Tales of Vesperia: Definitive Edition – TEST
Gut zehn Jahre nach dem ursprünglichen Release erscheint Tales of Vesperia in der Definitive Edition erneut. Für die Nintendo Switch wird das erste Tales-of-Abenteuer damit eine Neuauflage – laut Fans allerdings einer der besten Teile.
Yuri Lowell lebt im Bezirk der Unterstadt der Hauptstadt des Fantasy-Reiches und lässt sich wohl am besten als einen Draufgänger beschreiben. Das Herz hat er zwar am rechten Fleck, allerdings bringt ihn seine direkte und rabiate Art nicht selten in Schwierigkeiten; zu Beginn des Spiels sogar direkt in den Kerker des Schlosses. So lernt er auch die ansässige Prinzessin Estellise kennen. Auch wenn sie nicht hinter Gittern sitzt, bekommt sie von ihrer Freiheit kaum etwas mit. Durch beiderseitige Unterstützung entkommen sie dem Regime und lassen ihre Heimat hinter sich. Das anstehende Abenteuer beginnt noch als eine Reise getrieben durch persönliche Motive, nach und nach manifestiert sich aber ein für Rollenspiele typisches Böse, zu dessen Bekämpfung alle Figuren an einem Strang ziehen. Im Mittelpunkt steht dabei auch die Technologie der Blastia, die als Energieform genutzt wird. Damit werden Geräte betrieben oder Barrieren der Zivilisation zum Schutz vor Monstern aufrechterhalten. Zu Beginn dauert es zwar ein bisschen, bis die Story in Fahrt kommt, sobald die Handlung aber fokussierter wird, kann Tales of Vesperia seine Stärken ausspielen.
Dazu gehören auf jeden Fall die Figuren und die Zeit, die verwendet wird, um diesen durch Dialoge Leben einzuhauchen. Schon nach wenigen Stunden Spielzeit hat sich eine extrem bunte Truppe an spielbaren Figuren angesammelt, die sich unserer Sache angeschlossen haben. Auch wenn sich darunter das eine oder andere Klischee befinden mag, sorgt der stets präsente Humor und die tolle Harmonie unter den Figuren während der vielen Unterredungen für eine tolle Abenteuerstimmung. Um dieses Element zu unterstützen, sind auch die meisten Gespräche auf Englisch und Japanisch vertont.
Keine Zeit zu Verlieren
Egal ob jung oder alt, Mensch oder Tier, im Falle eines Kampfes können sich alle Charaktere mit ihren unterschiedlichen Kampfstilen wehren. Gekämpft wird in Echtzeit in abgegrenzten Arealen. Der Fokus liegt hier auf Geschwindigkeit, sowohl die Ladezeiten vor und nach den Kämpfen als auch die Scharmützel selbst und der anschließende Ergebnis-Bildschirm beanspruchen nur das mindeste an Zeit. Das sorgt für ein flottes Spieltempo, vor allem die vielen schwächlichen, tierischen oder pflanzlichen Gegner können größtenteils ohne spezielle Strategien durch die pure Gewalt des Button Mashings erledigt werden. Trotzdem empfiehlt es sich neben den normalen Angriffen die Technikpunkte verbrauchenden Artes-Angriffe anzuketten, um mit diesen besonders starken Techniken den Kampf noch schneller zu entscheiden.
Das Spiel gibt uns daneben auch defensive Mechaniken an die Hand, die vom reinen Button Mashing ablenken sollen. Leider ist es ziemlich unbefriedigend, wenn nach einem Angriff keine Zeit mehr bleibt, um auszuweichen oder zu blocken und wenn wir durch gegnerische Angriffe in unserer eigenen Aktion unterbrochen werden. Während neunzig Prozent aller Kämpfe fällt das aufgrund der leichten Gegner aber kaum auf. Immer dann, wenn in einem Bosskampf aber der Schwierigkeitsgrad zunimmt, stößt auch das Kampfsystem an seine Grenzen und führt uns vor, dass dieses System in normalen Kämpfen durch die Vermittlung des Stärke-Gefühls durch fetzige Combos und Effekte am besten funktioniert.
Das Gefühl, stetig stärker zu werden, bestätigt sich durch das regelmäßige Freischalten neuer aktiver und passiver Fähigkeiten und gänzlich neuen Spielmechaniken, die dem Kampf-Element immer mehr Tiefe verleiht. Während dem Spielen kann der Schwierigkeitsgrad dazu auch noch einmal frei innerhalb von drei Stufen neu gewählt werden. Außerdem geben die drei Charaktere, die vom Computer gesteuert werden, ihr Bestes, um den Spieler im Kampf zu unterstützen.
