Crymachina – TEST

Am 24. Oktober 2023 veröffentlichte NIS America mit Crymachina ein rasantes Science-Fiction Action-Rollenspiel des japanischen Entwicklerstudios FuRyu, bei der wir eine Gruppe von jungen Mädchen in mechanischen Körpern dabei helfen sollen, in einer fernen Zukunft zu überleben. Dabei philosophieren sie über das Dasein und wir können ihnen dabei helfen, ihre Menschlichkeit zurückzuerlangen.


Kaum ein Thema wurde so oft in der Science-Fiction-Literatur behandelt wie das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Dabei geht es oft um die Verschmelzung zwischen biologischem und mechanischem Körper, dem Wunsch den alternden oder kranken Körper abzulegen und somit unsterblich zu werden. Ferner geht es auch um die Frage, was einen Menschen zum Menschen macht und wo die Grenze zwischen Mensch und Maschine ist. Auch einige Videospiele stellen sich diesen philosophischen Gedanken. Beispiele sind das im Jahr 2022 auch auf der Nintendo Switch veröffentlichte NieR: Automata oder Vanillawares 13 Sentinels: Aegis Rim. Das von NIS America veröffentlichte und von FuRyu entwickelte Action-Rollenspiel Crymachina lässt eine Gruppe von Mädchen in mechanischen Körpern über das Dasein als Mensch philosophieren. Das japanische Entwicklerstudio FuRyu zeigte sich auch für das 2019 erschienene Crystar verantwortlich, ein Rollenspiel mit einer ähnlichen visuellen Ästhetik und einer ähnlichen Hintergrundgeschichte. Zwar ist das Setting von Crystar ein ganz anderes, und auch die Charaktere sind grundverschieden, trotzdem kann man Crymachina aufgrund der ähnlichen Thematik durchaus als den spirituellen Nachfolger von Crystar ansehen.

Das Ende der Menschheit ist der Anfang

In den ersten Szenen von Crymachina erleben wir die letzten Momente unserer jungen Protagonistin mit dem markanten Namen Leben Distel. Sie erliegt in einem Krankenhaus einer höchst ansteckenden, tödlichen Krankheit mit dem Namen Centrifugal Syndrome, welche einen großen Teil der Menschheit dahinrafft und stirbt einen viel zu frühen Tod. Rund 2000 Jahre später erwacht sie jedoch mit nur wenigen Erinnerungen an ihre vergangene Existenz in einem mechanischen Körper wieder. Von der geheimnisvollen Enoa erfährt sie, dass die gesamte Menschheit mittlerweile ausgestorben ist und sie sich auf einer unvorstellbar gigantischen Struktur im Weltraum mit dem Namen Eden befindet. Bei Eden handelt es sich um eine Dyson-Sphäre, also um ein künstliches Konstrukt, das einen ganzen Stern umschließt. Auf Eden soll die Menschheit mit Hilfe von künstlichen Intelligenzen und gespeicherten Erinnerungen wiederbelebt werden. Doch leider läuft nicht alles nach Plan. Die acht Dei Ex Machina, synthetische Wesen und Aufseher des Projektes, stehen im Konflikt zueinander und agieren ihrer eigenen Logik entsprechend.

Enoa ist selbst eine dieser acht Maschinen-Götter und hat neben Leben Distel zwei weitere junge, menschliche Frauen, Mikoto Sengiku und Ami Shido wieder belebt und sie in mechanische Körper, die sogenannten E.V.E.s verpflanzt. Enoas Hoffnung ist es, dass die drei E.V.E.s ihre volle Menschlichkeit und die Kontrolle über ganz Eden und die Dei Ex Machina erlangen. Unsere Protagonistin Leben gilt dabei trotz ihrer immer wieder offen gezeigten Abneigung gegen andere Menschen, als Auserwählte mit einer besonders hohen Menschlichkeits-Affinität. Gemeinsam mit den beiden anderen E.V.Es stellt sie sich den acht Maschinen-Göttern in der Hoffnung entgegen, der Menschheit einen Neuanfang zu verschaffen.

