Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered – TEST
Remaster von betagten Klassikern sind aus dem Videospielmarkt nicht mehr wegzudenken. Vor allem die späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren haben es Entwicklerstudios in gewisser Weise angetan. Aus dieser Zeit stammen auch die beiden in Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered enthaltenen Titel.
1996 erschien das von Silicon Knights entwickelte Blood Omen: Legacy of Kain für Sonys PlayStation und ein Jahr später auch für den PC. Die Entwickler erschufen eine erwachsene Spielwelt, in der sich der frisch zum Vampir verwandelte Kain an seinen Mördern rächen und seinen Vampirfluch brechen will. Dass Kain allerdings Gefallen an seinem neuen Vampirdasein gefunden hat, erfahren wir spätestens in der Introsequenz von Legacy of Kain: Soul Reaver von 1999. Die nach einem Rechtsstreit mit Silicon Knights nun von Crystal Dynamics stammende Fortsetzung führt die Geschichte um Kain fort, wechselt jedoch die Perspektive.
So schlüpfen wir diesmal nicht in die Haut des zum Antagonisten gewordenen Kain, sondern in dessen Vampirschöpfung Raziel. Bei Raziel hat jedoch noch vor Kain die nächste Metamorphose angesetzt, was Kain als Bedrohung ansieht. So lässt er ihn in einen magischen Strudel werfen, wo er bis ans Ende der Zeit Höllenqualen erleiden soll. Jahrhunderte vergehen, doch scheint eine uralte Gottheit Mitleid mit Raziel zu haben und erlöst ihn von den Qualen. Abgemagert und zuweilen fleischlos dient er der Gottheit fortan als Seelenfänger, dem titelgebenden Soul Reaver. Ein Glück, dass er seinen neuen Job mit seinem Rachefeldzug verbinden kann, schließlich hat er mit seinen Vampirbrüdern und Kain noch eine Rechnung offen.
Zwei Spiele aus einer vergangenen Zeit
Mehr möchten wir zu dem ursprünglich für die PlayStation, den PC und dem Dreamcast veröffentlichten Titel inhaltlich nicht verraten. Selbiges gilt dann logischerweise auch für dessen für die PlayStation 2 und den PC entwickelte Fortsetzung aus dem Jahr 2001, die an die Geschehnisse im ersten Soul Reaver anknüpft. Soll heißen, dass wir auch in Soul Reaver 2 die Rolle von Raziel übernehmen. Ähnlich wie bei den um die Jahrhundertwende entwickelten The-Legend-of-Zelda- und Tomb-Raider-Episoden handelt es sich bei den beiden Spielen von Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered um Action-Adventures aus der Third-Person-Perspektive.
Das Doppelpack geht hier und da jedoch seinen eigenen Weg. Crystal Dynamics hat sich zwar an der Konkurrenz orientiert, aber nicht einfach in einem Stück die Pionierarbeit kopiert. Mit Raziel erkunden wir eine verschachtelte Spielwelt, indem wir durch enge Gänge laufen und in den meist überschaubaren Räumlichkeiten kleinere Schalter- und Schieberätsel lösen, gegen menschliche Feinde wie Vampirgegner kämpfen oder Sprungpassagen bewältigen. Dies sind rudimentäre Aufgaben, die in den späten 1990er- respektive frühen 2000er-Jahren aber Gang und Gäbe waren. Hier stellt sich die Frage, wie gut sich das Doppelpack gehalten hat oder viel eher, ob im Remaster die richtigen Stellschrauben angezogen wurden.
Rätseln, hüpfen und Vampire grillen
Vor allem bei den Knobelaufgaben erinnern Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered an die The-Legend-of-Zelda-Reihe. So betätigen wir unter anderem einen Schalter, um daraufhin eine Brücke herunterzulassen, die wir im Anschluss zum nächsten Zielort überqueren können. Ebenfalls ins Aufgabengebiet des Rätsellösens fällt das Verschieben von würfelförmigen Blöcken, was sogar ein wenig eleganter funktioniert als bei der damaligen Konkurrenz, da wir die Kuben ebenso seitlich packen können. Haben wir einen Block an der vorgesehenen Stelle frei platziert, nutzen wir diese häufig als Sprungbrett auf eine höhere Ebene. Raziel ist dank seiner Vampirstärke nämlich deutlich akrobatischer als Link und Lara Croft zusammen.
