Mega Man 11 – TEST

Seit der Veröffentlichung von Mega Man 10 im Jahr 2010 hat Capcom seinen Charakter Mega Man in kein neues Abenteuer mehr geschickt. Nach dieser längeren Pause muss der titelgebende Kampfroboter gegen den bösartigen Dr. Wily antreten und seine Pläne durchkreuzen.


Zu Beginn der auf grundsätzlich nur wenige Stunden angelegten Handlung blicken wir zurück in die Anfangszeit der beiden wichtigen Wissenschaftler des Franchises. Mega Mans Schöpfer, der talentierte und vernünftige Dr. Thomas Light, hindert seinen hitzköpfigen und übereifrigen Kollegen daran, die so genannte Double-Gear-Technologie zur Perfektion zu entwickeln und in Umlauf zu bringen. Bei diesem ominösen Kollegen handelt es sich, wie könnte es auch anders sein, um den Hauptantagonisten der Videospielserie, namentlich Dr. Albert W. Wily, der aus der Vergangenheit nichts gelernt hat. Zu gefährlich und zu unausgereift scheint diese Technologie zu sein, was Dr. Wily aber Jahrzehnte später nach einem Traum nicht davon abbringt, sie zu nutzen, um seine Weltherrschaftspläne voranzuspinnen.

Während der Wartungsarbeiten verschiedener Androiden platzt Dr. Wily in Dr. Lights Labor – und bringt alle acht anwesenden Androiden unter seine alleinige Kontrolle. Damit Mega Man seinen Konkurrenten gewachsen ist, verpasst Dr. Light seiner Schöpfung eine Rundumerneuerung. Fortan ist Mega Man ebenfalls mit der Double-Gear-Technologie ausgerüstet, mit der er temporär die Zeit verlangsamen oder seine Angriffskraft erhöhen kann. Mit der verbauten Technik kann er den Kampf gegen die acht Androiden aufnehmen. Serienkennern wird diese überaus seichte Story gefallen, allen anderen kann sie hingegen höchstens ein müdes Lächeln hervorrufen.

Unverändert klassisch seit 1987

Ausgetüftelte Handlungsstränge waren jedoch noch nie die Stärke der Action-Reihe, die sich vor allem mit ihrem sehr hohen Schwierigkeitsgrad und ihrem Gameplay einen Namen gemacht hat. Aufgeteilt ist das Spiel, zumindest anfänglich, in acht unterschiedliche Levels, die die acht Androiden als ihr Herrschaftsgebiet betrachten. Wie für die Mega-Man-Reihe üblich, steht uns die Reihenfolge, in der wir die acht Stages abschließen wollen, von der ersten Minute an frei. Baustellen, Fabriken und schneebedeckte Landschaften sind nur drei der Szenerien, die wir in Mega Man 11 aus der zweidimensionalen Seitenansicht erkunden dürfen. Im Kern hat sich die gesamte Serie, die erstmals 1987 für das Nintendo Entertainment System veröffentlicht wurde, nicht verändert.

So springen wir auch im elften Teil der Hauptreihe immer noch über Abgründe, weichen Projektilen aus und attackieren die Schützen mit Mega Mans Blaster. Am Ende jeder Stage lauert ein Bossgegner, dessen Taktik zunächst durchschaut werden will. Ist dies gelungen, knöpfen wir dem besiegten Androiden sein Waffensystem ab und können fortan jederzeit auf Knopfdruck zu diesem wechseln, um mit Feuersalven, Eisstürmen, an Wänden abprallenden Bällen oder gar herabstürzenden Felsen einerseits Vorteile gegen kleinere Gegner zu haben und andererseits, um die Schwachstellen der anderen Bossgegner auszunutzen. Dies lädt stets zum Experimentieren ein, die beste Route durchs Spiel zu finden.

Gleichermaßen leicht und schwer

Ganz so schwierig wie die ersten Serienteile ist Mega Man 11, zumindest bis zum Abschließen der ersten acht Stages selbst auf dem zweithöchsten von insgesamt vier Schwierigkeitsgraden, allerdings nicht. Das liegt weniger an der Level-Struktur und den selten ganz schön fies platzierten Gegnerpositionen, sondern vor allem an Dr. Lights Laboratorium: Im Spiel sammeln wir regelmäßig Bolzen ein, die im Labor bei Androidenmädchen Roll in hilfreiche Upgrades oder Items umgewandelt werden dürfen. Mehr Versuche, mehr Energy Tanks oder gar automatische Rettungen beim Sprung in Abgründe oder beim Kontakt mit sonst sofort tödlichen Stacheln können hier erworben werden.

