NEO: The World Ends With You – TEST

Ein neues Spiel der Reaper beginnt! NEO: The World Ends With You lässt uns in der Fortsetzung des erstmals 2007 für den Nintendo DS und 2018 für die Nintendo Switch veröffentlichten Rollenspiels erneut inmitten Shibuyas um unser Leben kämpfen.


NEO: The World Ends With You ist eine klare Fortsetzung und setzt drei Jahre nach den Ereignissen aus The World Ends With You ein. Rindo und sein Kumpel Fret treffen sich in Shibuya, als sie plötzlich Zeugen eines ungewöhnlichen Spektakels werden. Kurz darauf finden sie sich im geheimnisvollen Spiel der Reaper, bei dem ihre Existenz auf dem Leben stehen soll, wieder. Anfangs gehen sie die Sache noch locker an, denn schließlich kann so ein Spiel nicht wirklich so ernst sein. Schon bald müssen Rindo und Fret erkennen, dass hinter den Reapern weitaus mehr steckt, als sie gedacht hätten. Unterstützung erhalten sie vom mysteriösen Minamimoto und der Studentin Nagi. Viel mehr wollen wir gar nicht zur Geschichte von NEO: The World Ends With You verraten, um potenzielle Spoiler, die sehr schnell und leicht platziert wären, zu vermeiden. Die Geschichte gehört aber eindeutig zu den großen Stärken des japanischen Rollenspiels. Wendungs- und abwechslungsreich, spannend und mit allerlei Geheimnissen gespickt, motiviert die Handlung auch dank der interessanten und vielschichtigen Charakteren bis zum Ende. Hier gelingt dem zweiten Teil ein wunderbarer Anschluss an die Stärken des Vorgängers, der ebenfalls mit einer packenden und individuellen Geschichte und eigenständigen Figuren mit Wiedererkennungswert auftrumpft.

Neu und doch bekannt

Erwähnenswert ist, dass wir bereits früh im Spiel bekannten Charakteren aus The World Ends With You begegnen. Dank der komplett neuen Protagonisten sind Vorkenntnisse aber nicht zwingend erforderlich, auch wenn häufig auf die Ereignisse des ersten Teils eingegangen wird oder zumindest Andeutungen zur Handlung des einstigen DS-Rollenspiels aufkommen. Wer den Vorgänger gespielt hat, wird allgemein anfangs mit einigen Nostalgiemomenten begrüßt. Obwohl Shibuya dank neuer 3D-Perspektive, fester Kameras und etwas anders aufgeteilter Gebiete auf den ersten Blick ungewohnt wirken könnte, entdecken wir schnell bekannte Ecken. Dennoch werden sich auch Neulinge nach kurzer Zeit wunderbar in der strukturierten, trotz des Stadtsettings abwechlungsreichen Spielwelt zurecht finden und sofort wissen, wo sie hin müssen, wenn ein bestimmter Ort erwähnt wird. Gerade aufgrund der zahlreichen Stadtteile, Geschäfte, Restaurants, Cafés und ähnlichem ist das bemerkenswert und zeigt, wie kohärent die Spielwelt ist.

Gleichzeitig wissen die Entwickler bei Square Enix und dem Entwicklerstudio h.a.n.d., das bereits die Switch- und Mobile-Portierungen des Vorgängers übernommen hat, auf eine gekonnte Erzählstruktur zu setzen. Die meisten der gut geschriebenen und natürlich wirkenden Dialoge sind in Comicform gehalten. Das bedeutet, wir lesen Sprechblasen, die von kleinen Charakterbildern begleitet werden. Richtige Zwischensequenzen sind die Ausnahme, unterstreichen dann aber umso mehr die Wichtigkeit eines Moments. Obwohl die allgemeine Inszenierung eher einfach gehalten ist, versteht es NEO: The World Ends With You, niemals langweilig oder unspektakulär zu werden. Dafür laufen die Gespräche zu flüssig ab, sind mit allerlei Humor gespickt und bieten uns wichtige Informationen zur Geschichte.

Actionreicher Pin-Einsatz

Wie schon im Vorgänger dienen ausgerüstete Pins als Waffen in den zahlreichen Kämpfen. Dabei dürfen wir pro Charakter einen Pin ausrüsten. Allerdings belegen diese gleichzeitig jeweils einen Button am Controller, weshalb wir gut planen und überlegen müssen, welche Pins wir ausrüsten wollen. Schließlich hat das direkten Einfluss auf die Steuerung in den Kämpfen. Abseits von Story-Auseinandersetzungen, müssen wir erst die Gegend scannen, um die Symbole der Noise genannten Monster zu sehen. Anschließend können wir diese einsammeln und sogar Kettenkämpfe, bei denen unsere Fundrate erhöht wird, auslösen. Zu bedenken ist dabei aber, dass die aneinandergreihten Auseinandersetzungen am Stück bei steigendem Schwierigkeitsgrad absolviert werden müssen.

