Card Shark – TEST

Betrügereien in Videospielen werden nicht gerne gesehen. Cheats gelten seit Jahren als arg verpönt und tauchen sogar in Singleplayer-Spielen so gut wie gar nicht mehr auf. Card Shark ist anders und lässt uns eine Karriere als Trickbetrüger starten, die es wahrhaftig in sich hat.


In Card Shark vom britischen Entwicklerstudio Nerial schlüpfen wir in die Rolle eines jungen, armen und noch dazu stummen Burschen. Angesiedelt im Jahr 1743 verdienen wir unseren Lohn als Gehilfe in einer Gaststätte im südfranzösischen Städtchen Pau. Dort lernen wir den Grafen von Saint Germain kennen, der sich offenbar mit Trickbetrügereien über Wasser hält. Schon kurz nachdem wir seine Bekanntschaft gemacht haben, spannt er uns für ein Spielchen ein, bei dem wir seinen Gegner ausspionieren sollen. Sein Gegner, ein ranghoher Kommandant, durchschaut das abgekartete Spiel. Der Militär zieht seine Pistole und drückt ab. Anstatt uns oder den Grafen zutreffen, erliegt wenig später ausgerechnet die unschuldig ins Geschehen verwickelte Wirtin der tödlichen Schusswunde.

Laut Saint Germain wird uns mit ziemlicher Sicherheit die Schuld in die Schuhe geschoben, da wir ohnehin nicht besonders glücklich mit der Verstorbenen als Arbeitgeberin waren. Gemeinsam flüchten wir mit Saint Germain quer durch Frankreich und werden mehr und mehr ein Instrument des Grafen für dessen dubiose Geschäftsideen. Unser Bursche ist also wahrhaftig eine tragische Figur, denn aus seiner Rolle scheint es kein Entkommen zu geben. Selbst dem Tod, sollten wir ihn in Card Shark früher oder später begegnen, kann mit gewieften Tricks ein Schnippchen geschlagen werden.

Holprig erzähltes Abenteuer mit Geschicklichkeitseinlagen

Angereichert wird die recht spannende Story des Spiels mit dem Auftreten von historischen Persönlichkeiten. Neben besagtem Grafen, der sich mit der Zeit zu unserer Hauptbezugsperson entwickelt, treffen wir auf unserer Reise durch Frankreich auf weitere interessante Charaktere. Dazu gehören unter anderem Freiherr Theodor Stephan von Neuhoff, seine königliche Majestät König Ludwig XV. oder François-Marie Arouet, besser bekannt als Voltaire, der sich im Dialog ganz begeistert von unseren Fähigkeiten zeigt. Card Shark romantisiert sowohl die Historie mitsamt ihrer Figuren als auch das Betrügen selbst. Auf die Realität übertragen können wir die meisten Kniffe nicht. Das Spiel motiviert also nicht dazu, selbst auf die schiefe Bahn zu geraten.

Wer Spaß am Gameplay des Titels haben möchte, der trotz ein paar vorhandener Adventure-Anleihen nahezu vollständig auf Geschicklichkeitseinlagen setzt, muss auf jeden Fall gewillt sein, den Erklärungen des Mentors zu folgen. Dies passiert auch Stunden nach Auftakt des Spiels noch und zieht sich teils arg in die Länge, zumal wir jeden Trick erst üben und beherrschen müssen. Natürlich ist das im Rahmen der Handlung logisch und nachvollziehbar, aber das Abenteuer fühlt sich dadurch etwas holprig erzählt an, wenn wir mal wieder an einer Stelle festhängen, bis wir den gezeigten Trick endlich verstanden haben.

Komplexe Kartentricks und ihre Konsequenzen

Wenn der Funken jedoch erst einmal auf uns übergesprungen ist, kann Card Shark allerdings voll und ganz begeistern. So gut wie sämtliche Spielmechaniken sind im Videospielsektor derart unverbraucht, dass wir ständig neue Erfahrungen machen. Beispielsweise schenken wir im Auftrag von Saint Germain dem Gegner ein wenig Wein ein und müssen dabei in dessen Karten spinksen. Wenn wir anschließend mit einem Tuch den Tisch polieren, vermitteln wir Saint Germain mit cleveren Bewegungen des Tuchs, wie das Blatt seines Gegners aussieht. An anderer Stelle müssen wir auch selbst die Karten zinken, indem wir diese entsprechend markieren und in der richtigen Reihenfolge mischen.

