Turrican Anthology Vol. I – TEST

Schon 2020 startete die Vorbestellung der beiden Turrican-Anthology-Ausgaben bei Strictly Limited Run Games. Ausgeliefert wurden die Spiele jedoch deutlich später. Wem die digitale Fassung reicht, hat jetzt auch im eShop der Nintendo Switch die Möglichkeit zum Kauf.


Geteilt in zwei Ausgaben enthält die Turrican Anthology Vol. I die fünf Spiele Turrican, dessen Nachfolger Turrican II: The Final Fight, Super Turrican mitsamt dessen Director’s Cut und Mega Turrican: Score Attack. Der Umfang ähnelt zwar recht stark der Kollektion Turrican Flashback aus dem Jahr 2021, doch gibt es zu dieser Variante ein paar feine Unterschiede. So fehlt bei Turrican Flashback der Director’s Cut von Super Turrican, der erstmals mit der Retro-Konsole Super Nt im Jahr 2018 veröffentlicht wurde. Auch die abgewandelte Version von Mega Turrican mit dem Zusatz Score Attack fehlt bei Turrican Flashback. Ein Großteil der Spiele dürfte euch also bekannt vorkommen, was mitunter das Interesse an der ersten Volume der Turrican Anthology schmälern könnte.

Besitzt ihr Turrican Flashback aber noch nicht und interessiert euch für die Reihe, solltet ihr direkt zur Turrican Anthology Vol. 1 greifen und könnt später mit der zweiten Volume nahtlos fortfahren. Wenn euch die Reihe allerdings nichts sagt, solltet ihr zumindest inhaltlich nicht den großen Wurf erwarten. Alle enthaltenen Spiele stammen, zumindest mit ihrem recht starren Grundgerüst, aus den frühen 1990er-Jahren. Soll heißen, dass ihr eine bis ins letzte Detail ausgeklügelte Handlung nicht erwarten solltet. Stattdessen macht ihr Bekanntschaft mit einem spaßigen Retro-Action-Feuerwerk.

Anspruchslose Story mit brachialer Action

In den Spielen der Turrican-Reihe übernehmen wir die Rolle eines mutigen Helden, der in einem futuristischen Raumanzug ähnlich wie Samus Aran im Metroid-Universum Jagd auf Außerirdische macht, die sich ihm in den Weg stellen. Ziel der Spiele ist jeweils die Rettung eines Planeten vor dem Bösen. Mehr müssen wir auch nicht wissen, denn dieses Konzept reicht uns damals wie heute, damit wir den dunklen Mächten des Science-Fiction-Settings den Garaus machen.

Den Helden des Franchises, der je nach Spiel, Version oder Anleitung auch auf den Namen Bren McGuire oder Turrican hört, spielen wir dabei durchweg aus der zweidimensionalen Seitenperspektive. Das heißt, wir laufen und springen mit ihm durch die Levels, eröffnen das Feuer auf alle Feinde, die kreuz und quer durch den Raum flitzen, und klauben Waffen-Upgrades noch und nöcher auf. Dennoch sind wir auch mit den besten Waffen nicht durchweg gefeit vor den teils sehr intelligent agierenden Gegnerhorden, denn diese machen uns so oder so das Leben schwer. Anstürmenden Feinden müssen wir geschickt mit Sprüngen ausweichen und diese gezielt erledigen, bevor sie uns erreichen. Auch die Level-Architektur mit herabstürzenden Felsen, gefährlichem Blitzgewitter und so mancher gemeinen Falle sorgen dafür, dass uns die Turrican Anthology Vol. 1 durchweg unterhält.

Bahnbrechender Auftakt einer Serie

Eines der wichtigsten Merkmale der Turrican-Reihe sind die für damalige Verhältnisse recht großen Levels. Im Gegensatz zu vergleichbaren Action-Titeln der frühen 1990er-Jahre sind diese nicht nur umfangreicher, sie scrollen auch nicht einfach so von links nach rechts. So können wir uns im Areal frei bewegen und müssen auch schon mal Höhen erklimmen, in tiefe Schluchten hinabsteigen oder gelegentlich den Rückweg antreten, wenn wir uns in eine der seltenen Sackgassen manövriert haben. Das fühlte sich damals sehr erfrischend an und unterhält auch Jahrzehnte später noch. Möglicherweise liegt das daran, dass in so gut wie jeder Ecke der vier respektive fünf Spielwelten Collectibles wie 1-ups oder Waffen-Upgrades versteckt sind. Da macht das beiläufige Erkunden während der Ballerorgie gleich doppelt so viel Spaß.