Hervorragendes Spieltempo
Wenn wir nicht gerade in Kämpfen stecken oder in den vielen kleinen Orten neue Ausrüstung und Items erwerben, bewegen wir uns auf der Oberwelt zwischen den einzelnen Städten und Dungeons hin und her. Die Dungeons fallen mit einer eher kürzeren Länge positiv auf und sind mit regelmäßigen Rätsel-Gimmicks angereichert. Mal suchen wir Hinweise für ein Passwort, mal nur einen Schlüssel für die nächste Tür – die Entwickler wussten genau wie lange solche rudimentären Spielsysteme tragen, bis sie sich ermüden. Aber auch abseits der Dungeons behält Vesperia sein tolles Pacing mit stetig neuen Gebieten, kaum Backtracking und geringen Laufwegen auf der Oberweltkarte aufrecht.
Darüber hinaus hatten wir beim normalen Spielen ohne extra Grind-Einlagen immer gerade so genug Geld in der Tasche. Neue Ausrüstungen und wichtige Verbrauchsgegenstände wurden damit ein wertvolles Gut, weswegen wir uns immer gefreut haben, neue Geld- oder Crafting-Ressourcen zu finden. Das für die Reihe typische Koch-Feature wurde auch passend eingebunden. Nach einem erfolgreichen Kampf können wir durch eine Mahlzeit verlorene Lebens- und Technik-Punkte direkt wiederauffrischen, ohne kostbare Items und Zauber aufzuopfern.
Der zeitlose Cel-Shading-Anime-Look präsentiert uns auch heute noch sehr schöne Umgebungen. Die tolle Optik verdankt Tales of Vesperia aber auch seinen festen Kameraperspektiven, aus denen wir alle Gebiete abseits der Oberwelt erkunden. Damit zeigen sich die Städte, Dungeons und Natur-Abschnitte immer von der besten Seite. Auch durch andere inszenatorische Tricks kaschiert das Spiel effektiv die Tatsache, dass die Tales-of-Reihe auf keinen Fall zu den hochbudgetierten Spielen dieser Art gehört. Negativ merken wir das lediglich an der teils sehr klassischen und starren Inszenierung sowie Aneinanderreihung der vielen Zwischensequenzen. Tolle Anime-Sequenzen dürfen im Gegenzug in der Tales-of-Reihe natürlich nicht fehlen. Wer das Spiel mit japanischer Sprachausgabe spielt, muss damit zurechtkommen, dass die unterstützenden und scherzenden Sprüche, die sich die Figuren während der Kämpfe entgegenwerfen, nicht untertitelt sind. Musikalisch hält sich der Titel meist angenehm im Hintergrund. Ein, zwei Tracks bleiben allerdings positiv im Ohr.
Viele neue Inhalte
Die Definitive Edition enthält einige Elemente, die sie von der Ursprungsfassung unterscheidet. Darunter fallen neue Inhalte wie Kostüme für Figuren und Items, die bisher nicht in einer Version beinhaltet waren, aber auch völlig neue Dungeons sowie eine gänzlich neue spielbare Figur und Quests. Technische Verbesserungen wurden ebenfalls getätigt, das sehen wir vor allem in den Zwischensequenzen. Die Nintendo-Switch-Fassung bietet im TV-Modus dieselbe Auflösung wie die anderen Konsolen-Versionen und läuft ansonsten angenehm sauber. Nur auf der Oberwelt merken wir manchmal, dass die sechzig Bildern pro Sekunde für den Kampfbildschirm reserviert sind, dort müssen wir mit dreißig Frames vorlieb nehmen. Wer gerade Freunde und extra Controller über hat, kann mit diesen übrigens die Kämpfe gemeinsam bestreiten. Diese übernehmen dann die Rolle eines anderen Charakters. Eine nette Option.
Geschrieben von Jonas Maier
Fazit:
Tales of Vesperia ist auch zehn Jahre nach seinem Release ein sehr charmantes japanisches Rollenspiel. Zwar hatte ich bisher noch nicht so viele Erfahrungen mit der Tales-of-Reihe sammeln können, trotzdem fällt auch mir das hervorragende Pacing auf. Das gute Spieltempo führt zum Entdecken und Bereisen stets neuer Gebiete und nervt nicht mit Leerlauf. Auch spielerisch gesellen sich neben neuen Figuren stetig neue Kampffähigkeiten in das Repertoire. Dadurch wird das simple Action-Kampfsystem alle paar Stunden mit einer neuen Mechanik erweitert. Leider zeigt Tales of Vesperia aber auch, dass ein Action-Kampfsystem noch lange kein gutes Action-Spiel macht. Vor allem die defensiven Mechaniken im Spiel harmonieren kaum mit dem eher aggressiven Grundkonzept der Kämpfe, die mich auch nur bei bestimmten Bossgegnern von meiner gewinnbringenden Button-Mashing-Strategie abbringen konnten. Hier lässt sich der Schwierigkeitsgrad aber zu jeder Zeit einstellen. Das zeigt auch, dass der Fokus eindeutig auf Figuren und Erzählung liegt – und darin ist Tales of Vesperia auch heute noch richtig stark!