Born of Bread – TEST

Manche Spiele stechen aufgrund ihrer Ästhetik aus der Menge heraus und können auch Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung immer noch als prägnantes Werk identifiziert werden. Dass herausragende Stile Nachahmer finden, beweist Born of Bread – und das auch ziemlich gut.


Mit dem im Jahr 2000 veröffentlichten Nintendo-64-Rollenspiel Paper Mario legten Publisher Nintendo und Entwicklerstudio Intelligent Systems eine ästhetische Grundlage, an die bislang nur wenige vergleichbare Spiele von anderen Herstellern herangekommen sind. Über die Jahre hinweg entwickelte sich die Paper-Mario-Reihe jedoch in völlig andere Richtungen. Schon der zweite Serienteil aus dem Jahr 2004 für den GameCube, Paper Mario: Die Legende vom Äonentor, sollte das letzte waschechte Rollenspiel der Reihe bleiben. Bis heute erzürnt dieser unverständliche Umstand die Fans der ersten beiden Episoden. Darunter dürften auch einige Entwickler sein. Anders sind Titel wie Bug Fables: The Everlasting Sapling oder Born of Bread kaum zu erklären.

Wir sind froh darüber, dass es solche Spiele gibt, zeigen sie uns doch sehr gut, wie zeitlos das Konzept ist und nicht zwingend auf das Papier-Gameplay des Originals zugeschnitten sein muss. WildArts Studio, die Born of Bread Anfang Dezember für die Switch, den PC, die PlayStation 5 und die Xbox Series X|S veröffentlicht haben, gelingt dieser Spagat weitgehend. Die Entwickler schaffen es, dreidimensionale Spielwelten mit zweidimensionalen Charaktermodellen zu verbinden, diese Mischung mit ganz akzeptablem Humor zu mischen und ein funktionales Kampfsystem ins turbulente Geschehen zu integrieren.

Abenteuer mit seichtem Humor

Wie es der Titel des Spiels vermuten lassen könnte, schlüpfen wir in Born of Bread in die Haut oder vielmehr die Kruste eines fleischgewordenen Brotes, das frisch aus dem Backofen kommt. Da staunt der königliche Brötchenschmied Papa Bäcker nicht schlecht, als seine Schöpfung plötzlich zum Leben erwacht. Prompt wird unser Brot auf den kreativen Namen Stulle getauft. Bewaffnet mit einer Suppenkelle müssen wir uns zunächst gegen mysteriöse Eindringlinge im Schloss verteidigen, worüber die Königin sichtlich nicht erfreut ist. Auf kurz oder lang wird Papa Bäcker der Hexerei, der Brandstiftung und einer Reihe anderer Verbrechen angeklagt.

Eine unserer ersten Aufgaben besteht darin, die Unschuld unseres Vaters zu beweisen. Unmittelbar verwickelt sind in den Prozess auch ein Haufen Archäologen, die mit der Öffnung eines Sarkophags unberechenbare Kreaturen auf das Königreich losgelassen haben. So und nicht anders beginnt das auf etwa zehn bis fünfzehn Stunden ausgelegte Abenteuer, das die vier Schwerpunkte Story, Charakterentwicklung, Kämpfe und Erkundung gelungen austariert. Der Humor des von kanadischen Entwicklern stammenden Born of Bread richtet sich zwar eindeutig an ein jüngeres Publikum, doch locken die illustre Inszenierung und die auf Deutsch lokalisierten Texte auch bei uns das eine oder andere Schmunzeln hervor.

Erkundung mit zahlreichen Belohnungen

Wann genau der Abspann über den Bildschirm flimmert, hängt maßgeblich von unserem Erkundungsdrang ab. Die mittelalterliche Fantasy-Welt ist mit vielen Geheimnissen gespickt, die es wert sind, entdeckt zu werden. So finden wir an vielen Stellen lediglich kleeblattförmige Münzen für den nächsten Einkauf in der Stadt, doch lassen sich auch Truhen aufspüren, die wertvolle Artefakte für uns bereithalten. Diese bescheren uns nützliche Boni wie mehr Lebenspunkte oder lassen uns die Schwachstellen von Gegnern im Kampf erkennen, sofern wir die Objekte denn zuvor über das Menü anlegen.

Außerdem sind in Born of Bread Salamander versteckt. Sammeln wir jeweils zwei davon und schleppen sie zu einem der in der Spielwelt verteilten Schreine, erhalten wir als Ausgleich dafür einen Fähigkeitspunkt. Von diesen profitieren wiederum unsere Begleiter, die nicht wie wir durch gesammelte Erfahrungspunkte im Kampf aufsteigen können. Stattdessen erhalten sie auf diesem Weg neue Fähigkeiten, die sie in den Auseinandersetzungen mit dem kunterbunten Getier lostreten können. Da manche Orte wirklich gut versteckt sind und häufig nur durch den Einsatz von Fähigkeiten unserer Begleiter überhaupt erst erreicht werden können, macht auch die Rückkehr zu bereits besuchten Orten dank neuer Belohungen ähnlich wie bei Metroid Prime und Konsorten richtig viel Spaß.

