Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition – TEST

Eine Geschichte, so umfangreich wie tiefgründig, so überraschend wie selbstbestimmt, so variantenreich wie mitreißend, bildet das Kernstück von Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition. Das herausragende isometrische Rollenspiel findet seinen Weg auf die Switch und weiß auch da zu überzeugen.


Zu Beginn jedes Rollenspiels steht die Charakterauswahl, hier ist auch Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition keine Ausnahme. Bevor wir uns der Auswahl eines Helden oder eine Heldin machen, entscheiden wir uns jedoch für eine Schwierigkeitsstufe und damit zusammenhängende Spielerfahrung. Hier werden uns fünf Varianten geboten, die vom Storymodus ohne nennenswerte Herausforderungen bis zum ehrenvollen Taktik-Modus reichen, einem Modus mit besonders starken Gegnern.


Einer von sechs oder frei erfunden

Entweder entscheiden wir uns für einen der sechs mit Hintergrundinformationen und besonderen Geschichten bestückten vorgefertigten Helden oder für eine völlig neu gestaltete Figur. Hierfür stehen uns jeweils vierzehn Klassen mit variablen Zauber- und körperlichen Fähigkeiten zur Verfügung. Sollten wir uns doch für einen benutzerdefinierten Charakter entscheiden, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Dutzende Talente und sogenannte Kennzeichen, die uns jeweils besondere Boni gewähren, lassen sich ebenso wählen wie sogar das Haupt-Instrument für unsere Kampfmusik. Für den Anfang ist eine der sechs vorgeschlagenen Optionen die bessere Wahl, denn beim Erstellen lassen sich Fehler machen, die zu unausgewogenen Charakteren mit deutlichen Mängeln führen.


Fertigkeiten und Aussehen können wir auch ignorieren

Für benutzerdefinierte Charaktere stehen die vier Rassen Mensch, Elf, Zwerg oder Echse zur Verfügung, jeweils als lebendige oder untote Variante in den Geschlechtsoptionen Mann oder Frau. Jeweils lassen sich das Gesicht, die Frisur, die Hautfarbe, Haarfarbe und sogar die Stimme anpassen. Hier will gut überlegt sein, was wir nehmen, denn da das Spiel in der isometrischen Ansicht dargestellt wird, blicken wir viel auf unseren Hauptcharakter. Am meisten Einfluss hat die Wahl der Fertigkeiten und Fähigkeiten, bei denen wir einzelne Werte für verschiedene Fähigkeiten einzeln anpassen können. Doch das können wir uns mit einem vorgefertigten sogenannten Herkunftscharakter alles sparen und einfach die Standard-Einstellungen verwenden.

Divinity: Original Sin 2 zieht uns direkt nach der Charakterauswahl mit einer Video-Einleitung und einer Tutorial-Mission in seinen Bann. Hier lernen wir unter Deck eines Schiffes die Grundlagen für die Steuerung und die Bewegung, das Inventar und den rundenbasierten Kampf. Alles geht leicht von der Hand und lässt sich mit dem Controller über verschiedene Radialmenüs leicht steuern, obgleich das Spiel ursprünglich für eine Steuerung auf dem PC mit Maus und voller Tastatur ausgelegt war. Verschiedene Aspekte scheinen hier besonders durchdacht. So erreichen wir die Schnellspeichern-Funktion schnell als erste Option des Spielmenüs, das wir über die Plus-Taste jederzeit öffnen können.


Spielleiter und Spieler erzählen sich etwas

Was ein Rollenspiel ausmacht, das wir mit Freunden mit Stift und Papier am Tisch spielen, ist die Erzählung eines Spielleiters. Eine Spielleiter-Option wie im PC-Original suchen wir in der Switch-Portierung von Divinity: Original Sin 2 zwar vergebens, aber das Spielgefühl als Spieler in einer Rollenspielrunde wurde sehr gut umgesetzt. Wir fühlen uns mit den Dialogoptionen sehr wohl, denn wir finden unsere Auswahl mit einem Hinweis versehen, warum wir diese Option nun zur Verfügung haben. Wenn wir Gelehrte sind, wissen wir andere Dinge als wenn wir einen bestimmten Charakter haben oder eine bestimmte Klasse. Das gibt uns Hintergrundwissen über die Dialoge und erleichtert uns die Auswahl.

Was uns bei Divinity: Original Sin 2 als Spieler zudem geboten wird, ist die Sprache. Sämtliche Dialoge und etliche andere Texte sind englisch vollvertont, und zwar von geübten Sprechern, die den Charakteren einzigartige Persönlichkeiten verleihen. Besonders gut gelungen ist der aus Spielen wie Witcher oder Trine bekannte Erzähler, der feine Nuancen erreicht, die sich in Videospielen einfach nur schwerlich darstellen lassen. „Dein Gegenüber starrt dich finster an, doch sein Blick hellt kurz auf, bevor er sich demonstrativ umdreht“ beispielsweise wäre nur über sehr ausgefeilte Mimik und Gestik darzustellen: Die Erzählung wirkt hier wahre Wunder und gibt dem Spiel erheblich mehr Lebendigkeit und Tiefe als eine einfache Darstellung der Ereignisse. Sämtliche Texte sind in Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Russisch oder Chinesisch zu haben.

