Mega Man X Legacy Collection – TEST
Nachdem Publisher Capcom mit den beiden Mega Man Legacy Collections 2015 und 2018 bereits die Fans der sehr traditionellen Spiele glücklich gemacht hat, schiebt er jetzt mit der Mega Man X Legacy Collection eine Sammlung mit den ersten vier Mega-Man-X-Titeln nach.
Als Capcom mit der sechsten Episode der Mega-Man-Reihe im November 1993 dem Nintendo Entertainment System den Rücken kehrte, ahnte wohl niemand, dass der japanische Konzern mit Mega Man X für das Super Nintendo nur einen Monat später das Franchise revolutionieren würde. Zwischen beiden Serien liegt ein Zeitraum von einhundert Jahren, in denen auch Mega Mans Schöpfer, der Wissenschaftler Dr. Light, verschied. Dieser hat jahrelang an einem neuen Roboter, dem titelgebenden X, gearbeitet, konnte und wollte die Entwicklung aufgrund moralischer Bedenken aber niemals abschließen.
So geschah es, dass X über einhundert Jahre in einer Kapsel vor der Welt und der Wissenschaft verborgen blieb. Bei Ausgrabungen entdeckte allerdings Dr. Cain den hoch technologisierten Roboter und begann mit dessen Hilfe die so genannten Reploids zu erschaffen. Die neu erschaffenen Roboter lernten jedoch schnell, dass sie den Menschen überlegen waren und stellten sich gegen sie. Angeführt von Reploid Sigma, bilden die Roboter die Gruppe der Mavericks, mit denen sie die Erdenstädte in Schutt und Asche legen wollen. Dies kann X beziehungsweise der Spieler natürlich nicht zulassen und schreitet zur Tat. Nach sechs relativ repetitiven Handlungsbögen hebt sich somit bereits der erste Teil der Mega-Man-X-Reihe hervorragend von der Ursprungsserie ab.
Geschichten aus den 1990er-Jahren
In den darauffolgenden drei Mega-Man-X-Episoden, die allesamt in der Mega Man X Legacy Collection enthalten sind, wird die Storyline um den titelgebenden Roboter X, immer weiter verfeinert und erweitert. Erzählt wird die Geschichte hauptsächlich über kurze Wortduelle, die in den Levels gelegentlich ausgetragen werden. Diese ufern glücklicherweise niemals aus und halten den Spieler damit nicht vom actionreichen Gameplay ab. Viel mehr manifestiert sich die Handlung peu á peu im Hinterkopf des Spielers und setzt sich mit der Zeit wie ein Mosaik zusammen. In vielerlei Hinsicht mag diese Erzählstruktur zwar veraltet sein, doch nur so war es den Entwicklern möglich, einen regelrechten Mythos um die Nebenfigur Zero aufzubauen, die später sogar ihr eigenes Spin-off spendiert bekommen hat.
In drei der vier vorliegenden Titel dieser Kollektion taucht der furchtlose Krieger nur am Rande auf, in Mega Man X4 konnte sich der Publisher aber anscheinend nicht mehr gegen die Fans wehren und ermöglichte es ihnen im Sega-Saturn-, PlayStation- und PC-Spiel im Jahr 1997 schließlich, auch in die Haut von Zero zu schlüpfen. Mega Man X4 bricht des Weiteren mit der Tradition, die Geschichte nur in Dialogform voranzutreiben. Dadurch, dass der Titel nicht an den überschaubaren Speicherplatz eines Moduls gekoppelt war, fügte Capcom fünfzehn Minuten unterhaltsame Anime-Szenen hinzu, die auch heute noch den Charme der 1990er-Jahre versprühen.
Schwerwiegende Routenplanung
Während sich die Erzählstruktur von den vorherigen Ablegern des Franchises unterscheidet, hat sich zumindest am Leveldesign nur sehr wenig verändert. Nach wie vor springt und läuft der Spieler mit dem im Gegensatz zu Mega Man wesentlich agileren X durch zweidimensionale Spielabschnitte aus der Seitenansicht und schießt theoretisch auf alles, was sich ihm in den Weg stellt. Besiegte Feinde hinterlassen Energiekugeln zum Auffüllen der Lebens- oder Spezialanzeige. Wie aus der Hauptserie bekannt, handelt es sich hierbei um nützliche Objekte, die stets eingesammelt werden sollten, da auch die Mega-Man-X-Spiele kein Zuckerschlecken sind.
