Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord – TEST

Rollenspiele haben eine lange Tradition. Angefangen bei Pen-and-Paper-Rollenspielen wie Dungeons & Dragons entwickelten sie sich mit der Zeit zu einem echten Phänomen. Einen Beitrag hierzu leistete Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord aus dem Jahr 1981.


Ein Glück, dass irgendwann irgendwer einmal bewusst ein bereits bestehendes Videospiel neu aufgelegt hat. Auch wenn Remakes nicht immer glücklich machen, was mitunter daran liegt, dass sie in ihrer Zahl zunehmen und andere Konzepte wie Reboots und Portierungen häufig mit ihnen verwechselt werden, sind wir beim Rollenspiel Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord wirklich froh darüber. Manch einer mag von der Marke noch nie etwas gehört haben. Das dürfte daran liegen, dass die achte und die damit letzte Episode der Hauptreihe im Jahr 2001 für den PC erschien. Es gab zwar auch etwaige Portierungen, Neuauflagen und regelrechte Remakes für das Nintendo Entertainment System, das Super Nintendo oder die PlayStation, doch blieben diese wenigen Ausreißer zumeist dem nordamerikanischen oder japanischen Markt vorbehalten.

In Fernost entwickelte sich abseits der Hauptreihe auch ein regelrechter Kult um die Marke, der auch nach dem eigentlichen Ende der Serie weitere und häufig japanexklusive Ableger nach sich zog. Älteren Semestern, die ihre Abenteuer vor allem auf PCs oder Heimcomputern erlebt haben, bleibt die Wizardry-Reihe genauso wie Ultima, Might and Magic oder Lands of Lore gut im Gedächtnis. So dürfte es auch den Entwicklern bei Digital Eclipse gegangen sein, die aus dem ersten Teil ein Remake gezaubert haben.

Meilenstein der Rollenspielgeschichte

Bevor wir genauer auf das Remake eingehen können, müssen wir zwangsweise einen Blick auf die Vergangenheit werfen. 1981 war nämlich ein äußerst bedeutendes Jahr für Rollenspielfans. Dabei ist es egal, ob ihr eher amerikanische wie europäische Genrevertreter oder dessen japanische Interpretationen bevorzugt, denn in diesem Jahr erschienen zunächst mit Ultima und wenige Monate später mit Wizardry zwei der einflussreichsten Rollenspiele überhaupt. Ohne diese beiden Meilensteine der Videospielindustrie würden Marken wie die japanischen Urgesteine Dragon Quest oder Final Fantasy ganz anders aussehen oder überhaupt nicht existieren. Auch die Etrian-Odyssey-Reihe, die maßgeblich vom Dungeon Crawler Wizardry profitiert hat, wäre ohne dessen Zutun undenkbar.

Jetzt fiel ein Wort, das zumindest leicht negativ konnotiert ist: Dungeon Crawler haben den Ruf, die Helden in einem Kerker rauf und runter zu scheuchen, nur damit sie Monster töten, an Erfahrung gewinnen und im besten Fall noch Schätze finden und Goldmünzen sammeln. Die Geschichte bleibt bei Dungeon Crawlern oft rudimentär und ist nur Mittel zum Zweck. Ja, wir können nicht abstreiten, dass diese Beschreibung auf Wizardry zutrifft wie die Faust aufs Auge. Das heißt aber noch lange nicht, dass dieses Gameplay keinen Spaß bereitet, denn dies ist unumstritten der Fall.

Sechsköpfige Heldengruppe

Dennoch wollen wir der Vollständigkeit halber kurz auf die Handlung eingehen. Diese dreht sich um den Herrscher Trebor des Fantasy-Reiches Llylgamyn. Sein Konkurrent, der Magier Werdna, stiehlt dessen magisches Amulett und verkriecht sich in einem Labyrinth unter dem Herrschaftssitz. Unsere Heldengruppe wird damit beauftragt, das Amulett zurückzuholen und den Zauberer in seine Schranken zu weisen. Bevor wir unsere sechsköpfige Heldengruppe in die Untiefen des Kerkers entsenden können, müssen wir diese zusammenstellen. Entweder setzen wir auf vorgefertigte Helden, rekrutieren sie in der Taverne oder stellen uns Recken der Marke Eigenbau zusammen.