In den Kämpfen steuern wir unsere bis zu vier Charaktere starke Gruppe gleichzeitig. Jeder Angriff basiert dabei auf den ausgerüsteten Pins, die wiederum unterschiedlichen Knöpfen des Controllers zugeteilt sind. Wildes Drücken der Buttons führt zwar gerade in einfachen Kämpfen zum Erfolg, ist aber nicht sonderlich effektiv. Da jeder Pin nach einiger Zeit seine Energie aufgebraucht hat und einige Sekunden braucht, um wieder aufzuladen, heißt es gut zu überlegen, wie wir vorgehen wollen. Zusätzlich steigern wir mit gut aufeinander abgestimmten Angriffen unsere Groove-Anzeige, die bei kompletter Aufladung einen starken Spezialangriff ermöglicht. Schon nach kurzer Zeit entwickelt sich ein angenehmer Kampffluss, der uns eine Attacke an die andere reihen und Gegner manchmal gar im Sekundentakt ausschalten lässt. Einziges Manko ist die im Effektchaos und schnellen Kamerawechseln manchmal untergehende Übersicht. Obwohl wir ausweichen können, kassieren wir deshalb viel zu oft Treffer, die vermeidbar gewesen wären. Noch nerviger ist es, wenn wir Lebenspunkte verlieren, weil ein gerade nicht von uns eingesetztes Gruppenmitglied Schaden erleidet. Der allgemeinen Motivation und dem Spaßfaktor der actionreichen Kämpfe kann das aber nicht schaden.

Wollen wir die Herausforderung zusätzlich zu den Kettenkämpfen weiter erhöhen, können wir – sobald wir die jeweilige Funktion freigeschaltet haben – den Schwierigkeitsgrad anpassen oder unser Spielerlevel verringern. Beides hat direkten Einfluss auf die Fundrate und die Pins, die wir als Belohnung nach einem Kampf erhalten können.

Stil wird großgeschrieben

Schon The World Ends With You hat die tiefgründige und wendungsreiche Geschichte in ein urbanes von Subkulturen beeinflusstes Szenario verpackt. NEO: The World Ends With You bleibt diesem Weg treu und nutzt Shibuya als Szeneviertel bewusst aus. An allen Ecken finden wir Kleidungsgeschäfte, in denen wir die verschiedensten Klamotten kaufen können. Diese beeinflussen direkt die Statuswerte der Charaktere und können jederzeit gewechselt werden. Wichtig dabei sind nicht nur die direkten Werte sowie passiven Fähigkeiten, die bei ausreichendem Style-Wert freigeschaltet werden, sondern auch die Marken. Aufeinander abgestimmte Kleidung kann zusätzliche Boni gewähren. Zu beachten gilt auch, dass bei Stufenaufstiegen unseres Spielerlevels, das sich die gesamte Gruppe genauso wie die Lebenspunkte teilt, nur unsere maximale Energie erhöht wird. Wollen wir Angriff oder Verteidigung steigern, müssen wir auf Kleidung zurückgreifen oder für dauerhafte Wertverbesserungen Nahrung zu uns nehmen.

Überall in Shibuya finden wir die unterschiedlichsten Möglichkeiten, um Gerichte oder Gertränke zu kaufen. Von Fast-Food-Läden über Cafés bis hin zu Restaurants wird einiges an Abwechslung geboten. Jede Speise hat einen anderen Einfluss auf die Werte von Rindo, Fret und den anderen. Allerdings mag auch nicht jeder Charakter alles und bei Lieblingsessen wird sogar noch ein zusätzlicher Bonus gewährt. Wollen wir gegen stärkere Gegner bestehen können, ist es unbedingt erforderlich, regelmäßig zu essen. Das geht allerdings nur, solange wir nicht gesättigt sind. Ist das der Fall, müssen wir warten, bis unsere Gruppe wieder hungrig ist, was am schnellsten durch Kämpfe zu erreichen ist.

Fähigkeiten, Konkurrenten und Hilfeleistungen

Rindo, Fret und Nagi erhalten bereits früh im Spiel übernatürliche Fähigkeiten, die jedoch nur in bestimmten Situationen eingesetzt werden können. Hier zeigt sich der lineare Spielablauf am deutlichsten. Lediglich in manchen Nebenquests sowie im Laufe der Geschichte dürfen wir mit Fret Erinnerungen wiederherstellen, Nagi in die Gedanken anderer Menschen eindringen lassen oder mit Rindo in der Zeit zurückspringen. Gerade Letzteres ist ein wichtiger Bestandteil des Handlungsablaufs, gewährt aber weitaus weniger Freiheiten, als es vielleicht anfangs den Anschein hat. Wirklich negativ ist das aber nicht, da sich die Einsätze jedes Mal erfrischend anfühlen und in den richtigen Momenten für Abwechslung sorgen. Ähnliches gilt für die jeweiligen Missionen, die wir zu erfüllen haben. Manchmal kann sich der Spielablauf zwar etwas ziehen, doch dank der häufig unterschiedlichen Ziele, entstehen nie Längen. Zu verdanken ist das zu einem kleinen Teil auch den konkurrierenden Teams, die regelmäßig auftreten und entweder mit Gesprächen oder direkten Konfrontationen für Erfrischung sorgen. Zwar spielen sich die Kämpfe gegen die anderen Gruppen nicht anders als gegen die Noise, aufgrund der Bedeutung kommt trotzdem ein anderes Gefühl auf.

