos zwischen Spiegeln hin- und her teleportieren. Unser Favorit ist allerdings Veredicto, ein wuchtiges Räuchergefäß, welches wie ein Morgenstern fungiert und heftigen Schaden verursacht, dafür aber die langsamste der drei Waffen darstellt und keinerlei Defensiv-Option hat. Mit Druck auf die rechte Schultertaste können wir das Räuchergefäß anzünden, was den Angriffen noch mehr Wumms verleiht, aber an unserer Magie-Leiste zehrt. Zudem können wir mit Veredicto große in der Spielwelt verteilte Glocken anschlagen, deren Schallwellen bestimmte Türen öffnen und für eine kurze Zeit Plattformen erscheinen lassen.

Interessanterweise ist durch die Wahl der ersten Waffe auch der anfängliche Weg durch die Welt von Blasphemous II vorgegeben, denn durch die unterschiedlichen Spezialfähigkeiten stehen uns jeweils andere Passagen und Wege innerhalb der Level offen. Die anderen beiden, von uns nicht gewählten Waffen erhalten wir nach und nach im Verlauf des Spiels und können dann auch auf die Skilltrees des jeweiligen Mordinstruments zugreifen, wodurch wir neue Fähigkeiten und Attacken freischalten können. Insgesamt machen die drei Waffen die Kämpfe deutlich dynamischer und regen dazu an, kreativ mit den Kampfstilen zu experimentieren.

Beinharte Kämpfe und mächtige Gebete

Gelegenheit, unsere Waffen auszuprobieren gibt es viele, tummeln sich in der Welt von Blasphemous II auch eine ganze Menge bizarr-makaberer Gegner. Die Kämpfe sind genau wie beim Vorgänger oftmals herausfordernd schwer, aber nie unfair. Highlights sind dabei die fantastischen Bossgegner, die mal recht einfach daherkommen, und mal wirklich alles von uns abverlangen. Aber auch wenn wir zehn oder fünfzehnmal das Zeitliche segnen, irgendwann schaffen wir es und ein euphorisches Gefühl stellt sich ein, wie wir es beispielsweise auch von Dark Souls oder Bloodborne kennen. Haben wir Gegner erledigt, hinterlassen sie die sogenannten „Tränen der Abbitte“, welche dieselbe Funktion wie die Seelen aus Dark Souls haben. Mit ihnen kaufen wir uns Upgrades und Fähigkeiten für unsere Waffen. Anders als bei den FromSoftware-Titeln oder dem ersten Blasphemous verlieren wir die Tränen der Abbitte jedoch nicht, wenn wir sterben. Unser Tod wirkt sich lediglich auf unsere Inbrunst genannte Lesite aus, welche quasi die Magiepunkte von Blasphemous II darstellen. Diese wird nach dem Tod reduziert, bis wir einen bestimmten NPC aufsuchen und Absolution von ihm erhalten.

Inbrunst verwenden wir, um Gebete zu sprechen, welche in der Welt von Blasphemous den Ersatz für Zaubersprüche darstellen. Diese kommen sehr vielfältig daher und können sowohl zum Angriff oder zur Verteidigung dienen. Auch mit von der Partie ist wieder die Gebetskette, welche wir mit mit vielen unterschiedlichen Rosenkranzperlen ausstatten können, welche uns Fähigkeiten und Buffs gewähren. Es gibt aber auch einige spannende Neuerungen. So gibt es nun beispielsweise kleine Skulpturen, die wir in ein Retabel stellen können, welches der Büßer auf seinem Rücken trägt. Diese Skulpturen gewähren uns eine ganze Reihe sehr nützlicher passiver Buffs, die unsere Pilgerreise etwas leichter gestalten können.

Verbesserte Steuerung und grandiose Musikuntermalung

Besonders gefreut hat uns, dass sich die Entwickler die Kritik an dem Vorgänger zu Herzen genommen und die Steuerung überarbeitet haben. Diese fällt nun sehr präzise aus und lässt uns auch komplizierte Sprünge ohne viele Schwierigkeiten schaffen. Auch die im ersten Teil besonders in der zweiten Spielhälfte etwas großzügig vorhandenen bodenlosen Abgründen und mit Dornen gespickten Fallen. Diese sind nun nicht mehr ganz so präsent und auch nicht mehr sofort tödlich, ziehen sie uns doch nun lediglich etwas Lebensenergie ab. Insgesamt macht es unglaublich viel Freude, die Welt von Blasphemous II bis in den letzten Winkel zu erforschen, die zahlreichen Sidequests der bizarren NPCs zu absolvieren und wirklich alle Geheimnisse zu lüften. Technisch läuft das Spiel auf der Switch absolut sauber, Bugs oder Abstürze haben wir während der Testphase keine bemerkt.

Neben dem bereits mehrfach angesprochenen, fantastischen Grafikstil ist es damals wie heute natürlich auch die fantastische Musik von Komponist Carlos Viola, die Blasphemous II zu einem einzigartigen Erlebnis macht und einen nicht unerheblichen Teil zur grandiosen Stimmung des Spiels beiträgt. Die unterschiedlichen Musikstücke kombinieren die unterschiedlichste Stilrichtungen wie religiöse Musik, Dark Ambient, volkstümliche Musik und sogar Flamenco miteinander und sind oftmals so eingängig, dass wir nicht anders können, als die Musikstücke mitzusummen.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

 

Als großer Fan des ersten Teils war ich wahnsinnig gespannt, was sich die Entwicklerinnen und Entwickler von The Game Kitchen für den zweiten Teil ausgedacht haben. Meine Erwartungen wurden letztlich dann sogar übertroffen. Blasphemous II bietet ein nahezu perfektes Metroidvania-Erlebnis. Es macht einfach unglaublich viel Spaß, die düstere und makabere Welt des Spiels bis in die kleinsten Winkel zu erforschen und die Karte zu 100% zu füllen. Die Kritikpunkte des ersten Teils wurden größtenteils ausgemerzt, lediglich das Backtracking empfand ich gerade am Anfang als etwas störend. Besonders innerhalb des zentralen Dorfes sind die einzelnen NPCs oftmals etwas weiter voneinander entfernt anzutreffen und ich für Upgrades manchmal von einem Ende zum anderen laufen muss. Die drei neuen Waffen haben alle ihren eigenen Kampfstil und bieten im Gegensatz zum recht starren Kampfsystem des Vorgängers sehr viel Raum zum experimentieren. Besonders angetan hat es mir dabei der wuchtige Morgenstern Veredicto und das obwohl ich eigentlich in Action-Spielen schnelle Waffen bevorzuge und beim ersten Durchgang als Starter-Waffe das Schwert wählte. So schnetzele ich mich gekonnt durch die grotesken Gegnerhorden, lausche der fantastischen Musik und lasse mich von der unglaublichen Pixel-Grafik in eine andere Welt transportieren. Die kryptische und schwer verständliche Erzählweise von Blasphemous II passt dabei hervorragend und lässt mich auch nach dem Spielen noch lange über die düstere Welt und ihre bizarren Charaktere nachdenken. Blasphemous II ist ein fantastisches Metroidvania, das sich Genre-Fans auf keinen Fall entgehen lassen sollten. Interessierte Spieler sollten sich zudem nicht von dem herausfordernden Schwierigkeitsgrad abschrecken lassen. Zwar ist Blasphemous II an einigen Stellen knackig schwer, aber nie unfair und immer mit etwas Geduld und Übung schaffbar. Kenntnisse des ersten Teils sind übrigens nicht unbedingt notwendig, für Kenner des Vorgängers bietet das Spiel jedoch einige gelungene Aha-Effekte.