Blast Corps – TEST

Denken Nintendo-Fans an das britische Entwicklerstudio Rare, so kommen ihnen wohl viele Gedanken an zahlreiche Videospielklassiker für das Super Nintendo oder Nintendo 64 in den Sinn. Das Actionspiel Blast Corps aus dem Jahr 1997 wird dabei jedoch öfters übersehen.


In den 1990er-Jahren waren Entwicklerstudios noch deutlich mutiger als in den folgenden Jahrzehnten. Anstatt originelle Videospiele zu entwerfen, werden Entwicklerstudios immer mehr von den Herausgebern dazu gedrängt, bestimme Muster zu bedienen. Wie schön, dass Blast Corps in einer Zeit entstand, in welcher Mut zur Kreativität deutlich mehr zählte. Das heißt nicht, dass der 1997 veröffentlichte Nintendo-64-Klassiker makellos ist. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn auch für ein frühes Spiel des 3D-Zeitalters wird Blast Corps von so manchen Kinderkrankheiten geplagt.

Dies fängt schon bei der abstrusen Handlung an, die auch erst spät in der Entwicklung des Actionkrachers entworfen wurde. Ein vollautomatischer und mit Nuklearsprengsätzen beladener Transporter ist auf dem Weg zum Zielort außer Kontrolle geraten. Das titelgebende Blast-Corps-Team wird herbeizitiert, um den drohenden Supergau abzuwehren. Bei diesem Team handelt es sich um Abrissexperten, die mit allerhand Fahrzeugen und Maschinen Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete plätten. Rare war sich diesem Käse bei der Entwicklung aber bewusst, zumal Missionsdesign und Gameplay sehr arcadelastig gehalten sind. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir glücklicherweise keine Bekanntschaft mit Pseudo-Charakteren machen, die lediglich unnötiger Ballast wären.

Verhindern des Supergaus unter Zeitdruck

Über eine globusförmige wie dreidimensionale Karte wählen wir in Blast Corps die jeweils nächste Mission aus. Zu Beginn jedes Levels werden wir mit einem Helikopter zum Einsatzfahrzeug gebracht. Dabei überfliegen wir das gesamte Areal und können uns darauf einstellen, was uns gleich erwartet. Anschließend nehmen wir in verschiedenen Fahrzeugen wie einem Bulldozer Platz und zerstören Häuser, Bürogebäude, Farmen, Fabriken und was dem Nukleartransporter sonst noch im Weg steht. Gut sichtbare Zielmarkierungen zeigen uns an, welche Gebäude geplättet werden müssen. Da der Transporter automatisch losfährt, sitzt uns auch immer die Zeit im Nacken.

Während uns dies bei den ersten zwei, drei Missionen keinerlei Probleme bereitet, zieht der Schwierigkeitsgrad danach ordentlich an. Dies liegt aber zumeist nicht an der allgemeinen Aufgabenstellung, denn diese ist in so gut wie jedem Level identisch, sondern eher an der fummeligen Bedienung. Da wir das Geschehen in Blast Corps aus der leicht versetzten Vogelperspektive verfolgen und sich die Steuerung nach Blickrichtung des Vehikels ausrichtet, benötigt dies schon etwas Einarbeitungszeit. An anderer Stelle ist die Steuerung wiederum überempfindlich, wenn wir zum Beispiel in der Stage Elfenbeinküste einen Zug mit einem Bulldozer beladen wollen, drehen die Ketten der Maschine aus unerklärlichen Gründen durch. Um Spaß zu haben, müsst ihr euch an solche Kinkerlitzchen gewöhnen.

Gelungene Auswahl destruktiver Fahrzeuge

Dennoch können wir über diese Probleme nach einer Weile hinwegsehen, denn wenn wir uns erst einmal ins Spiel verbissen haben, können wir den Nintendo-64-Dreizackcontroller nicht mehr so schnell aus den Händen legen. Das liegt vor allem daran, dass sich die verschiedenen Fahrzeuge allesamt unterschiedlich spielen. Beispielsweise müssen wir das immense Gewicht des Monstertrucks ausnutzen, indem wir vor einem zu zerstörenden Gebäude driften und es mit dem Heck platt walzen. Der Turbobuggy ist zwar nicht ganz so kräftig, doch wenn wir verschiedene Sprungschanzen geschickt ansteuern und einen Boost zünden, können wir das Gebäude von oben zerstören.