Auch das Kartenzählen wird zu einem wichtigen Bestandteil der Spielmechanik von Card Shark. Wir müssen stets darauf achten, an welcher Position Saint Germain beim Kartengeben sitzt, damit wir ihm nur die höchsten Karten für sein Blatt zu spielen. Mit der Zeit werden die Mechaniken immer komplexer und greifen immer mehr ineinander. Der Schwierigkeitsgrad steigt zunächst angenehm, könnte jedoch vor allem gemächliche Spieler ein Dorn im Auge sein. Damit unser Betrug nämlich nicht auffliegt, müssen wir unter Zeitdruck agieren. Sind wir zu langsam, werden die Gegner auf unsere Tricks aufmerksam, was als Konsequenz mitunter den Tod nach sich ziehen kann.

Audiovisueller Genuss trotz leichter Bedienschwächen

Spielen wir Card Shark im Übrigen auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad „Trickbetrüger“, lässt sich der Sensenmann nicht blicken. Hier ist das Ableben tatsächlich endgültig. Wollen wir keine Schweißtropfen verlieren, können wir von der voreingestellten Stufe „Glücksspieler“ einen Gang runterschalten und als „Dilettant“ die Tricks probieren. Steuerungstechnisch ist das Spiel nicht gänzlich durchdacht. Obwohl die Knöpfchensteuerung in der Regel jede Eingabe gut erkennt, fühlt sich gerade das Auswählen der richtigen Karte beim Durchblättern etwas zu umständlich an, was wertvolle Zeit kostet.

Alternativ lässt sich der Titel im Handheld-Modus über den Touchscreen der Switch spielen. Schlecht ist diese Steuerungsart zwar nicht, doch mit Analog-Stick und Aktionsknöpfen gehen die Betrügereien wesentlich leichter von der Hand, zumal wir mit unseren Händen manchmal sogar wertvolle Bildschirminformationen verdecken. Das wäre deshalb schade, da der russische Künstler Nicolai Troshinsky für die wunderbare Optik verantwortlich ist. Unterlegt wird das ansprechende Werk von orchestraler Musik, die aus der Feder von Komponist Andrea Boccadoro stammt. Durch Troshinsky und Boccadoro ergibt sich ein audiovisuelles Vergnügen, das vielen Spielen fehlt. Wer noch dazu auf der Suche nach einem innovativen Spiel ist, wird bei Card Shark definitiv fündig.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Wenn Entwicklerstudios bei Spielen eine experimentelle Idee verfolgen, geht das meiner Erfahrung nach nicht immer gut aus. Card Shark entpuppt sich als innovatives Spiel, bei dem dieses Vorgehen geglückt ist. Es erzählt die tragische Geschichte eines Burschen, der in eine Rolle hineingeworfen wird, aus der es kein Entkommen gibt. Das klingt erst einmal nach nicht viel, doch wer selbst Hand an Card Shark legt, erkennt das Dilemma des Burschen schnell. Jede Trickbetrügerei muss ich in mühsamer Kleinstarbeit durchschauen und üben. Erst dann kann ich sie in der Praxis mal mehr und mal weniger gut einsetzen und meinen Gegnern das Geld aus der Tasche ziehen. Lediglich der Umstand, dass die eigentlichen Regeln der gespielten Spiele nie erklärt werden, raubt mir die Immersion. Vergleichbare Spiele sind jedoch selten, sodass Card Shark trotz allem problemlos eine Lücke füllen kann, von denen die wenigstens wussten, dass sie überhaupt existiert. Noch dazu überzeugt mich die audiovisuelle Gestaltung des Spiels, die das Erlebnis für mich unvergessen macht. Wer Lust darauf hat, sich in kleinteilige Spielmechaniken einzuarbeiten, kommt mit Card Shark in den Genuss eines wunderbaren Geschicklichkeitsspiels mit innovativem Spieldesign, das einige Stunden lang gut unterhält.