Everdark Tower – TEST

Mit Everdark Tower hat der traditionsorientierte Publisher Kemco binnen kürzester Zeit das zweite Rollenspiel veröffentlicht, das für den japanischen Konzern untypisch ganz ohne Mikrotransaktionen auskommt. Stattdessen hapert es gehörig an Umfang und Wiederverwertung.

 

 


Everdark Tower erzählt die Geschichte des Abenteurers Albus, der sich zu Beginn des Spiels auf der Reise zur mysteriösen Insel Safaran befindet. Dort soll er Antworten auf seinen Traum von einem hübschen Mädchen und einem ominösen Uhrturm finden. Nach und nach schließen sich dem jungen Krieger die Leuchtturmwärterin Sarah, der Uhrmacher Collins und der Zeitreisende Reno an. Bis zum kurzweiligen Abspann wird die Geschichte stringent erzählt, bietet aber trotz des äußerst interessanten Szenarios rund um eine nicht enden wollende Nacht und den titelgebenden Turm nur sehr wenige Überraschungen.

Hier verschenkt das für den Titel zuständige Entwicklerstudio Hit-Point unglaublich viel Potenzial, zumal das Abenteuer mit circa zwei Stunden noch ein wenig knapper ausfällt als beispielsweise Archlion Saga. Beim Vergleich beider Spiele fällt jedoch auf, dass die Handlung in Everdark Tower deutlich besser erzählt wird und sich nicht ganz so sehr in zusammenhanglosen Nichtigkeiten verliert. Dennoch wären unserer Meinung nach ein bis zwei zusätzliche Spielstunden wünschenswert gewesen, damit die Charakterentwicklung glaubhafter und nicht ganz so sprunghaft gewesen wäre. Insbesondere in den letzten beiden Kapiteln kommen die Dialoge vor allem innerhalb der Gruppe viel zu kurz, sodass die vier Helden unterm Strich sehr, sehr blass bleiben.

Kurzweiliges Abenteuer

Frei erkundbar ist die Spielwelt von Everdark Tower übrigens nicht. So erkunden wir aus der leicht versetzten Vogelperspektive lediglich zwei Städte, in denen wir mit den Bewohnern Gespräche über die in Finsternis getränkte Spielwelt führen. Daneben gibt es auch nur zwei Dungeons, die ähnlich wie in Final Fantasy XIII recht schlauchförmig aufgebaut sind. Immerhin lockern hier und da ein paar Schalterrätsel das Geschehen auf, die jedoch weitgehend nicht sonderlich knifflig ausfallen. Alle paar Schritte bekommen wir es per Zufallsbegegnungen mit gefräßigen Monstern zu tun, die uns an den Kragen wollen. Hier wechselt das Geschehen in einen separaten Kampfbildschirm, in dem wir unsere Gruppe befehligen können.

Anstatt jedoch jedem einzelnen Charakter eine Aufgabe zuzuteilen, agieren unsere Helden im Kollektiv mit einer einzigen Aktion. Das heißt, dass sowohl die Angriffs- als auch die Verteidigungswerte aller Kampfteilnehmer auf beiden Seiten zusammengerechnet werden. Dementsprechend teilen sich die Helden und auch die Monster jeweils einen Lebensenergiebalken. In unseren Augen ist das zwar nicht besonders logisch, doch der vereinfachte Spielaufbau ermöglicht es vor allem Anfängern und Einsteigern im Rollenspielgenre recht einfach sämtliche Mechaniken zu verinnerlichen. Experten und Profis werden darüber aber nur müde lächeln.

Unnötige Wiederverwertung

In allen weiteren Belangen spielt sich Everdark Tower aber nicht viel anders als herkömmliche Titel des Genres. So erhalten unsere Charaktere durch das Besiegen von Monstern Erfahrungspunkte, womit sie wiederum stärker werden. Mit den in den Kämpfen erbeuteten Goldmünzen können wir wiederum bei Händlern neue Waffen und Rüstungen erwerben, damit wir anschließend gegen immer mächtiger werdende Feinde gefeit sind. Optisch erinnert das Spiel an eine Mischung aus verschiedenen Game-Boy- und Super-Nintendo-Rollenspielen, weshalb vor allem Nostalgiker und Retro-Fans hier auf ihre Kosten kommen.

Kemco hat es sich dabei aber etwas zu leicht gemacht, denn die meisten Charaktermodelle und Umgebungsgrafiken kennen wir schon aus Archlion Saga. Selbiges gilt im Übrigen auch für den Soundtrack, von dem einige Stücke eins zu eins aus eben jenem Spiel übernommen wurden. Auch wenn es keine Premiumwährung im eigentlichen Sinne gibt, so existieren wie in Archlion Saga erneut die großzügig in der Spielwelt verteilten Sterne. Mit denen können nicht nur Türen und Truhen geöffnet werden, sondern auch kritische Treffer im Kampf oder eine Wiederbelebung der Helden erkauft werden. Letzteres ist aber nur selten nötig, sodass die Sterne keinesfalls spielentscheidend sind. Am Ende bleibt so ein kurzweiliges Abenteuer, mit denen aber vermutlich nur Anfänger, Rollenspiel-Neulinge und beinharte Kemco-Fans ihren Spaß haben werden.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Everdark Tower ist in meinen Augen nichts weiter als eine schablonartige Alternative zu Archlion Saga, in der ebenfalls viel Potenzial zu spüren ist, das aber kaum von den Entwicklern genutzt wurde. Zwar ist die Geschichte dank der etwas stringenteren Erzählweise für mich greifbarer und die Charaktere auch ein wenig ausgetüftelter, doch überraschende Handlungswendungen und dergleichen suche ich vergebens. Kemco bietet hier mehr vom gleichen – und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Grafikbausteine und sogar komplette Musikstücke aus dem Soundtrack von Archlion Saga wurden in Everdark Tower frech wiederverwertet. Bei der sehr, sehr kurzen Spielzeit von circa zwei Stunden fällt das natürlich umso mehr negativ ins Gewicht. An Profis richtet sich das Spiel übrigens nicht, doch wer ins Rollenspielgenre hineinschnuppern will, kann meiner Meinung nach gerne ins kurzweilige Abenteuer stürzen. Alle anderen sehen sich nach deutlich besseren Alternativen um, die ebenso viel Retro-Charme besitzen!