Sense: A Cyberpunk Ghost Story – TEST

Am 25. August 2020 erschien das Horror-Adventure Sense: A Cyberpunk Ghost Story von Entwicklerstudio Suzaku bereits für den PC. Zu Beginn des Jahres 2021 folgt die Umsetzung für die Nintendo Switch, die sich der Entwickler aber ruhigen Gewissens hätte sparen können.


Angesiedelt ist Sense: A Cyberpunk Ghost Story im August 2084. Wir übernehmen die Rolle der jungen Frau Mei Lin Mak und erkunden mit ihr einen Jahrhunderte alten Gebäudekomplex in Neo Hong Kong. Erzählt wird die Story weniger über die Spielgrafik, sondern deutlich mehr über eindrucksvolle Artworks, die uns das Gefühl vermitteln, mitten im Geschehen zu sein. Einige dieser Bilder können wir nicht gleich verstehen. Vieles ist verschwommen und manche Dinge kristallisieren sich auch erst im Verlauf der auf circa fünf Stunden ausgelegten Handlung heraus.

Obwohl sich das Spiel laut Titel dem Cyberpunk-Szenario zugehörig fühlt, wird das Setting aber vornehmlich in der ersten Viertelstunde genutzt. Danach ist es kaum mehr von Belang, da sich Sense: A Cyberpunk Ghost Story mehr und mehr zum Horror-Trip im Adventure-Stil entwickelt. Als Vorbild haben sich die Entwickler unter anderem den Super-Nintendo- und PlayStation-Klassiker Clock Tower aus dem Jahr 1995 ausgesucht und das ist vor allem in puncto Gameplay zu spüren. Das heißt, dass wir das alte siebenstöckige Gebäude aus einer 2,5D-Ansicht erkunden und Rätsel lösen, die wir auch aus zahlreichen Point-and-Click-Adventures kennen. Dabei ist das Spiel meist sehr ruhig, setzt uns aber hier und da immer wieder vor kleinere Herausforderungen, wenn Gespenster in Erscheinung treten.

Sense: A Game Over Ghost Story

Diese Geister machen uns in Sense: A Cyberpunk Ghost Story das Leben schwer, stehen sie doch sinnbildlich für das mäßige Spieldesign. Werden wir von einem Geist überrascht, sollten wir mit Mei schleunigst die Beine in die Hand nehmen und uns im nächstbesten Wandschrank verstecken. Wäre das für die meisten Spiele des Genres schon genug, müssen wir hier aber ein schlecht spielbares Minispiel absolvieren. So bewegt sich ein Zeiger auf einer Leiste stets in eine Richtung und wir müssen versuchen, ihn im Zentrum zu halten, damit Mei ihre Angst nicht auditiv unterstreicht. Weder erklärt uns das Spiel das vorher, noch ist es über den Stick im Ansatz leicht, den Spagat zu halten. Werden wir erwischt, ist der Ausflug sofort vorbei und wir landen auf dem Titelbildschirm.

Sense: A Cyberpunk Ghost Story bietet glücklicherweise die Möglichkeit, jederzeit über eine Quicksave-Funktion zu speichern, doch ist das Spiel in seiner Art zu gemächlich, als dass wir stets daran denken würden. So kann es gut und gerne dazu kommen, dass eine halbe Stunde Spielzeit umsonst war. Da das Adventure gelegentlich automatische Spielstände anlegt, fragen wir uns, warum die Entwickler denn nicht an die Stellen gedacht haben, bei denen es wirklich darauf ankommt. Der Titel führt aber nicht nur in solchen Momenten zu Frust, auch an anderen Stellen kommt dieser zu oft zur Geltung.

Zum Kopf schüttelnde Rätselmechanik

Selbst in der für ein Adventure wichtigsten Disziplin, der Rätselmechanik, versagt Sense: A Cyberpunk Story an zu vielen Stellen. Dabei macht der Titel im Grunde alles richtig: Wir klicken Objekte an, reden mit jedem Nicht-Spieler-Charakter, sammeln Informationen und kombinieren diese miteinander, um peu à peu die Story voranzutreiben. Ebenfalls suchen wir versteckte Durchgänge, packen alle nicht niet- und nagelfesten Gegenstände ins Inventar und benutzen diese Items zum richtigen Zeitpunkt. Beispielsweise brauchen wir Schlüssel, um Türen zu öffnen oder nutzen Schraubenzieher oder Rohre, um mit ein wenig Gewalt an den Inhalt von Schubladen zu gelangen.

Viele Rätsel wirken in unseren Augen aber einfach nur aufgesetzt und seltsam. So fragen wir uns, warum wir ein Kabel benötigen, um an einen Stift zu gelangen, der unter ein Sofa gerutscht ist. Manchmal ist es auch notwendig, ein Objekt vier oder fünf Mal anzuklicken, um dann zufällig über den Fetzen einer Fotografie zu stolpern. Ein weiteres Beispiel aus der Kategorie Unverständlichkeit: Mei will in einen bestimmten Behälter einfach nicht hineinschauen. Aus welchem Grund sie eine Abneigung gegen das Objekt hat, bleibt uns schleierhaft. Daher wissen wir nicht, dass sich im Behälter Reis befindet, den wir später dringend benötigen, um Räucherstäbchen in einer Schale aufrecht zu positionieren.