Wichtige Entscheidungen überall

Was den besonderen Reiz von Divinity: Original Sin 2 ausmacht, ist der variantenreiche Tiefgang jeder einzelnen Wahlmöglichkeit, die wir haben. Von den verschiedenen Gesprächsoptionen aus entscheiden wir uns für oder gegen einzelne Charaktere, finden neue Questreihen und Aufgaben oder stoßen unser Gegenüber vor den Kopf, um uns von ihm abzuwenden und dadurch andere Möglichkeiten zu bekommen. Jede Entscheidung hat eine Auswirkung, die sich so relevant anfühlt wie die Alternativen, denn das Spiel ist sehr umfangreich entwickelt worden. Etliche Möglichkeiten, die uns in den Kopf kommen, sind machbar und führen zu etwas, jedes Gespräch scheint einen Wert zu haben und uns weiterzubringen.

Gleiches gilt auch für die Physik in den Kämpfen, denn wenn wir erst ein Ölfass auskippen und dann einen Flammenzauber verwenden, steht kurze Zeit später der gesamte Kampfschauplatz in Flammen und wir haben eine andere Möglichkeit, unsere Gegner zu überwältigen. Wenn wir uns vornehmen, den feindlichen Magier direkt zwischen unsere Nahkämpfer zu teleportieren, damit er keinen weiteren Schaden anrichten kann, ist das ebenso möglich wie unsere Nahkämpfer zu ihm zu zaubern. Der Teamgedanke ist bei Divinity: Original Sin 2 recht relevant, denn wir können bis zu vier Personen in unserer Abenteurergruppe haben, eine davon unser erstellter Charakter.

Da es sechs mit Hintergrundgeschichten und eigener Agenda bestückte Helden gibt, einen Zwerg, einen Untoten, zwei Menschen, eine Echse und eine Elfe, müssen wir das Spiel zwangsweise mindestens zwei Mal spielen, um alles zu sehen. Hierbei ist garantiert, dass beide Spielabläufe sich zwar grundlegend ähnlich sind, aber in beinahe allen Nuancen unterscheiden, da unsere Entscheidungen jeweils völlig andere Ereignisse bewirken.

Atmosphäre und Welt

Was wäre ein Rollenspiel ohne Atmosphäre? Über die Sprache leistet Divinity: Original Sin 2 schon einen sehr großen Beitrag dazu, aber auch der orchestrale Soundtrack kann sich hören lassen. Die Wahl zwischen vier favorisierten Instrumente für unsere Kampfmusik ist nahezu zu dekadent, um hier auch noch enthalten zu sein, doch ist sie es. Grafisch macht das Spiel eine gute Figur. Während die Auflösung zwar nicht die beste ist, funktioniert die Darstellung jedoch gut genug für alle relevanten Elemente. Wenn wir etwas nicht genau erkennen können, ist es auch nicht nötig. Dinge in der Umgebung lassen sich beispielsweise über einen langen Druck auf A finden und werden übersichtlich aufgelistet, wir müssen also nicht nach Pixeln suchen.


Bei der Umsetzung für die einzige mobile Konsole, auf der Divinity: Original Sin 2 läuft, wurde ein Punkt beachtet, der in anderen aktuellen Spielen teils deutlich zu kurz kommt: Die Schriftgröße ist sowohl in der Handheld-Variante als auch im TV-Modus so groß, dass niemand eine Lupe oder gute Augen braucht, um alles entziffern zu können. Hier können sich auch Nintendos Eigenproduktionen (Wir meinen dich, Fire Emblem Three Houses!) eine gehörige Scheibe von abschneiden.

Da wir manchmal nicht allein Abenteuer erleben wollen, können wir uns entweder online oder mit anderen Switches lokal zu einer Gruppe zusammenschließen, um gemeinsam die Abenteuer zu erleben. Ein lokaler Splitscreen-Modus wie auf den anderen Konsolen fehlt auf der Switch leider, ebenso, wie bereits erwähnt, der umfangreiche Spielleiter-Modus. Was Divinity: Original Sin 2 jedoch bietet, ist die Möglichkeit, Speicherstände von einem Steam-Account zu übernehmen und so oft die Plattform zu wechseln, wie wir mögen. Chapeau, die Funktion hätten wir gern in vielen weiteren Spielen.

Geschrieben von Arne Ruddat

Fazit:

 

Ist Divinity: Original Sin 2 das beste Rollenspiel aller Zeiten? Höchstwahrscheinlich. Verliert die Switch-Fassung gegenüber den anderen Plattformen an Reiz? Nein, denn was die Grafik an Abstrichen hat, macht die Portabilität wieder wett. Besonders macht das Spiel die Tatsache, dass es keine langweiligen Passagen gibt. Alle Momente in Divinity: Original Sin 2 haben mir Freude gemacht und mich glauben lassen, dass ich tatsächlich gerade in dieser Welt unterwegs bin, um wichtige Fragen zu klären und anderen auf die Schliche zu kommen, Bösewichte aus dem Verkehr zu ziehen, oder dass ich wirklich gerade etwas Neues gelernt habe. Für mich gibt es kein besseres Videospiel, um mich wie in einer echten Rollenspielrunde mit Freunden zu fühlen als dieses. Oh, und hab ich erwähnt, dass es noch weitere Inhalte kostenfrei geben wird? Wird es, und die ändern das Spielprinzip mit Cheats oder Mods zum Teil gehörig.