Ist die Lebensenergie aufgebraucht oder fällt X in einen Abgrund oder auf Stacheln am Boden der Level-Architektur, verliert der Roboter einen wertvollen Versuch. Sind alle Versuche verbraucht, landet der Spieler im Auswahlbildschirm, aus dem er mit seinem aktuellen Spielfortschritt – inklusive aller gesammelten Ausrüstungsgegenstände – das nächste Ziel in Angriff nehmen darf. Hierbei tritt auch das traditionelle Mega-Man-Gefühl in Erscheinung, denn ganz am Ende eines der grundsätzlich überschaubaren Levels wartet ein Bossgegner auf den Roboter, der besiegt werden will. Zum einen muss der Spieler dessen Bewegungsmuster durchschauen und zum anderen dessen Schwäche erkennen. Jeder Bossgegner hinterlässt zudem eine Waffe, die besonders effektiv gegen einen anderen Feind ist. So motivieren die Kämpfe dazu, die beste Route durchs Spiel zu finden.
Liebevoll gestaltete Kollektion
Damit auch Neulinge oder Genre-Einsteiger Spaß an den vier enthaltenen Spielen haben, dürfen diese jederzeit den Anfänger-Modus aktivieren. Am Spiel selbst ändert sich dadurch zwar nichts, doch X und Zero halten so wesentlich mehr Treffer aus. Profis werden diesen Modus nur belächeln und stürzen sich lieber ohne Hilfe ins Gefecht. Eine weitere Neuerung, die auch Profis begrüßen dürften, ist die hinzugefügte Speichermöglichkeit nach jedem beendeten Level oder Ableben der Spielfigur in den ersten drei Teilen. Allerdings steht jeweils nur ein Speicherplatz zur Verfügung, während es bei Mega Man X4 gleich mehrere Slots sind, die belegt werden können.
Optisch befinden sich die Spiele auf genau dem Niveau, wie sie in den 1990er-Jahren veröffentlicht worden sind. Sie wurden für die Mega Man X Legacy Collection jedoch etwas aufgebohrt. Wahlweise darf die Weichzeichnung auch abgestellt und jeder Titel in der nahezu originalen Pixel-Darstellung gespielt werden. Zusätzlich kann die Anzeige auch dem eines Röhrenmonitors entsprechen, wodurch der Retro-Faktor einmal mehr begünstigt wird. Wer von den vier Action-Titeln und dem rockigen Soundtrack nicht genug bekommen kann, darf in den Herausforderungen auch gegen zwei Mavericks gleichzeitig antreten und sich mit dem Ergebnis in Online-Bestenlisten verewigen. Zudem haben es dutzende Artworks, Fotografien von Mega-Man-Spielzeugen, die japanischen Originaltrailer und ein 25-minütiger Anime, der die Vorgeschichte der Spiele erzählt, in den Bonusbereich geschafft. Für Fans und alle, die es werden wollen, gibt es also Grund genug, sich die liebevolle Kollektion zuzulegen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Es kommt nicht selten vor, dass Hersteller irgendwelche Titel in einer Kollektion zusammenfassen, um sie einem womöglich etwas größerem Publikum zugänglich zu machen. Bemerkenswert ist jedoch die Qualität aller vier Spiele, die in der Mega Man X Legacy Collection zusammengefasst wurden. Sowohl die drei 16-Bit-Klassiker als auch der erste 32-Bit-Ableger der Serie können mit ihrer interessanten Handlung, dem durchweg flüssigen Gameplay, reichlich Action und herausragendem Bonusmaterial überzeugen. Fehler müssen schon fast mit der Lupe gesucht werden; zum Beispiel wirken Xs Schreie in Mega Man X4 heutzutage viel zu blechern und die englische Synchronisation der Anime-Sequenzen ist teilweise ganz schön albern. Auf Knopfdruck kann zwar bei jedem Spiel von der US-Fassung zur japanischen Rockman-Originalversion gewechselt werden, doch da in den Anime-Szenen Untertitel fehlen und die restlichen Texte dann ebenfalls auf Japanisch verfasst sind, werden von dieser Möglichkeit nur wenige Spieler Gebrauch machen. Abgesehen von diesen leichten Defiziten kann die Kollektion durchweg überzeugen und wird mit dem tollen Gameplay sicher nicht nur Fans der ersten Stunde ansprechen!