Selbiges ist dann auch bei den Sprungpassagen über Wasserflächen zu bemerken. Wasser ist für Vampire, und damit auch für Raziel, tödlich. Hier müssen wir unsere Sprünge gut abwägen und zielgenau landen. Apropos tödliches Wasser: Legen wir uns mit Vampiren an, so können wir diese nicht einfach zerstückeln, wie wir es mit menschlichen Widersachern tun würden. Stattdessen müssen wir sie in Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered temporär außer Gefecht setzen und das Zeitfenster ausnutzen, um sie ins Wasser zu werfen, ins Sonnenlicht zu stoßen, mit Hellebarden aufzuspießen oder gleich auf einem Lagerfeuer zu grillen. Guten Appetit!
Orientierungsschwierigkeiten
All das klingt ganz gut und in begrenztem Maße sogar abwechslungsreich. Beide Titel spielen sich größtenteils auch sehr flott, aber dennoch bremsen uns sowohl die Originale als auch die Remaster-Versionen aus. Trotz der schlauchigen Architektur der Spielwelt fällt uns die Orientierung nicht gerade leicht. Es gibt zwar in beiden Spielen eine Landkarte, die uns anzeigt, an welchem Ort der Spielwelt wir uns gerade befinden, aber eben keine Übersichtskarte des jeweils aktuellen Gebiets. Eine Minimap ist in Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered ebenso Fehlanzeige. Wirkliche Orientierungshilfen gibt es leider nicht, zumal auch einzigartige Elemente nur sporadisch auftreten.
Dennoch sollten wir uns diverse Punkte notieren, denn ähnlich wie in der Metroid-Reihe können wir verschiedene Orte erst dann betreten, wenn wir zuvor auch eine bestimmte Fähigkeit erlangt haben. Beispielsweise bleiben Stahlgitter solange ein unüberwindbares Hindernis, bis wir im späteren Spielverlauf die jeweilige Fähigkeit erlangt haben. Bestimmte Wände können wir zudem erst dann hochklettern, wenn wir gelernt haben, unsere Krallen in den Granit zu rammen. So kehren wir nach und nach an bereits besuchte Orte zurück, wodurch wir sie uns zumindest etwas einprägen können. Immerhin wird jeder weitere Spieldurchlauf der jeweils circa 15-stündigen Abenteuer damit angenehmer,
Strafe muss (nicht) sein
Ein weiteres Problem von Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered sind die nicht immer gelungenen Erklärungen der Spielinhalte. Vor allem die unzureichende Vorstellung der Spektralebene und ihre Abgrenzung zur Welt der Lebenden, zwischen denen wir im Spiel wechseln können, verwirrt anfänglich. Aufgrund der düsteren Spielwelt fallen daher auch die visuellen Unterschiede zunächst kaum auf. Erst mit der Zeit erkennen wir Sinn und Zweck hinter dem System. Einerseits erscheinen auf der Spektralebene verschiedene Elemente, die es im Reich der Lebendigen nicht gibt. So erreichen wir unter anderem über plötzlich sichtbare Blöcke die obere Ebene eines Raumes.
Andererseits bestechen die Spiele mit einem zumindest damals recht einzigartigen Feature. Sterben wir in der Welt der Lebenden, erwachen wir in der Spektralwelt und können uns dort zurück ins Leben kämpfen. Erleiden wir auch dort den Exitus, werden wir zum Ausgangspunkt des Spiels zurückgeworfen. Selbiges passiert im Übrigen auch, wenn wir das Spiel speichern und verlassen. Könnten wir das als Konsequenz für den doppelten Tod noch verstehen, ist das Speichern schlicht und ergreifend eine Frechheit, die im Remaster dringend hätte ausgemerzt werden müssen! Wir können zwar Schnellreisepunkte aktivieren, aber warum diese am Portal im Startgebiet nicht wählbar sind, wird nicht erläutert.
Kleinere Bedienungsschwächen
Darüber hinaus sind beide Spiele in puncto Bedienung nicht gänzlich fehlerfrei. Altersbedingt spielt sich gerade das erste Soul Reaver etwas schwammiger, was uns vor allem bei den Sprungpassagen auch schon mal zum Verhängnis werden kann. Noch dazu werden bei den Einführungstexten auch schon mal die falschen Knöpfe angezeigt. Bis wir verstanden haben, dass wir über das Gedrückthalten der rechten Schultertaste und nicht über das Gedrückthalten eines Aktionsknopfs Gegner anvisieren, sind wir unnötige Tode gestorben.