Ähnlich verhält es sich mit dem J-Bomb genannten Mecha, mit dem wir uns per Jetpack in die Lüfte erheben und über einem Gebäude eine Stampfattacke ausführen. Super Mario 64 lässt grüßen! Mit dem Donnerfaust genannten Mecha können wir die Gebäude wiederum mit einem großen Purzelbaum zum Einsturz bringen. Dann gibt es noch weitere Vehikel, die Ressourcen verbrauchen: Der XR7-Protocrash ist eine horizontale Abrissbirne, die mit Karacho zu beiden Seiten die Häuser einreißt. Mit dem Rocket Crusher können wir hingegen Raketen abfeuern. Alleine schon aufgrund der unterschiedlichen Vehikel spielt sich Blast Corps sehr abwechslungsreich und kann stundenlang unterhalten.

Ineinandergreifende Fahrzeugmechanismen

Meistens, aber nicht immer, wird jedes Vehikel beim Ersteinsatz mit einem Tutorial ausgestattet. So können wir die Steuerung schnell verinnerlichen. Gelegentlich erhalten wir Hilfestellungen auch über eingedeutschte Bildschirmtexte während der Mission. Aufgrund dessen, dass wir abseits der ersten Mission recht frei in der Level-Wahl sind, kann es aber auch sein, dass solch ein Text erscheint, obwohl wir das Element schon einmal in einem anderen Areal kennengelernt haben. Blast Corps spielt sich aber meist derart unkompliziert, sodass wir die Hilfestellungen selten bis nie benötigen.

Interessanter ist da schon, dass wir mit zunehmender Spielzeit das Fahrzeug in einem Level mehrfach wechseln müssen. Im Level Intercity müssen wir beispielsweise einen Zug zum Halten bringen, am Bahnhof aussteigen und über eine Brücke auf die andere Seite laufen. Dort manövrieren wir einen Bulldozer auf eine Plattform und heben diese mittels eines Krans auf die andere Seite der Schienen. Kehren wir zum Bulldozer zurück, können wir Sprengstoff gegen eine Lagerhalle schieben und diese kurz vor Aufprall der Nuklearsprengköpfe in die Luft jagen. Bei all dieser Action fällt es auch nur wenig auf, dass die Grafik abseits der leicht animierten Vehikel sehr simpel ausfällt und die heitere bis bedrohliche Musik aus dem ernsten Szenario fast schon eine Jahrmarktsattraktion macht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Als ich 1997 das erste Mal von Blast Corps gehört habe, lief gerade die Nintendo-64-Promokasette mit dem leicht provokanten Titel „Wie viel 3D hältst du aus?“ im Videorekorder. Spielen konnte ich den Titel aufgrund der nicht vorhandenen Hardware in den 1990er-Jahren aber nie – und als ich das Nintendo 64 ein paar Jahre später endlich selbst besaß, haben mich andere Spiele mehr interessiert. Trotzdem bin ich froh, dass der Titel in das Nintendo-Switch-Online-Angebot aufgenommen wurde, denn ansonsten hätte ich ein echt feines Actionspiel verpasst. Bis auf die manchmal etwas fummelige oder gar übertrieben sensible Steuerung in Zusammenhang mit der nicht ganz so gelungenen Kameraführung macht das Abreißen ganzer Gebäudekomplexe jede Menge Spaß. Die Vehikel spielen sich unterschiedlich und dadurch, dass ich in vielen Missionen fast schon puzzleartig dazu gezwungen werde, diese zu wechseln, bekomme ich durchweg viel Abwechslung geboten. Durch das arcadelastige Gameplay und Missionsdesign stört es mich auch nicht, dass der Titel auf eine ausgetüftelte Story verzichtet und die Grafiken öfters zu simpel ausfallen. Auch wenn viele Musikstücke gut ins Ohr gehen, wirken sie manchmal wie ein Fremdkörper im Angesicht der ernsten Ausgangslage der Handlung. Auf diese wird also doppelt gepfiffen! Wer Actionspiele mag und nichts gegen puzzleartige Missionsstrukturen hat, sollte Blast Corps unbedingt einmal eine Chance zu geben, denn viele weitere Jahrzehnte übersehen zu werden, hat der Titel definitiv nicht verdient!