Ein großer Kritikpunkt von der Kollektion Turrican Flashback sind die fehlenden Anleitungen, weshalb wir die Wirkung der Upgrades in den Spielen dort selbst erforschen müssen. Bei der Turrican Anthology Vol. I leisten sich die Entwickler diesen Fauxpas zum Glück nicht. Die Anleitungen sind in verschiedenen Sprachen aus mehreren Regionen aus dem Menü heraus einsehbar. Wenn wir mehr zu den Funktionen erfahren wollen, können wir unter anderem in deutschen, englischen oder sogar japanischen Anleitungen schmökern.

Nützliche Spezialmanöver

Dennoch sind die Spiele der Turrican Anthology Vol. I kein Zuckerschlecken. Insbesondere das Seriendebüt, das 1990 für den Commodore Amiga erschienen ist, entpuppt sich als sehr harte Nuss. Werden wir von einem Gegner getroffen, so gibt es zwar keinen Rückstoß, der uns in einen Abgrund katapultiert, doch solange wir den Feind berühren, nehmen wir kontinuierlich Schaden. Unsere Lebensenergie müssen wir jederzeit im Auge behalten, da wir so nur einen wertvollen Versuch vergeuden würden. Immerhin werden wir an Ort und Stelle wiederbelebt, was für die damalige Zeit ein echtes Novum war und auch heute noch gerne gesehen ist.

Nicht unerwähnt dürfen die gelungenen Spezialmanöver bleiben, die Bren McGuire auf dem Kasten hat. Befinden sich zu viele Gegner zur gleichen Zeit auf dem Bildschirm, sodass wir keinen Ausweg mehr sehen, können wir den Sichtbereich stilecht mit Sprengstoff leeren. Inspiration hat sich der damals maßgeblich verantwortliche Entwickler Manfred Trenz auch von Nintendos Metroid-Reihe geholt, denn McGuire kann sich mit seinem Spezialanzug einrollen, um durch enge Gänge zu schlüpfen. Im Gegensatz zu Samus Aran kann der Held von Turrican währenddessen aber auch nach links und rechts schießen. Das Ablegen eines ganzen Minenfeldes ist ihm jedoch erst ab Turrican II: The Final Fight aus dem Jahr 1991 vergönnt.

Der Sprung auf die Konsolen

Während die Steuerung bei Turrican noch etwas träge ist, sieht das beim ebenfalls für das Commodore Amiga veröffentlichte Turrican II ganz anders aus. Bei diesem ist eine Vielzahl von Verbesserungen im Detail zu spüren. Vor allem die größere Waffenvielfalt trägt dazu bei, dass das Gameplay noch etwas besser flutscht. Je nach Waffen-Upgrade durchsieben wir die Gegner mit regelrechten Laser-Salven oder wir schießen die Projektile so geschickt in die Level-Architektur hinein, dass sie regelmäßig abprallen und jeden Gegner mitnehmen, der zufällig um die Ecke kommt. Am hohen Schwierigkeitsgrad hat sich in Turrican II aber nur wenig verändert.

Erst Super Turrican von 1993 und das vor wenigen Jahren erstmals veröffentlichte Mega Turrican: Score Attack sind in dieser Hinsicht zugänglicher. Das liegt daran, dass die Levels noch verschachtelter und intelligenter aufgebaut sind. Mega Turrican: Score Attack, das auf der Architektur des Sega Mega Drive ausgelegt ist, bietet uns zum Beispiel die Möglichkeit, mit einem Greifhaken an der Decke stilecht festzuhaken, damit wir über Abgründe schwingen oder eine erhöhte Plattform erreichen können. Auch Bossgegner, die sich uns regelmäßig in den Weg stellen und zudem deutlich mehr abverlangen als die stärkeren Standardgegner, wollen mit einer bestimmten Taktik besiegt werden.