Einsteigerfreundliche Rollenspielmechaniken

Beim Kampfsystem hat sich das WildArts Studio ähnlich wie bei der grafischen Oberfläche sehr an Nintendos Paper Mario orientiert. Wir wählen also zuerst eine Aktion und unser Ziel aus. Anschließend müssen wir ein Action-Kommando ausführen, das drüber bestimmt, wie effektiv unser Angriff ist. Die Verteidigung unserer Spielfiguren, die im rundenbasierten Kampfsystem nacheinander antreten, funktioniert genauso. Dadurch, dass Born of Bread wie das große Vorbild auf sehr kleine, dafür auch ausbalancierte Werte und Zahlen setzt, ist das Rollenspiel auch sehr einsteigerfreundlich. Zudem ist der Schwierigkeitsgrad nicht sonderlich hoch, weshalb auch eher unerfahrene Rollenspieler keine Sorgen haben müssen, einen Feind nicht besiegen zu können.

Level-ups verbessern wahlweise Lebens-, Willens- oder Reservepunkte, wobei es sich bei den letzteren beiden Attributen um das Magiepunkte-Äquivalent handelt. Angriffs- und Verteidigungswerte verändern sich auf diese Art und Weise nicht. Wie viel Schaden wir bei einem Gegner anrichten können, hängt maßgeblich von den ausgerüsteten Waffen ab. Diese sind verschieden groß und nehmen im Ausrüstungsmenü ähnlich wie im Inventar von Diablo II unterschiedlich viel Platz weg. Außerdem kostet der Angriff stärkerer Waffen mehr Willenspunkte. Zu stark können wir in Born of Bread also eigentlich nie sein.

Atmosphärisches Gesamtpaket

Steuern lässt sich Stulle via Analog-Stick und optional über die Steuerungstasten respektive des Steuerkreuzes vom Pro Controllers kinderleicht. Letzteres möchten wir bei Sprungpassagen auch empfehlen, da es manchmal etwas hakelig sein kann, den zweidimensionalen Protagonisten punktgenau über Steine in einem für ihn tödlichen Fluss zu manövrieren. Zur Verzweiflung treibende Totalausfälle bei der Sprungmechanik wie etwa in Super Mario RPG gibt es aber glücklicherweise nicht. Auch wenn den Charaktermodellen ein paar Animationen mehr gut getan hätten, fügen sie sich hervorragend in die dreidimensionale Spielwelt ein. Diese erreicht optisch zwar nicht gänzlich das Niveau von Paper Mario: The Origami King, doch sind die Umgebungen detailliert gestaltet und bieten einen gewissen Wiedererkennungswert.

Technisch läuft das Spiel relativ rund, auch wenn es auf der Switch hier und da zu ein paar Einbrüchen in der Bildwiederholrate kommt. Unspielbar wird der Titel unserer Meinung nach aber nie. Akustisch wird das Geschehen von der atmosphärischen Musik aus der Feder von Komponist Robert Kilpatrick unterlegt, der sich teils stark an betagten Videospielmelodien orientiert, diese gravierend aufgewertet und zu einem eigenständigen Soundtrack geformt hat, der eines Rollenspiels würdig ist. Born of Bread ist spielerisch wie audiovisuell eindrucksvoll.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Tatsächlich bin ich erst kurz vor Release auf Born of Bread aufmerksam geworden. Das Werk von den kanadischen Entwicklern des WildArts Studios machen keinen Hehl daraus, sich frech an der Ästhetik und dem Spieldesign der ersten beiden Paper-Mario-Rollenspiele zu bedienen. In meinen Augen ist das auch nicht schlimm. Nintendo hat mit vier weiteren Serienteilen gezeigt, dass keinerlei Interesse besteht, eine Fortsetzung ähnlicher Struktur auf die Beine zu stellen. Da ist es nur legitim, dass andere Entwickler diese Lücke füllen. Zwar kommt Born of Bread nicht ganz an die Faszination des Vorbilds heran, doch können alle Elemente für sich genommen überzeugen. So gefällt mir die Verbindung zwischen zweidimensionalen Charakteren und dreidimensionaler Spielwelt. Es macht mir sehr viel Spaß, der Story mit ihrer seichten Humor-Einlage zu folgen und die kunterbunte Spielwelt mit ihren erinnerungswürdigen Umgebungen bis in den letzten Winkel zu erkunden. Auch die Kämpfe sind gelungen, wenn für meinen Geschmack vielleicht auch etwas zu leicht. Hier hätte ich mich über einstellbare Schwierigkeitsgrade gefreut. Ebenso wäre es wünschenswert gewesen, wenn das Spiel noch etwas besser auf die Hardware der Switch zugeschnitten geworden wäre, denn gerade im Vergleich zur PlayStation-5- oder PC-Fassung fällt auf, dass die Switch-Version den Kürzeren zieht. Genrekenner und vor allem Fans der ersten beiden Paper-Mario-Episoden können sich aber bedenkenlos auf den Titel einlassen und ein für Rollenspielverhältnisse knackig-kurzes Abenteuer erleben.