Chocobo GP – TEST
Mit Chocobo GP erschien am 10. März ein neuer Fun-Racer rund um das bekannte und beliebte Maskottchen aus der Final-Fantasy-Reihe exklusiv für die Nintendo Switch. Der Nachfolger des 1999 für die PlayStation erschienenen Chocobo Racing muss sich auf Nintendos Hybridkonsole jedoch gegen den hauseigenen Platzhirsch Mario Kart 8 Deluxe behaupten, was gar nicht so einfach sein dürfte.
Seit seinem Debüt in Final Fantasy II auf dem NES im Jahr 1988 mauserte sich der gelbe Laufvogel Chocobo schnell zu einem beliebten Maskottchen von Square-Enix‘ langlebiger Rollenspielserie. Mittlerweile in jedem Teil der Serie präsent, bekam der niedliche Chocobo seine eigene Spin-off-Serie spendiert, die im Dezember 1997 mit dem ausschließlich in Japan erschienenen Chocobo’s Mysterious Dungeon auf der PlayStation ihr Debüt feierte und mittlerweile zwanzig Spiele in allen möglichen Genres umfasst. Das exklusiv für die Switch erschienene Chocobo GP ist ein Fun-Racer im Stil von Mario Kart und wurde von Arika entwickelt, einem japanischen Entwicklerstudio, das unter anderem die Street-Fighter-EX-Serie für Capcom und die 3D-Classics-Reihe für den Nintendo 3DS entwickelte.
Chocobo GP ist allerdings nicht der erste Ausflug des gelben Federviehs ins Fun-Racer-Genre. Bereits im Jahr 1999 schnallte sich der Chocobo die Rollschuhe unter die Klauen und düste in Chocobo Racing auf der PlayStation über diverse von der Final-Fantasy-Serie inspirierte Rennstrecken. Das Spiel heimste damals bei Kritikern eher mittelmäßige Wertungen ein und war durch seine durchschnittliche Technik höchstens für hartgesottene Final-Fantasy-Fans wie den Autor dieser Zeilen interessant. Danach wurde es lange still um die Rennspiel-Ambitionen des gelben Vogels. Zwar wurde im Jahr 2010 eine Fortsetzung für den Nintendo 3DS angekündigt, diese wurde jedoch 2013 still und leise eingestellt. Im September 2021 debütierte Chocobo GP überraschend in einer Nintendo-Direct-Ausgabe und erschien schließlich am 10. März in zwei Versionen. Neben der normalen Retail-Fassung zum Vollpreis gibt es das Spiel auch in einer kostenlosen „Lite-Version“ im Nintendo eShop. Dies weckt nicht ganz unbegründet Assoziationen zu Free-to-play-Mobile-Spielen, welche die Spieler mit In-Game-Käufen das Geld aus der Tasche ziehen, doch dazu später mehr.
Spielmodi und Fahrgefühl
Am einfachsten lässt sich Chocobo GP als Mario Kart im Final-Fantasy-Universum beschreiben. Wir wählen einen von 24 Charakteren aus der Chocobo- beziehungsweise Final-Fantasy-Serie aus und treten mit diesem gegen andere sieben Konkurrenten in ihren Gefährten auf diversen Rennstrecken an. Sobald wir das Spiel starten, werden wir im Hauptmenü von einem eingängigen, aber auf Dauer sehr nervenden Song begrüßt. Hier können wir einen der diversen Spielmodi auswählen. In „Geschichte“ spielen wir die leider recht banale und langweilige Story des Spiels nach und können die meisten der auswählbaren Charktere freispielen. In „Zeitfahren“ können wir eigene Streckenrekorde aufstellen, während wir unter dem Menüpunkt „Rennserie“ wie in Mario Kart verschiedene Grand Prix mit jeweils vier Strecken fahren können. In „Angepasstes Rennen“ können wir unsere eigenen Rennserien selbst zusammenstellen. Der Multiplayer-Modus ist lokal leider nur auf den Splitscreen für zwei Spieler ausgelegt. Online sind Rennen mit bis zu acht Spielern möglich, vorausgesetzt wir verfügen über ein gültiges Switch-Online-Abo. Dieses benötigen wir auch für den „Chocobo GP“-Modus, ein Online-Turnier mit bis zu 64 Mitspielern, das wahrscheinlich den größten Langzeitspaß des ganzen Spiels besitzt und wirklich gut gelungen ist. Hier treten immer acht Gruppen von jeweils acht Spielern gegeneinander an, wobei die jeweils ersten vier Plätze immer eine Runde weiterkommen, bis am Ende der Sieger gekürt ist.
Auf der Rennstrecke selbst geht es für einen Fun-Racer recht konventionell zu. Im Story-Modus werden wir am Anfang in einem kurzen, aber recht nervigen Tutorial, das wir leider nicht überspringen können, mit den Besonderheiten des Spiels vertraut gemacht. Wenn wir die R-Taste gedrückt halten, können wir in den Kurven driften und dabei einen Boost aufbauen, der uns beschleunigt, sobald wir die Taste loslassen. Mario Kart lässt grüßen. Die Fahrphysik ist recht ordentlich, aber das Spiel kommt bei Weitem nicht an das Fahrgefühl von Nintendos Vorzeige-Fun-Racer heran.