Jetzt ratet doch mal bitte, welches Entwicklerstudio sich für die Umsetzung von Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered verantwortlich zeichnet: Richtig, Aspyr! Ulkigerweise haben die Entwickler bei Tomb Raider I•II•III Remastered ähnlich unbedacht gehandelt. Eigentlich sollten Entwickler aus solchen (ehrlich gesagt eher lächerlichen) Fehlern lernen. Schaut euch also am besten zuvor einfach die Zuweisungen im Menü an und verinnerlicht euch die Tastenbelegung. Das ändert allerdings nichts an der fummeligen Kamera. Diese lässt sich über den rechten Stick unseres Controllers manuell manövrieren, justiert aber immer wieder automatisch nach. Letzteres ist gerade in verwinkelten Ecken und engen Gängen, von denen es in beiden Titeln zuhauf gibt, ein Graus. Hier hätten wir uns wirklich etwas mehr Feingefühl erhofft.
Kuration zweier Klassiker
Grafisch hat sich in Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered seit den Originale einiges getan. Zum Beispiel haben die Texturen eine deutlich höhere Auflösung als es die alten Plattformen technisch jemals hätten schaffen können. Clipping-Fehler und zu spät aufpoppende Grafikelemente schmälern aber den positiven Ersteindruck. Dem Spielspaß steht dies aber deutlich weniger entgegen wie Steuerung, Kamera und Speichersystem. Auch die eigentlich zum Geschehen passende Musik kann uns nicht sonderlich begeistern, da es ihr an Varianz fehlt. Positiv fällt uns auf, dass wir Sprachausgabe und Untertitel voneinander getrennt einstellen dürfen.
Wir empfehlen klar die englische Sprachausgabe, da ihr hier Schauspieler und Synchronsprechergrößen wie Michael Patrick Bell, Anna Gunn oder den 2019 verstorbenen René Murat Auberjonois hören könnt. Zudem ist die deutsche Synchronisation, zumindest bei der ersten Episode, eher mittelmäßig. Die deutschen Bildschirmtexte gehen halbwegs in Ordnung, unterscheiden sich aber manchmal vom Gesprochenen wie im Intro des ersten Serienteils. Zahlreiche Artworks, eine Jukebox, Outtakes von den Synchronisationsaufnahmen, teils englische und teils deutsche Hintergrundinformationen und als Schmankerl spielbare Levels, die damals der Schere zum Opfer fielen, runden Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered angenehm ab und machen das Doppelpaket selbst für Kenner der Originale interessant.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Schon vor etlichen Jahren wollte ich in den Mythos um Vampir Kain einsteigen, habe aber bislang jede Gelegenheit versäumt. Nach all den Jahren bin ich aber froh darüber, den Spielen mit Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered eine Chance gegeben zu haben. Story, Charaktere und Spielwelt finde ich äußerst spannend. Natürlich darf ich diese nicht mit heutigen Maßstäben gleichsetzen, da es Spiele aus den späten 1990er- respektive frühen 2000er-Jahren sind. Unter diesem Gesichtspunkt sind beide Spiele stimmungsvoll. Auch das Gameplay weiß zu überzeugen, so rudimentär es manchmal auch erscheinen mag. Besonders an den Kämpfen habe ich einen Narren gefressen, da ich die vergleichsweise bestialische Entledigung von Vampirgegnern so in kaum bis gar keinem anderen Spiel mehr erlebt habe. Lediglich die Steuerung, die Kamerafahrten und das Speichersystem treiben mich in den Wahnsinn. Keiner der Entwickler kann behaupten, dass das gefühlt stundenlange Zurücklaufen vom Startpunkt zum Zielort nach jedem Laden eines Spielstandes eine gute Idee gewesen sei. Dies hätte im Remaster abgeschafft werden müssen. Grafisch gibt es zudem ein paar Baustellen, die ebenso hätten vermieden werden können. Selbiges betrifft das sprachlich nicht einheitliche Bonusmaterial. Falls ihr über diese Defizite hinwegsehen könnt, dann solltet ihr bei diesem Doppelpack zuschlagen. Legacy of Kain: Soul Reaver 1&2 Remastered lehnen sich zwar an andere Genreklassiker an, brauen aber hier und da ihr eigenes Bier – und das schmeckt mir richtig gut!