Rasantes Gameplay in kühler Science-Fiction-Umgebung

Im Kern ist Crymachina ein Action-Adventure mit einem sehr rasanten, actionreichen Gameplay, vermengt mit einigen Rollenspiel-Elementen. Während wir anfangs nur Leben steuern können, stehen im weiteren Verlauf des Spiels auch ihre Gefährtinnen Mikoto und Ami als spielbare Charaktere zur Verfügung. Das Spiel ist strikt in „Networks“ genannte Level aufgeteilt, dazwischen führen wir in Teeparties Gespräche mit den anderen Charakteren und verbessern unsere Fähigkeiten. Die Networks sind allesamt in mehrere recht kurze Abschnitte aufgeteilt, die sehr linear, fast schlauchartig aufgebaut sind und uns durch verschiedene Areale des gigantischen Konstrukts Eden führen. Zwar gibt es an einigen Stellen ein paar Abzweigungen, die uns zu Gegenständen zum Einsammeln oder zu besonders starken optionalen Gegnern führen und ab und zu recht simple Umgebungs-Rätsel, in denen wir zum Beispiel Schalter aktivieren müssen, aber insgesamt sind die Level recht kurz und einfach aufgebaut. Innerhalb der Levels treffen wir dabei an bestimmten Punkten auf verschiedene Gegner und schließlich auf einen Mini-Boss. Abgeschlossen wird ein Network immer mit dem Kampf gegen einen besonders starken Engegner, der auch individuelle Taktiken erfordert.

Den Gegnern rücken wir dabei je nach Charakter in einem flotten Kampfsystem mit Schwert, Speer oder Axt auf den Pelz, in dem wir uns recht schnell zurecht finden. Durch die schnellen Angriffe und die gut getimten Ausweich-Manöver hat uns das Ganze auch recht viel Spaß bereitet, auch wenn unsere Combo-Optionen im Kampf etwas begrenzt ausfallen und nicht an die Präzision eines NieR: Automata herankommen. Neben den regulären Waffen hat jeder Charakter zudem „Auxilliaries“ genannte Zweitwaffen im Gepäck, die neben uns schweben. Mittels der Schultertasten aktivieren wir diese teils sehr unterschiedlichen Attacken, müssen dabei aber drauf achten, dass diese nicht überhitzen. Zudem können wir durch das Steuerkreuz auf Enoas Hilfe zurückgreifen, die uns wahlweise heilen, einen flächendeckenden Angriff ausführen oder uns in den „Awakened“-Zustand versetzen kann. In diesem erwachten Zustand können wir zeitlich begrenzt besonders starke Angriffe ausführen. Da die Unterstützung durch Enoa nur begrenzt eingesetzt werden kann, müssen wir uns gut überlegen, wann wir die KI zur Unterstützung herbeirufen wollen.

Virtuelle Tee-Parties mit philosophischen Themen

Zwischen den Missionen finden wir uns im sogenannten Imitation Garden wieder, einem virtuellen Raum, in dem wir uns nicht frei bewegen können, sondern über ein Menü die einzelnen Punkte auswählen. Hier führen wir Gespräche mit den anderen Charakteren über verschiedene Themen und erfahren so viel über die Hintergründe der einzelnen Figuren und der Welt von Crymachina. Von diesen Dialogen müssen wir einige führen, um die Story voranzubringen, während andere optional sind. Da sie aber überraschend kurz gehalten sind, lohnt es sich, die Dialog-Optionen immer auszuschöpfen, da wir neben den für die Geschichte wichtigen Informationen auch sogenannte EGO-Punkte erhalten, mit denen wir bestimmte Werte unserer E.V.E.s aufleveln können. Dies geschieht über einen anderen Menü-Punkt im Imitation Garden. Verbessern können wir dabei zum Beispiel die Anzahl der Hitpoints, die wir durch Heilung zurück erhalten, unsere Stabilität oder verschiedene andere Parameter. Die EGO-Punkte, die wir neben den Dialogen auch durch das Besiegen von Bossgegnern oder dem Zerlegen gefundener und nicht mehr verwendeter Ausrüstung erhalten, werden zudem zur Verbesserung von Enoas unterstützenden Fähigkeiten verwendet, weshalb ihre Verwendung gut überlegt sein sollte.