Musikalischer Genuss auf Hochglanz poliert

Mega Turrican: Score Attack holt alles aus Segas 16-Bit-Konsole heraus, was im Jahr 1994, dem Jahr der Veröffentlichung von Mega Turrican, nur möglich war. Trotz allem war es den Entwicklern möglich, das Spiel auf der technischen Ebene auf dem Super Nintendo mit dem Titel Super Turrican zu toppen. So wirkt die grandiose 16-Bit-Grafik noch einmal einen Tacken bunter, kräftiger und auch detailreicher. Selbiges gilt auch für den Director’s Cut. Vor allem der fulminante Soundtrack von Komponist Christopher Hülsbeck, der sogar in Dolby Surround ausgegeben wird, sucht im ganzen Action-Genre seinesgleichen und lässt uns vor dem Fernseher mit Bren McGuire mitfiebern.

Das Tolle an der Turrican Anthology Vol. 1 ist aber die Möglichkeit, den Soundtrack bei jedem einzelnen Spiel auszuwechseln. Vor Spielstart können wir in den Optionen auswählen, ob wir die Titel mit der originalen, aber emulierten Musik spielen wollen, oder doch lieber zum Soundtrack in CD-Qualität wechseln wollen. In manchen Fällen sind sogar Remakes der hochwertigen Musikstücke vorhanden. Sind wir uns nicht sicher, welche Musik wir hören möchten, können wir auch in der Jukebox vorab zwischen den Stücken und Versionen wechseln. Ihr dürft uns ruhig glauben. Turrican mit aufpolierter Musik zu spielen, verleiht dem Spektakel ein ganz anderes Spielgefühl!

Komfortfunktionen für den letzten Feinschliff

Ähnlich wie Turrican Flashback kommt auch die Turrican Anthology Vol. I nicht ohne einige Individualisierungsmöglichkeiten aus. Unter dem spartanisch aufgebauten Menü verstecken sich viele und vor allem vielfältige Einstellungen, die wir vornehmen können. Unter anderem können wir die Aktionsknöpfe frei belegen. Außerdem dürfen wir uns dafür entscheiden, ob wir das Spiel in einer 4:3-Auflösung spielen oder den Pixel-Perfect-Modus aktivieren. Auch verschiedene Farbschemata sind mit von der Partie. Eine mindestens ebenso geniale Idee sind die Shader-Experteneinstellungen, bei denen wir die Mask Intensity oder die Scanline Intensity unabhängig voneinander erhöhen oder verringern können.

Haben wir links und rechts keine Lust auf schwarze Balken, stehen uns auch diverse Hintergründe zur Verfügung. Mit der Funktion „Echtzeitkarte“ kann auch die Erweiterung des Bildes suggeriert werden, was in der Praxis aber verwirrend ist, da Gegner und andere Elemente in diesem Bereich ausgeblendet sind. Wer trotzdem in einen Gegner läuft, kann zumindest im vom Spiel so genannten Standardmodus die Zeit zurückspulen, Savegames anlegen oder diese laden. Im Aufgabenmodus können wir hingegen Achievements sammeln. Spielen wir einen Titel durch, erhalten wir für diesen zusätzlich ein paar Cheats. Unterm Strich kann die Turrican Anthology Vol. I durchaus überzeugen. Besitzt ihr aber Turrican Flashback, solltet ihr doppelt über den Kauf nachdenken.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Da ich fast alle Spiele der Turrican Anthology Vol. I entweder als Original oder aus Turrican Flashback schon kannte, bietet mir die Kollektion vor allem aus letzterem Grund kaum etwas Neues. Schließlich kann ich fast alle enthaltenen Spiele auf der Switch schon in einer anderen Sammlung spielen! Trotz allem ist der Anthologie deshalb aber kein Vorwurf zu machen. Auch Jahre und Jahrzehnte nach ihrer ersten Veröffentlichung können die Action-Titel auf ganzer Linie überzeugen. Es macht nach wie vor Spaß, durch die zweidimensionalen Levels zu laufen, zu hüpfen und mit Dauerfeuer auf alles zu schießen, was in Bewegung ist. Hinzu kommen ein gelungenes Leveldesign, spannende Bossgegner und hübsche Retro-Grafiken. Vor allem Super Turrican kann mich damals wie heute überzeugen. Wirklich genial ist meiner Meinung nach aber der Wechsel zwischen den verschiedenen Soundtracks. Die Klassiker mit aufpolierter Musik zu spielen, verleiht dem actionreichen Spektakel ein ungeahntes Spielgefühl. Falls ihr Turrican Flashback nicht euer Eigen nennt oder im Falle dessen zumindest Lust auf Super Turrican: Director’s Cut oder Mega Turrican: Score Attack habt, kommt ihr um diese Sammlung nicht herum.