Forgotton Anne – TEST

Als Hüterin Anne tauchen wir in Forgotton Anne in eine Welt ein, die von verlorenen und vergessenen Gegenständen bewohnt wird und begeben uns auf die Suche nach Rebellen. Die Geschichte unserer Reise ist sowohl faszinierend als auch wendungsreich und macht das Zeichentrick-Abenteuer zu einem lohnenden Erlebnis.


Was geschieht mit verlorenen und vergessenen Gegenständen? In Forgotton Anne landen sie in einer anderen Welt. Dort leben sie in einer verfallenen Stadt unter der Herrschaft des Menschen Bonku, die ihre besten Tage längst hinter sich hat und von dauerhaftem Regen geplagt ist. Bonkus Ziel ist es eine Brücke zu bauen, die die Rückkehr in den Äther, wie die Menschenwelt genannt wird, zu ermöglichen. Unablässig arbeiten einige der sogenannten Vergessenen in der Fabrik an der Fertigstellung der Brückenteile. Allerdings sind nicht alle mit Bonkus hartem Regime einverstanden und so hat sich eine Rebellion gebildet. Als einige Rebellen mehrere Anschläge verüben, brechen wir als Bonkus Schülerin Anne vom Turm, in dem beide leben, auf, um die Täter zu finden und festzunehmen. Der Beginn einer emotionalen, spannenden und wendungsreichen Geschichte, die wir mit unserer Spielweise und unseren Entscheidungen beeinflussen.

Stimmig erzählt

Die Geschichte, die bei den NMag Awards 2018 in der Kategorie Beste Story gewonnen hat, ist das Kernstück und eine der größten Stärken des Jump-’n’-Run-Adventures des dänischen Entwicklers ThroughLine Games. Forgotton Anne trumpft mit einer lebendigen Welt und interessanten Charakteren auf und zeigt viel Tiefgang, wenn es um die Handlung geht. Angst vor dem Vergessenwerden, der Tod, der Sinn des Lebens und das Dasein in einer ungeliebten Welt sind nur einige der Themen, die uns im Laufe des Spiels nachdenklich gestimmt haben. Dabei überzeugt das Adventure mit einigen Wendungen und Figuren, die sich im Laufe der Geschichte wandeln. Besonders auf Anne, die gleichzeitig einer der stärksten Charaktere des Spiels ist, trifft das zu. Als Hüterin und damit als eine der Herrschenden bekannt und gleichermaßen gefürchtet, verehrt und gehasst, beginnt sie ihre Reise und schnell finden wir heraus, dass Anne die Welt, die wir erkunden, kaum besser kennt, als wir selbst.

Im Laufe der Geschichte treffen wir an manchen Stellen Entscheidungen und beeinflussen mit unserem Handeln den weiteren Verlauf der Ereignisse. So gilt es beispielsweise an einem Bahnhof zu entscheiden, welchem von zwei Mitarbeitern wir vertrauen und wer von beiden der Rebellen-Unterstützer ist. Ähnliche Situationen begegnen uns im Laufe der etwa sieben bis neun Stunden dauernden Spielzeit immer wieder. Genauso werden wir mit den Folgen unserer Entscheidungen konfrontiert, die schließlich sogar Einfluss auf das Ende haben.

Jump ’n’ Run trifft auf Puzzler

Beim Gameplay fällt Forgotton Anne eher simpel aus. Verpackt in eine schöne Comic-Anime-Grafik durchstreifen wir als Anne in 2D-Sicht die verschiedenen Abschnitte der Stadt. Angefangen beim Turm, kommen wir etwa zum Bahnhof oder in ein Theater. Trotz der aufgrund der Welt eher tristen Umgebungen, ist alles stimmig und abwechslungsreich gestaltet und perfekt zur Atmosphäre passend umgesetzt. Spielerisch setzt sich Forgotton Anne aus zwei Elementen zusammen und vereint Jump-’n’-Run-Einlagen mit Rätseln. Wirklich kompliziert oder schwer wird das zu keiner Zeit. Gerade die Geschicklichkeitseinlagen verdienen diese Bezeichnung oft gar nicht, da sie eher simpel ausfallen und wir nicht sterben können. Stattdessen heißt es bei einem gescheiterten Sprung lediglich noch einmal ein kleines Stück zurücklaufen oder den Sprung neu anzusetzen. Unterstützend können wir dabei auf unsere mechanischen Flügel zurückgreifen, die uns höhere und weitere Sprünge erlauben. Trotzdem fügt sich das gut ein und geht Hand in Hand mit den gut eingebundenen, wenn auch nur wenig abwechslungsreichen Puzzles.

