Boxboy! + Boxgirl! – TEST

Als 2017 Bye-bye Boxboy! für den 3DS veröffentlicht wurde, dachten wohl viele, dass dies zugleich das Ende des noch sehr jungen Franchises wäre. Weit gefehlt, wie sich herausstellte: Mit Boxboy! + Boxgirl! erschien Ende April 2019 der vierte und bisher umfangreichste Ableger der Videospielreihe.


Bei Boxboy! + Boxgirl! handelt es sich wie bei den ersten drei Teilen auf dem 3DS um ein minimalistisch gehaltenes Geschicklichkeitsspiel, das seichte Jump-’n’-Run- und Puzzle-Elemente clever miteinander verbindet. Gehüllt ist das inhaltlich an alte Game-Boy-Klassiker erinnernde Spektakel in eine Story, von der aber noch weniger erwartet werden darf als bei den drei Vorgängertiteln. Das liegt auf der einen Seite daran, dass die Erzählung nach wie vor ohne Texte auskommt und dementsprechend sehr kryptisch dargestellt wird. Auf der anderen Seite konzentriert sich das Spiel ohnehin viel mehr aufs Gameplay, wie es von Spielen aus dem Hause Nintendo üblich ist.

Wer die drei Episoden des Franchises auf dem 3DS bereits gespielt hat, wird aber zumindest die wichtigsten Charaktere kennen. Mit von der Partie sind Hauptdarsteller Qbby, seine Freundin Qucy und sein bester Kumpel Qudy. Im Gegensatz zu den vorherigen Ablegern lassen sich diesmal alle drei Charaktere kontrollieren, wenn auch nur in verschiedenen Spielmodi. Boxboy! + Boxgirl! unterteilt sich daher in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt stellt den typischen Singleplayer-Modus dar, in dem das erste Kapitel der Haupthandlung stattfindet. Daneben gibt es noch die Story-Fortsetzung und einen Mehrspielermodus; auf beide Abschnitte gehen wir später ein. In der Rolle von Qbby durchkämmen wir im Solo-Abenteuer dutzende Levels und machen Gebrauch von seinen Fähigkeiten, um die Türen am Ende der Stages zu erreichen.

Bekanntes und funktionierendes Gameplay

Qbby verfügt genau wie seine beiden Freunde über die Fähigkeit, Kisten aus seinem Körper herauszupressen. Keine Sorge, das klingt im ersten Moment eigenartiger als es in Wahrheit ist und bleibt bei der Umsetzung stets kindgerecht. Die fabrizierten Kisten können wir auf recht unterschiedliche Art und Weise benutzen. Beispielsweise dürfen wir sie vor eine Anhöhe stellen und sie dann als Sprungbrett benutzen. An anderer Stelle bilden wir mit den Kisten im wahrsten Sinne des Wortes einen Haken, mit dem wir uns an Plattformen hängen und uns anschließend daran hochziehen können.

Da die stets aus der zweidimensionalen Seitenansicht gezeigten Levels auch mit zahlreichen Gefahren wie Laser-Strahlen oder spitzen Zacken ausgestattet sind, können wir die Kartons auch als Schutzschild oder sichere Unterlage verwenden. Allerdings ist die Anzahl an Kisten, die wir gleichzeitig herstellen können, pro Level arg begrenzt. Auch wenn wir nur einen Karton brauchen, verschwindet dieser sofort, wenn wir den nächsten Stapel an Kisten herstellen wollen. Da ist es schon ein wenig schade, dass die in Boxboxboy! eingeführte Funktion, zwei unabhängige Stapel zu produzieren, im vierten Serienteil wie im dritten Ableger außer Acht gelassen wird. Hier zeigen sich leider wieder die altbekannten Schwachstellen, an denen die Boxboy!-Reihe schon etwas länger zu knabbern hat.

Stufenartig aufbauende Spielmechanik

Neben dieser Funktion, die wieder deutlich mehr Schwung ins Gameplay gebracht hätte, ist auch der Aufbau des Spiels nicht sehr viel anders als in den Vorgängern. Jede Welt orientiert sich an einer bestimmten Thematik wie Schalterrätseln, dem Schützen vor Laser-Strahlen oder Buddelaktionen in brüchiger Erde. Nur selten und eher in den letzten Levels des Spiels werden diese Elemente tatsächlich gut miteinander verknüpft. Dieser Kritik sollten sich die Entwickler von HAL Laboratory seit Längerem bewusst sein, dran gearbeitet wurde allerdings kaum. Hinzu kommt, dass Serienkenner weitgehend mit denselben Rätseln konfrontiert werden wie zuvor.