Zwar ist die Aufstockung der Gegenstände begrenzt, sie reicht aber dennoch aus, um knifflige Passagen auszutricksen oder dem Tod mal wieder ein Schippchen zu schlagen. Da die Investitionen aber auf freiwilliger Basis erfolgen und Hardcore-Fans die gut gemeinte Funktion nicht nutzen müssen, eignet sich Mega Man 11 tatsächlich für alle Spielergruppen. Bis zu dem Moment, in dem das große Finale in Dr. Wilys Festung eingeleitet wird, klingt dieses System auch wirklich fair: Die letzten Spielabschnitte fordern selbst Anfänger, die bis an die Zähne mit hilfreichen Items ausgestattet sind. Wer hier kein Land zieht, muss das Spiel neu starten und den Schwierigkeitsgrad reduzieren. Eine Option, den Schwierigkeitsgrad auch während des Abenteuers zu regulieren, fehlt leider völlig.

Vorstoß und Rückschlag

Während frühere Mega-Man-Abenteuer voll und ganz auf die Bewegung per Steuerkreuz ausgelegt sind, kann der elfte Serienteil auch wunderbar mit dem Analog-Stick gespielt werden, da jede Aktion wirklich punktgenau ausgeführt wird. Wer es klassischer mag, kann den Titel wie die früheren Teile mit dem Steuerkreuz über den Pro Controller spielen und so das altbekannte Gefühl hervorrufen. Einzig und allein die Bewegungsmethode über die Steuerungstasten des linken Joy-Cons wirkt vor allem im Handheld-Modus leider sehr unbeholfen. Durchweg überzeugen kann uns hingegen die aufgebohrte Optik: Sowohl auf dem großen Fernsehbildschirm als auf dem „kleinen“ Screen der Switch sieht der für die Reihe neue Comic-Look wirklich fantastisch aus.

Hier haben die Entwickler von Capcom mit satten Farben in einer HD-Auflösung wunderbar gezeigt, dass Mega Man nach den eher etwas halbgaren Ausflügen in die 16- und 32-Bit-Ligen nicht unbedingt auf den Pixel-Look der 8-Bit-Zeit reduziert werden darf, wie Mega Man 9 und Mega Man 10 es womöglich suggerierten. Akustisch hapert es bei Mega Man 11 hingegen, denn während die früheren Abenteuer mit Musik begeistern, die von einer Sekunde auf die andere direkt ins Ohr geht, bleibt der Soundtrack trotz ein paar schöner Melodien diesmal leider nur zweckmäßig. Unterm Strich bleibt Mega Man 11 dennoch ein wirklich toller Action-Titel, der sich hier und da aber etwas zu sehr auf den Lorbeeren vergangener Tage ausgeruht hat und nicht jedem Fan genügend neue Anreize bieten kann.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Mit dem elften Serienteil der Mega-Man-Reihe beweist Capcom, dass der titelgebende Android im blauen Kampfanzug längst noch nicht zum alten Eisen gehört. Dementsprechend haben die Entwickler des japanischen Unternehmens ihrer seit 1987 bestehenden Marke eine Generalüberholung spendiert, die sich trotzdem noch fast genauso wie der erste Serienteil anfühlt. So macht es immer noch Spaß, die beste Route durchs Spiel herauszufinden und die teilweise ganz schön knackigen Stages zu verinnerlichen, um beim nächsten Versuch nicht schon wieder in denselben Abgrund zu stürzen. Die temporäre Zeitverlangsamung oder die kurzzeitige Angriffskrafterhöhung per Double-Gear-Technologie sind zwar nette Werkzeuge, sind unterm Strich aber nur sehr selten wirklich notwendig, um einer brenzligen Situation zu entkommen. Hier hätte Capcom durchaus etwas mehr Feingefühl beweisen dürfen, ebenso bei der Auswahl der Musikstücke. Der Soundtrack ist zwar nett, kann mit den Ohrwürmern vergangener Tage jedoch nicht mithalten. Dafür überzeugt der comichafte Grafikstil, der trotz anfänglicher Bedenken wunderbar wie die Faust aufs Auge zu Mega Man 11 passt. Trotz kleinerer Mankos ist der Titel ein wirklich gutes Action-Spiel, das einige Stunden lang sehr gut unterhalten kann.