Persona 5 Tactica – TEST

Unzählige Spin-offs hat das Persona-Universum in den letzten Jahren hervorgebracht. Davon waren aber nicht alle halb so gut, wie Spiele der Hauptreihe. Persona 5 Tactica ist nun der Versuch, Persona in ein Taktik-Rollenspiel-Gewand zu stecken.


Persona 5 Strikers hat 2020 gezeigt, dass die bekannten Figuren und Konzepte aus Persona 5 auch in einem anderen Genre durchaus gut funktionieren können. Das Action-Rollenspiel überzeugte mit einem spaßigen Kampfsystem, einer löblichen Optik und versuchte sich Inhaltlich an einer direkten Fortsetzung des Persona-5-Hauptspiels. Persona 5 Tactica ist jetzt der Vorstoß in den Bereich der Rundentaktik gemäß Mario + Rabbids: Kingdom Battle oder auch Valkyria Chronicles.

Ein neues Abenteuer

Als klassisches Spin-off ist das Spiel soweit losgelöst vom Hauptspiel wie es nur geht. Für die Gruppe rund um Joker, Ryuji, Ann und Co, die die japanische Gesellschaft im Alterego der Phantomdiebe ordentlich aufgemischt haben, neigt sich das dritte Jahr der Highschool dem Ende zu. Ein neues Abenteuer erwartet sie in einer aus dem Nichts erscheinenden Parallelwelt. In dieser mittelalterlichen Welt scheint eine Revolution im vollen Gange. Auf jeden Fall schaut die ehemalige Heldengruppe schnell in die Gewehröffnungen der Legionäre, die als Militärgruppe der manipulativen Marie unterstehen und wohl optischen Gefallen an der japanisch verquerten Idee einer französischen Revolution gefunden haben.

Zum einen können die ehemaligen Phantomdiebe einer solchen Unterdrückung natürlich nicht tatenlos beiwohnen, zum anderen werden zu Beginn des Spiels direkt die meisten Figuren entführt, sodass sich Joker und Kumpanen auf machen, ihre verschwundenen Kameraden zu befreien. Unterstützt werden sie von der Rebellenführerin Erina, die den bekannten Cast erweitert. Als Basis dient das bekannte Café Leblanc, das schadensfrei in dieser Welt angekommen ist.

Hier tauschen wir uns mit unseren Verbündeten aus, rüsten unsere Figuren auf und bereiten uns auf die nächste Schlacht vor. Alles in äußerst ansehnlichen Menüs, ohne freie Erkundung, wohlgemerkt. Dafür aber mit vielen Dialogoptionen, denn auch wenn das Spiel optisch und inhaltlich nicht an die Persona-Hauptteile heranreicht, bleibt es beinahe so redselig. Das ist gut und bitter nötig, wenn es um die Tutorialpassagen geht, aber auch die Figuren reden gerne über (mehr oder weniger) belanglose Dinge. Selbst wenn man den Figuren etwas abgewinnen kann, ist das etwas zu viel.

Eingängiges Kampfsystem

Wesentlich mehr Spaß machen die Auseinandersetzungen mit den Legionären auf dem Schlachtfeld. Die drei Kampfteilnehmer können sich je nach Bewegungsreichweite pro Runde frei über das Kampffeld bewegen. Sind Gegner in Reichweite, nehmen wir diese entweder mit Fernfeuerwaffen oder den Spezialfähigkeiten der Personas aufs Korn. Natürlich gibt es die Reihen-Typischen Zusatzzüge „Noch-1“, nun allerdings nicht mehr ausgelöst durch Schwachpunkte der Gegner. Vielmehr müssen wir Gegner erst aus der Deckung schlagen und diese dann mit einem weiteren Treffer Niederschlagen, um einen wertvollen Zusatzzug zu erhalten. Anschließend eröffnet sich die Möglichkeit eines Zu-dritt-Großangriffs, in der alle Gegner innerhalb der Dreiecksfläche der drei Partyfiguren heftigen Schaden nehmen.