Final-Fantasy-Charaktere auf der Rennstrecke
Wie bereits eingangs erwähnt können wir in Chocobo GP aus insgesamt 24 Charakteren wählen. Lediglich drei der Charaktere, nämlich Chocobo, der Mogry Atla und die Weißmagierin Shirma, stehen von Anfang an zur Auswahl. Alle anderen müssen erst im Story-Modus freigespielt oder im In-Game-Shop des Spiels gekauft werden. Zu den freispielbaren Fahrern gehören neben Figuren aus der eigenen Videospielreihe des gelben Laufvogels, wie zum Beispiel Cid und der Behemoth Ben bekannte Final-Fantasy-Charaktere wie Gilgamesh, Terra aus Teil VI oder Schwarzmagier Vivi und Ritter Steiner aus Teil IX. Auch die bekannten Beschwörungsmonster Ifrit, Shiva oder Ramuh sind mit von der Partie und steigen in diverse Gefährte, um sich an den Rennen zu beteiligen.
Im Gegensatz zu der relativ großen Anzahl an unterschiedlichen Charakteren fällt die Auswahl an Rennstrecken eher mager aus. Gerade mal neun Stück stehen zur Auswahl, wobei erwähnt werden sollte, dass jede Strecke in mehreren Versionen existiert. Diese sind in „Kurz“, „Lang“, „Höchstgeschwindigkeit“ und „Technik“ aufgeteilt, was aber letztlich keinen großen Unterschied macht, denn die Varianten spielen sich dann doch sehr ähnlich.
Die Strecken basieren allesamt auf Locations aus der Final-Fantasy-Serie wie beispielsweise die verregnete Stadt Zozo aus Final Fantasy VI, der Gold Saucer aus Final Fantasy VII oder die Stadt Alexandria aus Final Fantasy IX. Obwohl die Strecken optisch zu gefallen wissen und die Stimmung aus den Vorbildern gut transportieren, sind sie vom Design her eher unspektakulär und kommen bei weitem nicht an den Abwechslungsreichtum von Mario Kart 8 Deluxe heran. Die meisten Strecken sind sogar in der „Lang“-Variante sehr kurz und nerven mit vielen Engpässen und Neunzig-Grad-Kurven, die wir aufgrund der Geschwindigkeit oft nicht bemerken und deshalb gegen Wände fahren.
Magie statt Schildkrötenpanzer
Ähnlich wie bei Mario Kart können wir auch in Chocobo GP diverse Items während des Rennens aufnehmen, um damit unseren Konkurrenten das Leben schwer zu machen. Diese sind hier allerdings Zaubersprüche und werden in Final-Fantasy-Tradition „Maginit“ (engl. „Magicite“) genannt und schweben in unterschiedlich farbigen eiförmigen Kristallen über der Rennstrecke, wobei jede Farbe ein anderes Set von Items enthält. Wir können gleichzeitig drei Maginite aufnehmen, wobei sich der Effekt verstärkt, wenn wir von einer Sorte zwei beziehungsweise drei aufnehmen, was dann wieder dem Stärkelevel der Zaubersprüche aus der Final-Fantasy-Serie entspricht. So gibt es neben den aus der Serie bekannten Zaubersprüchen wie Feuer, Eis und Blitz auch Zauber wie Todesurteil, bei dem ein Sensenmann neben dem betroffenen Fahrer erscheint und ihn nach kurzer Zeit ausknockt. Um den Sensenmann wieder loszuwerden, muss auf der Sprungtaste rumgehämmert werden. Auch interessant ist der Teleport-Zauberspruch, bei dem sich ein Portal auftut und uns einige Plätze nach vorne springen lässt. Diese Portale sind auch für andere Fahrer auf der Strecke zu sehen, Konkurrenten werden allerdings kurzerhand einige Plätze nach hinten teleportiert.
Dies sind alles sehr nette Ideen und würden sich von den üblichen bekannten Items aus Mario Kart abheben, wenn denn das allgemeine Balancing stimmen würde. Leider ist dem nicht so, und während der Rennen prasseln die Zaubersprüche von allen Seiten dermaßen auf uns ein, dass wir immer wieder von den ersten Plätzen auf den letzten Platz zurückfallen. So wird es dank des Zauber-Spams mitunter zu einem Glücksspiel, ob wir ein Rennen gewinnen. Selbst wenn wir in der letzten Runde alle Konkurrenten gefühlt meilenweit hinter uns gelassen haben, kann es sein, dass uns das Zauber-Gewitter noch auf den sechsten oder gar achten Platz zurückssetzt. Das wirkt mitunter so, als wenn wir andauernd einen blauen Schildkrötenpanzer aus Mario Kart nach dem anderen um die Ohren gehauen bekommen würden. Einzige Beruhigung ist, dass es sämtlichen Konkurrenten auch nicht anders ergeht.