Zielloses Adventure mit nervigen Ladezeiten

Damit aber noch nicht genug. Sense: A Cyberpunk Ghost Story schießt an einer bestimmten Stelle mit einem Rätsel den Vogel ab. Um einen Aktenkoffer zu öffnen, brauchen wir einen vierstelligen Code. Dieser wird uns etliche Minuten, bevor wir überhaupt erst die Möglichkeit dazu kriegen, den Koffer zu öffnen, über eine an einem Telefon klebende Notiz verraten. Hier wäre es logisch, dass die Kombination irgendwo katalogisiert wird. Fehlanzeige! Weder im Inventar oder Journal wird der Code hinterlegt, noch können wir das Telefon respektive die Notiz noch einmal zum Nachlesen anklicken.

Sense: A Cyberpunk Ghost Story bietet unterm Strich derart Spieldesign aus der Hölle, das uns fast durchweg qualvolles Kopfzerbrechen beschert. In solchen Fällen müsst ihr das Spiel entweder von Vorne beginnen oder auf eine Komplettlösung ausweichen, bei dem die Gefahr besteht, dass diese euch Details verrät, die euch den Spielspaß nehmen. Ebenfalls nervig dürften auf der Switch die vielen Ladezeiten sein, die zwischen fünf und fünfzehn Sekunden einnehmen. Das klingt in der Theorie nach wenig. Da wir in der Praxis in einem Areal aber selten mehr als fünf bis zehn Sekunden bis zur nächsten Tür brauchen, summiert sich das. Vor allem in jenen Momenten, in denen wir nicht weiterwissen und ziellos durchs Gebäude geistern, ist das eine nervige Angelegenheit!

Gruselige Atmosphäre mit technischen Mängeln

Leider kann Sense: A Cyberpunk Ghost Story auch in technischer Hinsicht nicht überzeugen. So ist die Steuerung unnötig kompliziert. Anstatt einen Mauszeiger über den rechten Stick zu bewegen, laufen wir nur mit Mei herum, während Interaktionsmöglichkeiten lediglich in ihrer Nähe optisch hervorgehoben werden. Durchaus kann es passieren, dass wir bei mehreren Objekten in der Nähe einen Interaktionspunkt übersehen. Im Eifer des Gefechts kann es auch passieren, dass wir eine Tür ins nächste Areal öffnen, anstatt uns das Gemälde an der Wand anzuschauen.

In optischer Hinsicht kann das Spiel zumindest halbwegs gefallen, denn hier und da flackern durch die Fenster die neonfarbenen Leuchtreklamen der Großstadt durch und auch die verkommene Umgebung passt zum schaurigen Horror-Setting. Je nachdem wie viel auf dem Bild gleichzeitig passiert, kann das aber zu leichten Ruckeleinlagen führen. Das ist deshalb doppelt unverständlich, da die Animationen der minimalistischen Präsentation sehr, sehr spärlich ausfallen. Immerhin kann der Titel akustisch mit düsteren Klängen, von draußen dröhnendem Straßenlärm und zum Fürchten gruseligen Spukgeräuschen punkten. Wer sich jetzt immer noch für das Horror-Adventure interessiert, sollte gute Englisch-, Russisch- oder Chinesisch-Kenntnisse mitbringen, denn deutsche Bildschirmtexte gibt es nicht. Wer auf eine Sprachausgabe hofft, wird bei Sense: A Cyberpunk Ghost Story leider ebenfalls enttäuscht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Was habe ich mich im Vorfeld auf Sense: A Cyberpunk Ghost Story gefreut! Das Spiel versprach ein interessantes Setting mit spannendem Horror-Einschlag zu bieten. Auch wenn dem Titel das halbwegs gelungen ist, so enttäuscht es jedoch auf ganzer Linie mit seinem Spieldesign. Die Rätselmechanik kann ich nur müde belächeln, denn die Aufgaben sind seltsam und unlogisch. Da meiner Meinung nach die Ladezeiten kumuliert zu viel Zeit in Anspruch nehmen, fallen die langen und meistens planlosen Laufwege durchs Gebäude doppelt so sehr ins Gewicht. Auch bei der Steuerung hätte ich mir mehr versprochen, da ich das Geschehen im jeweiligen Raum selten gut überblicken kann. Wenn sich die Entwickler schon Klassiker wie Clock Tower zum Vorbild nehmen, sollte so etwas Grundlegendes wie ein Mauszeiger der Mindestansatz sein. So kann ich jedem nur raten, einen weiten Bogen um das Spiel zu machen. Es gibt bessere Horror-Spiele und deutlich gelungenere Adventures auf der Switch und anderen Plattformen.