Neben Schalterrätseln, die sich im Grunde selbst erklären und lediglich erfordern, dass wir – wie sollte es auch anders sein – Schalter richtig einstellen, basieren die Knobelaufgaben lediglich noch auf der Anima genannten Lebensenergie und unserem Arca. Dabei handelt es sich um einen Handschuh, der es Anne ermöglicht, Anima zu speichern. Mehr als eine Ladung ist jedoch nicht möglich, weshalb diese immer gut eingesetzt werden will, aber auch jederzeit wieder eingesaugt werden kann. Auf diese Weise versorgen wir Abschnitte wieder mit Energie, um etwa Schalter zu aktiveren oder Tore zu öffnen. Wichtig ist aber, dass wir erst einmal Anima benötigen. Sowohl für die Rätsel als auch für unsere Flügel. Nicht immer ist sofort ersichtlich, woher wir die wichtige Energie bekommen. Obwohl entsprechende Kanister immer wieder zu finden sind, gilt das nicht für das ganze Spiel.

Gut oder Böse

Da Anima der Lebensenergie entspricht, können wir es uns auch einfach machen und die Vergessenen in unserer Umgebung aussaugen. Damit töten wir diese allerdings, was wiederum unseren Spielstil verändert und Einfluss auf die Handlung hat. Hier schließt sich dann auch der Kreis zur Geschichte, da das Gameplay klar Einfluss auf diese nehmen kann und die Art, wie wir spielen, schließlich den Ausgang von Annes Abenteuer mitbestimmt. Das bringt Spannung mit sich und regt trotz des linearen Verlaufs zu einem weiteren Durchgang an. Als weitere Motivation winken Sammelgegenstände, die Anne in ihrem Tagebuch, in dem sie auch alle wichtigen Story-Ereignisse niederschreibt, kommentiert. Das zeigt wie liebevoll die Details in Forgotton Anne sein können.

Ähnliches gilt für die bereits erwähnte schöne Comic-Anime-Grafik. Egal ob die Animationsfilm-Zwischensequenzen oder das Gameplay, Forgotton Anne wartet immer mit einer stimmigen Optik auf und versteht es, das Geschehen in schicker, wenn auch einfacher Grafik umzusetzen. Einige Animationen mögen nicht ganz flüssig sein, das passt aber gut zum Stil des Spiels und unterstreicht das Zeichentrick-Gefühl von Forgotton Anne. In den stärksten Momenten fühlt sich das Jump-’n’-Run-Adventure tatsächlich wie ein spielbarer Zeichentrickfilm oder Anime an. Unterstützt wird diese hervorragende Atmosphäre von guten englischen Sprechern, gelungenen deutschen Texten sowie einem mitreißenden, stets passenden Soundtrack, den wir uns gerne auch außerhalb des Spiels anhören.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

 

Forgotton Anne hat mich schnell für sich gewonnen. Die Geschichte versteht es mitzureißen und schafft es mit Wendungen, stimmungsvoller Atmosphäre, gut geschriebenen Dialogen und interessanten Charakteren zu begeistern. Besonders Anne als Hauptfigur, aber auch so mancher Nebencharakter hat mir gefallen. Dazu kommt die hervorragende Zeichentrick-Anime-Atmosphäre, die von der schicken Comic-Grafik und dem stimmungsvollen Soundtrack unterstrichen wird. Da verzeihe ich es gerne, dass das Gameplay eher einfach ausfällt und trotz Jump-’n’-Run- und Adventure-Elemente wenig Herausforderung bietet. Immerhin haben Spielstil und Entscheidungen Einfluss auf den Verlauf der emotionalen, spannenden Geschichte, die ganz klar die größte Stärke von Forgotton Anne ist.