Neben den Zaubersprüchen besitzt jeder Charakter noch eine ganz eigene Spezial-Attacke, die jedoch erst während der Rennen langsam aufgebaut werden und deshalb nur sehr selten zum Einsatz kommen. Rennentscheidend sind diese Fähigkeiten so gut wie nie, da der erwähnte Maginit-Spam konstant das Renngeschehen bestimmt.
Gelber Laufvogel in der Microtransaction-Hölle
Kommen wir nun aber noch zum wahrscheinlich kontroversesten „Feature“ von Chocobo GP. Das Spiel besitzt wie mehrfach erwähnt einen In-Game-Shop, in dem wir drei verschiedene Währungen dazu nutzen können, um neue Charaktere, Fahrzeuge, Musikstücke und kosmetische Upgrades zu kaufen. Lediglich eine dieser Währungen, die Tickets, bekommen wir durch das Sammeln von Kristallen während eines Rennens oder dem Abschluss von Kapiteln und Herausforderungen im Story-Modus. Mit diesen Tickets können wir wiederum eine ganze Reihe an Charakteren freischalten, denen wir zuvor im Story-Modus begegnet sind. Die aus den Final-Fantasy-Spielen bekannte Währung Gil kann lediglich in Online-Turnieren gewonnen werden, wobei diese das Gil auch nur sehr langsam abwerfen. Wollen wir nicht grinden, „dürfen“ wir mit echtem Geld einen Premium-Pass erwerben, welcher die Währung wesentlich schneller ausspuckt. Da einer der Charaktere, Squall Leonhart aus Final Fantasy VIII, nur mit dreitausend Gil gekauft werden kann, animiert dies Fans unter Umständen dazu, den Geldbeutel zu zücken. Mithril ist schließlich die dritte Währung im Spiel und kann ausschließlich mit echtem Geld erworben werden. Die Dinge, die mit dieser Währung gekauft werden, können nicht freigespielt werden. Dazu gehört auch Fan-Liebling Cloud Strife aus Final Fantasy VII, der als Teil eines Preispasses angeboten wird. Zwar bekommt man die achthundert Mithril für den Erwerb des ersten Preispasses beim ersten Einschalten des Spiels geschenkt, doch lässt dieses ganze System darauf schließen, dass dem weitere Charaktere und Strecken versteckt in Preispässen folgen werden.
Es wirkt schon unverschämt, wenn ein Spiel, das vierzig bis fünfzig Euro kostet, uns als „Begrüßung“ sofort mit einem In-Game-Shop und verschiedenen Währungen konfrontiert, wodurch wir uns unweigerlich fragen, ob wir anstatt unserer Switch nicht doch aus Versehen unser Smartphone eingeschaltet haben. Bei einem kostenlosen Download-Spiel wären diese zusätzlichen Kosten noch zu verschmerzen gewesen, bei einem Vollpreisspiel allerdings definitiv nicht. Zwar gibt es die bereits erwähnte Lite-Version von Chocobo GP, diese ist allerdings mehr eine Art Deluxe-Demoversion des Spiels, denn der Content ist sehr eingeschränkt. Lediglich die ersten drei Charaktere, und der Prolog des Story-Modus, der ja nur ein kurzes Tutorial darstellt, sind verfügbar. Online ist zumindest der Chocobo-GP-Modus spielbar, und bietet einen kleinen Einblick in das Vollpreisspiel.
Geschrieben von Markus Schoenenborn
Fazit:
Ich muss zugeben, dass mir damals Chocobo Racing auf der PlayStation durchaus Spaß gemacht hat, denn Ende der 1990er-Jahre war ich durch Final Fantasy VII und VIII voll und ganz im Final-Fantasy-Fieber. Entsprechend aufgeschlossen war ich, als ich die Ankündigung von Chocobo GP sah. Leider wurde ich dann doch sehr enttäuscht, als ich das Spiel schließlich spielen konnte. Insgesamt kann ich sagen, dass hier sehr viel Potential verschenkt wurde. Zwar ist die Präsentation charmant, die Technik ordentlich, und die Musik außer dem nervigen Titelsong dank der Final-Fantasy-Herkunft durchweg hörenswert. Insgesamt krankt das Spiel aber an der mageren Streckenauswahl, den uninspirierten Streckendesigns und dem schlechten Balancing in den Rennen, wodurch ein Sieg manchmal mehr zu einem Glücksspiel wird. Das Freischalten der unterschiedlichen Charaktere würde auch Spaß machen, wenn der Story-Modus eine interessante Story zu bieten hätte, allerdings ist auch diese eher belanglos. Vollends heruntergezogen wird Chocobo GP durch den unverschämten In-Game-Shop mit seinen drei Währungen und unübersichtlichen Bezahl-Schemata, bei dem Fans mit den Tricks von Mobile Games das Geld aus der Tasche gezogen wird. Wirklich schade um die eigentlich gute Idee eines Final-Fantasy-Fun-Racers. An die Genre-Referenz Mario Kart 8 Deluxe kommt das Spiel in keiner Weise heran und somit bleibt Nintedos Klempner unangefochten die Nummer Eins im Fun-Racer-Segment.