Hotline Miami Collection – TEST

Vor Jahrzehnten ging immer dann, wenn ein Videospiel die Grenzen bekannter Gewaltdarstellungen überschritt, ein Aufschrei quer durch die Medien. Im Jahr 2019 scheinen derlei Szenarien nahezu ausgestorben – so auch bei der mörderischen Hotline Miami Collection.

 

 


Ursprünglich wurden Hotline Miami und Hotline Miami 2: Wrong Number bereits in den Jahren 2012 und 2015 erstmals veröffentlicht. Gebündelt haben die beiden Spiele im August 2019 auch den Sprung in den eShop der Nintendo Switch geschafft, wo sie mit ihrem recht einzigartigen Gameplay und dutzenden Schockmomenten für offene Münder sorgen wollen. Im ersten Teil der Reihe schlüpfen wir unter anderem in die Rolle eines rätselhaften Mannes, der aus ominösen Gründen zum Auftragsmörder wurde. So erhalten wir vor jeder Mission einen mysteriösen Telefonanruf, der uns im Miami des Jahres 1989 zum nächsten Ort des Geschehens lotst. Eine offene Spielwelt wie beispielsweise im optisch recht ähnlich aufgebauten Grand Theft Auto 2 gibt es nicht – stattdessen ist der Sprung in den Wagen mit Flügeltüren zugleich der Übergang zum nächsten Level.

Aufgeteilt ist die kryptische Handlung in 19 Kapitel, in denen wir bruchstückhaft Einzelheiten über den Protagonisten, seinen Auftraggeber und seine Gegenspieler erfahren. Wer am Ende nicht nur das Gameplay, sondern auch die Geschichte genossen haben will, sollte also stets auch auf die kleinsten Details achten. Sonderlich gut ist das Storytelling in Hotline Miami zwar nicht, doch da im Spiel die Grenzen zwischen Realität und Einbildung mit ansteigender Spielzeit immer mehr verschwimmen, fällt das auch trotz des Fokus aufs Gameplay nicht sonderlich negativ ins Gewicht.

Stilistische Verherrlichung ungeheurer Gräueltaten

Im Großen und Ganzen dreht sich das Spiel um die Morde, die uns am Anfang eines Kapitels als Aufträge vermittelt werden. Am Ort des Geschehens angekommen, müssen wir mit dem Protagonisten aus der Vogelperspektive in ein Haus eindringen und Jagd auf seine Opfer machen. Je geschickter wir uns dabei anstellen, desto mehr Punkte erhalten wir für den Mord. Beispielsweise erhalten wir mehr Punkte, wenn wir einen der unzähligen charakterlosen Gegner überraschen, indem wir eine Tür auftreten, damit wir das direkt dahinter befindende Opfer kurzzeitig lähmen und anschließend mit einem Baseballschläger den Schädel einschlagen oder mit einem Messer die Kehle aufschlitzen.

Auch wenn der Grafikstil mit seinem 16-Bit-Look nicht so detailliert wie andere Spiele der 2010er-Jahre ausfällt, wird das makabere Geschehen mit reichlich roter Suppe stilisiert und akustisch mit Soundeffekten mehr als treffend unterlegt. Hier wird Gewalt verherrlicht, was zwanzig Jahre vor der Erstveröffentlichung undenkbar gewesen wäre. Wer einen schwachen Magen hat, wird trotz des Retro-Grafikstils nicht sehr viel Freude mit Hotline Miami haben. Als simpler Abmurkssimulator darf der Titel aber auch nicht verstanden werden, denn reines Drauflosrennen und als Serienkiller den Level beenden, funktioniert nur in den wenigsten Fällen. Das liegt daran, dass wir nur über einen einzigen Lebenspunkt verfügen und somit schnell ins Gras beißen. Immer und immer wieder.

Lautlose und auf Krawall gebürstete Killer

Damit wir in Hotline Miami vorankommen, ist es nötig, die Bewegungsmuster unserer Opfer zu verinnerlichen. Ansonsten kann es schnell vorkommen, dass uns ein Gegner entdeckt und uns hinterrücks mit seiner Schrotflinte aufs Korn nimmt. Wie in Stealth-Spielen gilt es, am besten lautlos vorzugehen und mit einem Plan durchs Level zu gelangen. Um weit entfernte Feinde auszuschalten, dürfen wir Waffen auch werfen. Sehen wir dennoch keinen Ausweg, können wir auch erledigten Gegnern ihre Maschinengewehre abnehmen und mit der etwas hakeligen Twin-Stick-Shooter-Steuerung wild um uns schießen – dies alarmiert jedoch die sich in der Nähe befindlichen Gegner und verrät ihnen unseren Aufenthaltsort.

