My Big Sister Remastered – TEST

Gelegentlich wird der Zusatz „Remastered“ im Titel eines Videospiels missbraucht, nur um auf ein paar marginale Details hinzuweisen. Das Horror-Adventure My Big Sister erhielt im Laufe der Zeit ebenfalls ein Remaster, das trotz seines Pixel-Looks doch einiges mehr bietet.


My Big Sister ist auf der Nintendo Switch grundsätzlich kein neues Spiel. 2019 erschien der ursprüngliche Titel ein Jahr nach der PC-Fassung. Auf diese folgte im Jahr 2022 My Big Sister Remastered, das kurz vor Halloween 2024 für Nintendos Hybridkonsole nachgereicht wurde. Gänzlich als Survival-Horror-Spiel möchten wir den Titel nicht bezeichnen, da sich die Survival-Elemente auf ein absolutes Minimum aller Gameplay-Mechaniken beschränken. Wie im Original schlüpfen wir auch im Remaster in die Haut der kleinen Protagonistin Luzia, die im ständigen Klinsch mit ihrer titelgebenden großen Schwester Sombria liegt.

Seit längerer Zeit wird unsere Heldin von Alpträumen geplagt. Eines Nachts wacht sie auf und kann nicht mehr einschlafen. Sowohl ihre Mutter als auch ihre Schwester erscheinen nicht, als sie sie ruft. Zu viel wollen wir zwar nicht verraten, doch schon kurz nach Spielbeginn werden die beiden Schwestern von Unbekannten entführt. Sombria ereilt ein Fluch und verliert ihr Leben. Luzia beschließt, obwohl sie als Kind leicht abzulenken ist, den Fluch aufzuheben und ihrer Schwester ihr altes Leben zurückzugeben. Episodenhaft wird das Spiel zum Teil in Rückblenden, traum- beziehungsweise schemenhaft und zudem auf alternativen Handlungsebenen erzählt. Das ist ansprechend und verleiht der Horrorgeschichte von My Big Sister viele Facetten.

Leichte Rätselkost

Aus der leicht versetzten Vogelperspektive scheuchen wir Luzia durch verschiedene Szenerien, die an Restaurants, Küchen, Badehäuser, Abwassersysteme, verwinkelte Straßengassen oder Wälder angelehnt sind. Sonderlich viele Gefahren, die zum Game-Over-Bildschirm führen können, gibt es aber nicht. Vielmehr spielt My Big Sister mit der Psyche des Kindes. Dieses muss einerseits die grauenhaften Ereignisse verarbeiten und andererseits über sich hinauswachsen. Damit dies geschieht, treiben wir die Story mit dem Lösen diverser Puzzles voran.

Diese beschränken sich allerdings auf das Lesen von Hinweistexten und dem anschließenden Einsammeln des gesuchten Gegenstandes. Zum Beispiel lässt sich mit einem Küchenmesser eine Papierwand aufschlitzen. Um das Messer vom gesichtslosen Schlachter in die Hände gelegt zu bekommen, besorgen wir ihm eine Maske, die sich in einem verschlossenen Spind befindet. Ihr könnt euch denken, dass wir für das Öffnen des Schließfachs ein besonderes Item benötigen. Dieses Konzept ist keineswegs ermüdend, denn My Big Sister ist in viele kleine Episoden aufgebaut. Soll heißen, dass wir pro Kapitel nur wenige Räume durchkämmen und das Spiel aufgrund begrenzter Möglichkeiten niemals ausufert. Nahezu alle Rätsel sind zudem logisch und erwarten von uns an keiner Stelle, um zu viele Ecke zu denken.

Adventure mit Fremdkörpern

Den Bildschirmtod können wir mit Luzia nur in einer Handvoll Momenten sterben. Beispielsweise kann die vermeintliche Antagonistin mitten in einem Flur eines bestimmten Gebäudes auftreten und Jagd auf uns machen. Dann hilft nur die Flucht in einen anderen Raum. An einem Rätsel können wir ebenfalls scheitern – wählen wir den falschen Gegenstand aus, landen wir wenige Sekunden später wieder auf dem Titelbildschirm. Gerade diese Stellen fühlen sich in My Big Sister wie ein Fremdkörper an. In einem Remaster haben solche Szenen unserer Meinung nach keinen Platz verdient.