Persona 5 Tactica belohnt durchdachtes Vorgehen, nimmt keine Rücksicht auf unüberlegtes Vorstürmen und setzt besonders viel Wert auf kluge Positionierung. Wer sich nicht an die Regeln des Spiels hält, wird schnell den Game-Over-Bildschirm sehen. Zum einen wegen der möglichst großen Fläche für Zu-dritt-Großangriffe, zum anderen, weil Deckungen auf dem Schlachtfeld wirklich einen Unterschied machen. Die meisten Scharmützel enden durch das Besiegen aller Gegner oder durch das Erreichen eines bestimmten Ortes, optionale Ziele erhöhen die Beute nach der Schlacht. Die besteht aus Geld, Erfahrung und direkt neue Personas. Diese Fusionieren wir natürlich im Velvet Room zu neuen Kreaturen mit neuen Fähigkeiten.

Persona Lite

Viele dieser Elemente stammen aus dem Hauptteil, für Persona 5 Tactica sind sie aber alle runterkondensiert und für das neue Genre abgeändert. Personas haben so deutlich weniger Skills, es gibt pro Charakter nur noch einen Ausrüstungsgegenstand und einen Levelwert für alle und nachdem es keine klassischen Schwachpunkte mehr gibt, unterscheiden sich die Elementarangriffe nur in ihren Zusatzeffekten. Wind-Fähgikeiten zum Beispiel reißen Gegner direkt aus der Deckung und schlagen sie über die halbe Karte. Sehr praktisch.

Neu für die Reihe ist ein Skill-Tree, in dem charakterspezifische Fähigkeiten verstärkt werden können. Zusätzlich gibt es die typischen Verbesserungen (mehr Schaden, mehr Heilung, etc.) – das Besondere ist, dass sich die Qual der Wahl direkt in Luft auflöst – immerhin dürfen wir gewählte Verbesserungen direkt wieder abwählen und andere Fähigkeiten ausrüsten. Diese Funktion lädt zum Experimentieren ein, sodass ohne Risiko jede der Figuren einen anderen Fähigkeiten-Schwerpunkt und eine andere Rolle im Schlachtfeld einnehmen kann.Zwischen den Schlachten wird in ansehnlichen Zwischensequenzen und in typischen Standbild-Dialogen die Handlung vorangebracht.Natürlich geht es den Bösewichten an den Kragen und natürlich bleibt das Gameplay die Hauptattraktion. Was aber in Erinnerung bleibt, ist der neue Stil, in dem die Figuren gehalten sind. Das Charakterdesign ist weit in den Chibi-Animelook abgedriftet, mit besonders großen Köpfen, Händen und gelenklosen Gummibeinen. Dennoch bleiben sie ausdrucksstark und dieselben Figuren wie in den letzten Spielen auch.

Womit wir aber nicht warm geworden sind, ist die Performance auf der Nintendo Switch. Besonders schnell konnten wir uns in den Menüs leider nicht bewegen, dafür ist die Nintendo Switch im Laden einfach zu langsam. Schnell mal ein paar Personas fusionieren, neue Dialoge erschöpfen und eine Waffe auseinanderbauen macht so weniger Spaß, wenn es uns wegen dem (geringen aber spürbaren) höheren Zeitaufwand drei Mal überlegen. Die Kämpfe selbst fühlen sich gut an und sehen ebenso aus, im Hinblick auf den stark abstrahierten Grafikstil und den kleinen Umgebungen, kann die Switch aber definitiv mehr.

Persona-typisch ist der Soundtrack erste Klasse. Mit klarer Anlehnung an die Jazz- und Pop-Tracks aus Persona 5 bekommen wir neue Stücke und Neuinterpretationen von bekannten Tracks auf die Ohren. Besonders das Stück im Cafe hat es uns angetan, nach einer knappen Schlacht wirkt dieses ruhige Lied besonders entspannend. Insgesamt ist das Experiment Persona 5 mit Taktikrollenspiel-Elementen zu kreuzen gelungen, auch wenn es nicht an die Hauptteile und auch nicht an Persona 5 Strikers heranreicht.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Atlus hat es geschafft, ein Taktik-Rollenspiel auf die Beine zu stellen, dass gänzlich von der Persona-5-DNA umschlossen ist. Das Kampfsystem ist griffig, die Animationen und Soundeffekte toll, lediglich ein Fokus auf eine etwas packendere Handlung fehlt mir. Zudem wäre eine begehbare Hubwelt schön gewesen, hier ist alles in Menüs gelöst. Die Nintendo-Switch-Version ist technisch zudem nicht wirklich optimiert. Trotzdem sehe ich hier eine gute Grundlage für eine Fortsetzung mit diesem Spielprinzip. Dann vielleicht auch mit Figuren aus den vorherigen Teilen.