Wenn wir doch einmal etwas abseits der Geschichte erledigen wollen, dürfen wir uns in manchen Kapiteln an einer begrenzten Anzahl Nebenmissionen versuchen. Diese sind in ihrem Ablauf zwar eher einfach gehalten, bereichern aber besonders die Spielwelt um einige interessante Details. Besonders, weil wirklich jeder Charakter, mit dem wir es zu tun haben, eine eigene Person mit individuellem Leben zu sein scheint und in unserem sozialen Netzwerk auftaucht. Dabei handelt es sich um ein von Rindo als Mittelpunkt ausgehendes und verzweigtes Netz, das alle Figuren langsam aber sicher in Einklang miteinander bringt. In Nebenquests und auf andere Weise verdiente Freundespunkte dürfen wir hier in neue passive Fähigkeiten, Menüs in Restaurants, Kleidungsstücke oder Pins investieren. Damit ist das soziale Netzwerk quasi ein Fähigkeitsbaum. Hier schalten wir beispielsweise auch neue Schwierigkeitsgrade oder Gameplay-Funktionen frei. Voraussetzung ist neben einer Verbindung zur jeweiligen Person die Erfüllung einer Bedingung, was dazu motivieren kann, bestimmte Ziele wie das Erreichen eines hohen Vertrauenslevels in einem Kleidungsladen oder das häufige Essen in einem Restaurant anzugehen.

Audiovisuelle und erzählerische Brillianz

Unterstrichen wird das gesamte Gameplay von einer perfekt zum Spiel passenden audiovisuellen Präsentation. Der Grafikstil mag nicht jedem gefallen, fügt sich aber gerade aufgrund der modisch gestalteten Charaktere sowie des lebendigen und manchmal etwas skurril wirkenden Shibuya wunderbar zu einem hervorragenden Gesamtbild zusammen. NEO: The World Ends With You wirkt einfach wie aus einem Guss. Dazu zählt auch der stimmungsvolle Soundtrack, der auf allerlei Stile wie Pop, Elektro, Metal oder Hip-Hop setzt und zu jeder Zeit das Geschehen ausgezeichnet untermalt und damit für die richtige Stimmung sorgt. Seien es treibende Beats in Kämpfen, harte Riffs in bedrohlichen Situationen und ruhige Klänge in entspannten Momenten: Jederzeit fühlen wir uns von der Musik umgarnt und tiefer ins Geschehen gesogen. Besser kann ein Soundtrack nicht sein. Dabei stehen die Lieder, die wie beim Vorgänger von Komponist Takeharu Ishimoto stammt, denen des ersten Teils in Nichts nach.

Die manchmal etwas längeren Ladezeiten oder seltene, das Spielgefühl aber nie beeinflussenden Ruckler fallen angesichts der audiovisuellen Brillianz sowie des ausgezeichneten Gameplays niemals störend auf. Meist fallen uns derlei Details angesichts des mitreißenden Spielfluss nicht einmal auf. NEO: The World Ends With You schafft es einfach, die wendungsreiche Geschichte, die interessanten und vielschichtigen Charaktere und das erstklassige Gameplay zu einer großartigen Rollenspiel-Erfahrung zu vereinen.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

 

Nachdem ich den Vorgänger auf der Nintendo Switch nachholen konnte und trotz der nervigen Steuerung begeistert vom Rollenspiel bin, war meine Vorfreude auf NEO: The World Ends With You seit der Ankündigung riesig. Niemals hätte ich damit gerechnet, erneut am Spiel der Reaper teilnehmen zu dürfen. NEO: The World Ends With You gefällt mir sogar besser als der erste Teil, was vor allem am angenehmeren Gameplay liegt. Endlich gibt es keine umständlichen Bewegungs- oder Touchscreen-Eingaben mehr, sondern ein actionreiches und direktes Kampfsystem. Schon nach kurzer Zeit verliere ich mich in die Auseinandersetzungen genauso wie in die wendungsreiche und spannende Geschichte und die lebendige Spielwelt. Dabei tragen die abwechslungsreichen und vielschichtigen Charaktere viel zur Handlung bei und tragen diese wunderbar. Abseits von Gameplay, Story und Figuren überzeugt mich NEO: The World Ends With You mit einer hervorragenden audiovisuellen Präsentation, die perfekt zu dem japanischen Rollenspiel passt, für eine eigenständige Stimmung sorgt und die Besonderheiten noch einmal unterstreicht. Genre-Fans, die keine Abneigung gegen den Stil von NEO: The World Ends With You haben, sollten sich das Rollenspiel auf keinen Fall entgehen lassen.