Neben den EGO-Punkten erhalten wir auch Genre-üblich Erfahrungspunkte, hier ExP geschrieben, mit denen wir das Level unserer Charaktere erhöhen können. Außer den Gesprächen mit den Charakteren und den Level-Up-Möglichkeiten bietet der Imitation Garden zudem ein sehr umfangreiches Archiv, in dem wir zahlreiche zusätzliche Details zu der Welt von Crymachina und verschiedenen im Spiel verwendeten Begriffen nachlesen können. Gerade letzteres ist dank der vielen im Spiel verwendeten Begriffe und dem nicht immer einfachen Science-Fiction-Jargon eine willkommene Ergänzung. Hinzu kommt, dass wir innerhalb der Levels auch zusätzlich Persönlichkeits- und Erinnerungsdaten von verschiedenen Charakteren, Nebencharakteren und sogar den Bossgegnern sammeln, die sich dann nach und nach zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen.

Saubere Technik und tolle Atmosphäre

Auf der technischen Seite weiß Crymachina auch auf der Switch zu überzeugen. Das rasante Gameplay läuft durchweg flüssig und ruckelfrei, auch wenn die Auflösung natürlich nicht so hoch ist wie bei den Versionen auf den anderen, „großen“ Konsolen oder dem PC. Lediglich die manchmal etwas sehr überempfindliche Kamera fiel uns etwas negativ auf. Insgesamt weiß auch der Stil des Spiels zu gefallen. Die kühle Science-Fiction-Umgebung von Eden bringt die unfassbar gigantischen Ausmaße des Konstrukts gut herüber, neben den tollen Ausblicken, die uns manche Levels bieten führt der Weg leider aber oft auch einfach nur durch sehr ähnlich aussehende Korridore, so dass sich hier nach einiger Zeit auch Ermüdungserscheinungen zeigen. Die Charaktermodelle sind allesamt sehr detailliert und machen auch auf der Switch eine gute Figur. Die Musikuntermalung ist durchweg stimmig, wenngleich auch nicht wirklich herausragend.

Wer Interesse an Crymachina hat, der sollte jedoch gute Englisch-Kenntnisse mitbringen, deutsche Texte gibt es nämlich keine, was aber aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Crymachina um ein Nischenspiel für eine bestimmte Zielgruppe handelt zwar schade, aber durchaus verständlich ist. Die Sprachausgabe ist auf Japanisch, und weiß durchgehend zu überzeugen. Für unentschlossene Interessierte ist im eShop eine kostenlose Demo verfügbar, in der die ersten paar Level des Spiels ausprobiert werden können.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Während der 15 bis 20 Stunden Spielzeit wurde ich von Crymachina ganz gut unterhalten, was vor allem an der wendungsreichen Geschichte liegt. Diese ist zwar aufgrund ihres ausufernden Science-Fiction-Jargons manchmal etwas konfus geraten und vielleicht etwas zu gewollt philosophisch, aber die Handlung und die Charaktere sind definitiv die Stärke des Action-Adventures. So wuchsen mir die Charaktere im Laufe der Geschichte richtig ans Herz und ich wollte wissen, wie es mit Leben, Mikoto und Ami weitergeht. Leider kann das stimmige Science-Fiction-Gerüst nicht über Gameplay-Schwächen hinwegtäuschen, denn die Level-Struktur ist dann doch etwas monoton und das Kampfsystem, so rasant und spaßig es auch ist, kann nicht mit Genre-Größen wie NieR Automata mithalten. Crymachina ist sicher kein Spiel für die breite Masse, sondern richtet sich an ein ganz spezielles Publikum, das über die Defizite des Spiels hinwegsehen kann. Insgesamt ist Crymachina ein solides Action-Adventure mit einer durchaus faszinierenden Geschichte, das sich interessierte Genre-Fans durchaus einmal ansehen können.