Zur ethnisch vielfältigen Auswahl gehören Menschen, Elfen, Zwerge, Gnome und Halblinge. Jedes Volk hat verschiedene Attribute und eignet sich daher für bestimmte Klassen besonders gut. Dies macht Wizardry in gewisser Weise einzigartig, denn nur wenn wir im nächsten Schritt Attributspunkte geschickt verteilen, schalten wir für den jeweiligen Helden auch die entsprechenden Klassen wie Kämpfer, Magier, Priester oder Dieb frei. Die Klassenwahl hat, wie könnte es auch anders sein, Auswirkungen auf das Erkunden des Dungeons und nicht zuletzt auf die rundenbasierten wie mitreißenden Kämpfe, was nicht zuletzt am sehr hohen bis gnadenlosen Schwierigkeitsgrad des Rollenspiels liegt.

Akribische Vorbereitung

Als Ausgangspunkt bietet die Stadt alle wichtigen Anlaufstellen wie ein Gasthaus zum Nächtigen, einen Tempel zum Wiederbeleben von im Kampf gefallener Helden und einen Laden zum Eindecken mit neuer Ausrüstung und zumindest zu Spielbeginn horrend teuren Heiltränken. Der Übungsplatz wird hingegen genutzt, um neue Helden zu erstellen. Das wird irgendwann vielleicht bitter notwendig sein, denn je nach Spieleinstellung kann es vorkommen, dass unsere Helden an Altersschwäche sterben oder von Monstern gefressen werden, doch dazu später mehr.

Während die Stadt als Standbild dargestellt wird, bei der wir die einzelnen Einrichtungen aus einer Liste auswählen, erkunden wir den Dungeon schachbrettartig aus der First-Person-Perspektive. So bewegen wir uns Schritt für Schritt durch das Gemäuer, öffnen Türen, erkunden Räume und tasten uns entsprechend langsam voran. Unterwegs stoßen wir immer wieder auf Monster, die uns ans Leder wollen. Im Gegensatz zu heutigen Genrevertretern ist es in Wizardry notwendig, die Gruppenaufstellung akribisch durchgeplant zu haben. Damit Charaktere angreifen können, müssen sie in der vorderen Reihe stehen und ihre Verbündeten schützen. Figuren in der hinteren Reihe können höchstens zaubern, was aber gerade zu Beginn des Spiels aufgrund arg limitierter Magiepunkte nur in begrenztem Maße möglich ist.

Teils gnadenloser Schwierigkeitsgrad

Besiegte Kreaturen hinterlassen Erfahrungspunkte und gelegentlich auch eine Schatztruhe. Haben wir einen Dieb in unserer Gruppe, so sollte dieser die Schatztruhe auf Fallen absuchen. Falls die Möglichkeit einer Falle besteht, kann er sie im nächsten Schritt auch entschärfen, damit wir sie schlussendlich plündern können. Ob die Falle wirklich entschärft ist, merken wir dabei simultan. Toi, toi, toi!

Aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrads ist es gerade zu Spielbeginn häufig notwendig, per pedes zum Ausgang zu latschen, die Gruppe zu heilen und im schlimmsten Falle wiederzubeleben. Letzteres kann durchaus ins Geld gehen. Mit Goldmünzen hauszuhalten ist deshalb zwar ein guter Rat, doch aufgrund der nur in Maßen berechenbaren Kämpfe ist das kaum möglich. Schließlich werden Trefferwahrscheinlichkeiten und Schadenshöhe wie in Dungeons & Dragons und Co stets ausgewürfelt. Da Wizardry nur an bestimmten Stellen automatisch und beim Beenden des Spiels speichert, können wir solche Situationen mittels manueller Speicherplätze auch nicht austricksen. Mit jedem Stufenaufstieg der Charaktere wird das Rollenspiel aber etwas zugänglicher. Die Figuren halten zum Beispiel mehr aus, können häufiger Zaubersprüche einsetzen oder sind zielsicherer beim Entschärfen von Fallen. Trotzdem ist Wizardry kein Spaziergang. Wem gemütliches Spielen wichtig ist, sollte sowohl dem Remake als auch dem Original des Titels unbedingt aus dem Weg gehen.

Zwischen alter Schule und modernen Standards

Trotzdem hat Entwicklerstudio Digital Eclipse zumindest etwas an der Zugänglichkeit des Spiels geschraubt. Wer eine originalgetreue Interpretation von Wizardry haben möchte, hat aber zumindest in den sogenannten Old-School-Optionen die Möglichkeit dazu. So können wir frei entscheiden, ob Charakteren, die im Labyrinth verschollen gehen, üble Dinge passieren können. Dann kann ihnen Gold gestohlen oder sie können gefressen werden, was die Spielfigur unwiderruflich ausscheiden lässt. Auch haben wir die Wahl, ob Aktionen wie Angriffe oder Zauber umgeleitet werden sollen, wenn das eigentliche Ziel bereits verschieden ist. Da wir ohnehin nicht entscheiden können, welche Gegner unsere Helden attackieren, ist diese Option immerhin eine Überlegung wert.

Grundsätzlich lässt sich das Spiel auch kinderleicht bedienen. Die Steuerung geht hierbei flüssig von der Hand. Lediglich dass manche Funktionen wie das Aufstellen der Gruppenmitglieder nach jedem Ableben und jeder Wiederbelebung manuell korrigiert werden muss, fällt uns negativ auf. Optisch reißt das Remake von Wizardry keine Bäume aus. Im Vergleich zum Apple-II-Original, das sogar jederzeit am unteren rechten Bildschirmrand mitläuft, ist es aber eine wahre Augenweide, die noch dazu mit schöner mittelalterlicher Musik unterlegt ist, welche die Herausforderungen auditiv angenehm unterlegt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Obwohl ich mich selbst als leidenschaftlicher Rollenspielfan bezeichne, habe ich in meinem Leben gar nicht so viele nordamerikanische wie europäische Werke gespielt. Dennoch habe ich durch meine Leidenschaft für Dragon Quest, Final Fantasy und Co arg davon profitiert. Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord ist trotz seines hohen Schwierigkeitsgrads und teils ungelenker Funktionen ein Spiel, das ein Fan des Genres meiner Meinung nach zumindest einmal ausprobiert haben sollte. Ist die erste Hemmschwelle, das ständige Zurückkehren aus dem Dungeon, einmal überwunden, spielt es sich von Stunde zu Stunde besser. Die Charaktere können mit den ihnen gestellten Herausforderungen besser umgehen und ich bin weniger frustriert, obwohl auch der Schwierigkeitsgrad auf den unteren Ebenen des Dungeons wirklich nicht leichter wird. Immerhin haben die Entwickler verschiedene Überarbeitungen in Betracht gezogen – und lassen Kennern des Originals und Nostalgikern dennoch die Wahl, den auch so schon hohen Schwierigkeitsgrad noch etwas mehr in die Höhe schnellen zu lassen. Zudem spielt Glück in den Kämpfen eine durchaus große Rolle. Wer keine Lust auf knapp ausgewürfelte Kämpfe hat, bekommt in anderen Spielen wie der Etrian-Odyssey-Reihe klar das bessere Spielerlebnis. Wer es aber lieber amerikanisch-europäisch mag und die Herausforderung nicht scheut, sollte Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord unbedingt eine Chance geben!