Hier hätten die Entwickler auch alternative Handlungsbögen konstruieren können, zumal die Story ohnehin ein wenig angepasst beziehungsweise erweitert wurde. Kenner des Prequels Ashina: The Red Witch dürften hier und da ein paar Verweise entdecken. Zurück zum Gameplay: Bis auf die oben genannten fragwürdigen Designentscheidungen bleibt das Spiel allerdings sehr fair. Wer aufmerksam mitliest, was wir bei einem Adventure ohnehin voraussetzen, weiß auch immer, was es als nächstes zu tun gilt. Hierfür ist es aber auch wichtig, die einzelnen Areale genau abzusuchen. Trotz des sehr hübschen Pixel-Looks, der nun ebenso deutlich näher an Ashina: The Red Witch angelehnt ist, ist es so möglich, wichtige Punkte zu übersehen, wenn wir nicht alles unter die Lupe nehmen.

In Bildschirmtexten lauerndes Grauen

Allerdings müssen wir euch an dieser Stelle vor der miserablen deutschen Übersetzung warnen. Während uns zunächst nur leichte Übersetzungsfehler auffallen, die durchaus entstehen können, wenn dem Übersetzer nur die Rohfassung ohne Kontext vorliegt, nimmt die Fehlerdichte schon nach wenigen Minuten Überhand. Anfangs fallen uns also vor allem Übersetzungsfehler wie „Speicherschlitz“ statt „Speicherplatz“ auf. Es folgen sowohl falsch konjugierte Verben als auch unsinnige Anreden. Beispielsweise siezt und duzt uns unsere große Schwester in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen in einer gemeinsamen Textbox.

Dass Deutsch in puncto Satzbau aufgrund der längeren Wörter eine wesentlich komplexere Sprache als Englisch ist, wird darüber hinaus an Textboxen deutlich, in denen die Texte nicht gänzlich angezeigt werden. Ulkigerweise werden im Abspann, obwohl die Überschriften „Spieltester“ und „Übersetzer“ existieren, keinerlei Namen genannt. Hier war unserer Meinung nach vermutlich eine künstliche Intelligenz am Werk. Ist dies wirklich der Fall, dann sollte Entwicklern wie Herausgebern My Big Sister ein Mahnmal sein, welcher Murks herauskommen kann. Auf Englisch sind uns hingegen kaum Fehler aufgefallen. Verfügt ihr über gutes Schulenglisch, dann dürftet ihr auch keinerlei Verständnisprobleme haben. Schade jedoch, dass dieser Aspekt von My Big Sister die audiovisuell wie narrativ gelungene Horror-Geschichte schmälert.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

My Big Sister Remastered erzählt eine kurze, aber intensive Geschichte über zwei Schwestern und ihre zerrütteten Familienverhältnisse. All das geschieht über zahlreiche Dialoge. Die Story selbst wird durch das Lösen von zahlreichen Rätseln vorangetrieben, die zwar schmalspurig im Gameplay sind, aber meist sehr fair ausfallen. Es macht mir Spaß, die in Episoden aufgeteilte Geschichte auf verschiedenen Zeit- beziehungsweise Raumebenen zu erleben und voranzutreiben. Dies liegt vor allem daran, dass das Spiel trotz seines schlichten, aber zugleich hübschen Pixel-Gewands und der für das Remaster überarbeiteten Musik richtig atmosphärisch ausfällt. Warum es in einem Adventure aber dennoch ein paar Sackgassen in Form von Game-Over-Bildschirmen gibt, ist mir schleierhaft. Ebenso hätten die deutschen Bildschirmtexte niemals so voller Mängel sein dürfen. Geschrieben und überprüft hat die jedenfalls kein Mensch. Zumindest keiner, welcher der deutschen Sprache derart mächtig ist, wie es der Beruf des Übersetzers verlangt. Spielt den Titel also lieber direkt auf Englisch, denn dann versteht ihr die Geschichte auch von der ersten Minute an. Fans des Survival-Horror-Genres werden vielleicht nicht vollends glücklich, da die Survival-Aspekte zu gering ausfallen, doch jeder mit einem Faible für Abenteuerspiele und Horrorgeschichten kann gerne einen Blick riskieren.