Andersherum gilt das leider nicht: Das Ohr unserer Feinde scheint dermaßen gut geschult, dass sie problemlos heraushören können, wer den Schuss abgegeben hat. Noch seltener denken sie in dieser Situation sogar daran, ihre Kollegen zu unterstützen. Dumm wie Brot sind unsere Widersacher jedoch nicht, denn bei ihren Patrouillengängen sind sie überaus wachsam und verfolgen uns bei Blickkontakt gnadenlos. Attackieren uns übrigens mehr als zwei Gegner, haben wir so gut wie keine Chance. Insbesondere im Kugelhagel ist der vorzeitige Tod unserer Spielfigur sicher, was zu sehr, sehr vielen Frustmomenten führen kann. Immerhin ist der letzte Kontrollpunkt am Anfang der Haus-Etage nach dem Bildschirmtod auf Knopfdruck sofort geladen.

Auf frischer Tat ertappt

Aufgrund des teils mühseligen Versuch-und-Irrtum-Prinzips entwickelt sich ein zugleich repetitiver als auch ein leichter motivierender Spielfluss, die bestmögliche Route durchs Level zu finden. Dies fühlt sich nach wenigen Sekunden nach einem munteren Puzzle-Spiel an, in dem wir uns fragen, mit welcher Waffe und vor allem in welcher Reihenfolge wir unsere Opfer am besten töten sollten. Stumpf ist etwas anderes! Hinzu kommen freischaltbare Masken, die unseren Charakter mit zusätzlichen Boni ausstatten. Hotline Miami 2: Wrong Number hebt sich übrigens in dieser Disziplin kaum von seinem Vorgänger ab: So haben die Spielfiguren ebenfalls leicht verschiedene Talente, der Spielfluss ist weitgehend nach wie vor vorhanden und die Geschichte hüllt sich ebenso in Geheimniskrämerei.

Hier wird also lediglich mehr vom Gleichen geboten, wobei vor allem die akustische Untermalung das semi-hektische Spielgefühl wunderbar begleitet. Einen Mehrspielermodus im eigentlichen Sinne bieten beide Titel zwar nicht, doch dafür ein Online-Ranking, wo wir unsere Punktzahl mit denen unserer Freunde oder unbekannten Spielern vergleichen dürfen. Frei von Bugs ist die Hotline Miami Collection übrigens nicht. Neben einem verzeihbaren Spielabsturz fällt uns vor allem das häufige Verschwinden des Fadenkreuzes auf, was den Titel in jenen Momenten unspielbar macht. Hier sollten die Entwickler unbedingt einen Patch nachliefern, damit wir den Controller respektive unsere Konsole nicht noch aufgrund unnötiger Frustmomente beiseitelegen wollen.

Geschrieben von Eric Ebelt

 

Fazit:

In den 1990er- und auch in den frühen 2000er-Jahren wäre die Hotline Miami Collection in Deutschland undenkbar gewesen und sicherlich schnell auf dem Index gelandet oder gar beschlagnahmt worden. Sonderlich gestört hätte es mich im Übrigen nicht, da ich schon nach wenigen Spielstunden genug von Hotline Miami und seinem Nachfolger habe. Dabei rege ich mich gar nicht über die explizite Gewaltdarstellung auf, die zum Spiel tatsächlich wie die Butter aufs Brot gehört, sondern dass das Gameplay unglaublich monoton ist. Auch wenn es Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit sowie verschiedene Waffen- und Gegnertypen gibt, hilft all das nichts, wenn ich andauernd dieselben Abläufe wiederhole, nur um an derselben Stelle zu scheitern. Auf Dauer ist das in Kombination mit dem Bug, dass das Fadenkreuz verschwindet, einfach viel zu frustrierend. Optionale Schwierigkeitsgrade hätten hier tatsächlich Wunder bewirkt. Dies soll aber nicht heißen, dass es sich hierbei um ein schlechtes Spiel handelt – im Gegenteil! Wer frustresistent ist, den Willen zum Überstehen der repetitiven Spielabläufe hat und reichlich Sitzfleisch mitbringt, wird an der Hotline Miami Collection sicherlich seine wahre Freude haben – und sei es nur aufgrund des gelungenen und spielflussfördernden Soundtracks.