Für diese wird der stufenartige Aufbau der Spielwelt also zusätzlich torpediert. Deutlich interessanter dürfte Boxboy! + Boxgirl! daher für Neulinge sein, die zum ersten Mal mit dem Franchise in Berührung kommen. Qbby scheint wie viele andere Helden im Videospielbereich an Amnesie zu leiden, und durch die graduelle Erweiterung seiner Fähigkeiten werden Neulinge und jüngere Spieler behutsam an die Materie herangeführt. Ungefähr sechs Stunden dauert es, bis der erste Abschnitt des dreigeteilten Geschicklichkeitsabenteuers hinter einem liegt – wohlgemerkt inklusive dem Sammeln sämtlicher Kronen, die in den meist ein bis zwei Minuten langen Levels versteckt sind und einen Teil der Collectibles ausmachen.

Groß, größer, Qudy

Für das Abschließen eines Levels erhalten wir gewöhnliche Marken und für das Einsammeln aller Kronen sowie der Vermeidung einer vorgegebenen Höchstanzahl an zu verwendeten Boxen außerdem noch Zielmarken. Diese können wir im Laden für einmalig einsetzende Items, die das Abschließen eines Levels erleichtern, oder gegen kosmetische Accessoires und Bonus-Inhalte wie Musikstücke oder kleine Comics eintauschen. So sind wir stets motiviert, sämtliche Levels genauestens abzuklappern. Dies gilt auch für die anderen beiden bereits angedeuteten Abschnitte des Spiels.

Beim nächsten Abschnitt handelt es sich um den zweiten Teil der Kampagne, der nach dem Durchspielen von Qbbys Solo-Abenteuer freigeschaltet wird. In diesem übernehmen wir die Rolle von Qudy, der anders wie Qbby nicht quadratisch, sondern wie ein langgezogenes Rechteck aussieht und damit mindestens genauso charmant ist wie der lange Stein aus Tetris. Entsprechend haben seine Kisten andere Maße und um durch manche Durchgänge zu passen, müssen wir ihn zusätzlich drehen. Dadurch können die Kartons sowohl horizontal als auch vertikal genutzt werden. Unserer Meinung nach ist Qudy der wahre Held des Spiels, da er das Gameplay der Serie auf eine neue Stufe hievt. In seinen Levels wird zudem mehr Gebrauch von der Vermischung unterschiedlicher Elemente gemacht.

Noch mehr Abwechslung

Eine weitere willkommene Abwechslung im Franchise ist der Zwei-Spieler-Modus, der den dritten Spielteil darstellt. In diesem schlüpfen wir in die Rolle von Qbby und Qucy und müssen in über einhundert weiteren Abschnitten kooperieren, was aufgrund der direkten und leicht zu erlernenden Steuerung auch sofort mit Neulingen möglich ist. Leider haben es die Entwickler aber versäumt, einen Online-Modus einzubauen, sodass der Modus nur lokal gespielt werden kann. Wer keinen Mitspieler zur Hand hat, darf diesen Modus auch alleine spielen, indem auf Knopfdruck zwischen den Helden gewechselt wird.

Das funktioniert aufgrund des wenig hektischen Tempos zwar besser als beispielsweise bei der kooperativen Küchensimulation Overcooked! 2 oder dem auf drei Spieler ausgelegten Action-Adventure The Legend of Zelda: Tri Force Heroes, doch ist das Wechseln der Spielfigur auch hier nervig, da der nicht gerade verwendete Charakter reglos in der Gegend herumsteht und nicht selbstständig handelt. Immerhin empfiehlt der Modus zu Beginn, ihn am besten zu zweit anzugehen. Auf der technischen Seite orientiert sich das Spiel optisch und akustisch an den drei Vorgängern, hier wird mit Minimalismus und Chiptune-Anleihen für Stimmung gesorgt. Nur in sehr seltenen Fällen kratzen kaum spürbare Einbrüche in der Bildwiederholungsrate leicht am Gesamtbild. Dennoch unterhält der Titel mit seinen Inhalten zwanzig Spielstunden lang, was ihn zum bisher umfangreichsten und tatsächlich auch besten Serienteil macht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Seit dem ersten Serienteil verfolge ich die Boxboy!-Reihe und bin von ihr mal mehr und mal weniger begeistert. Bei Boxboy! + Boxgirl! bin ich geteilter Meinung. An vielen Stellen ist den Entwicklern einfach anzumerken, dass sie das bekannte Programm der Vorgänger versuchen abzuspielen, ohne die verschiedenen Gameplay-Elemente zu sehr miteinander zu verknüpfen. Neuerungen werden im Solo-Abenteuer tatsächlich mit der Lupe gesucht – zumindest so lange, bis Qudy die Bühne betritt und die Spielmechanik gehörig aufbohrt. Sein Abenteuer hat mir tatsächlich mehr gefallen als das des eigentlichen Protagonisten. Interessant finde ich auch den Zwei-Spieler-Modus, der ebenso frischen Wind ins Franchise bringt. Dieser ist tatsächlich auch alleine spielbar, was aber nur bedingt Spaß macht, da die Entwickler vergessen haben, der gerade nicht aktiven Spielfigur eine künstliche Intelligenz zu spendieren. Dennoch ist Boxboy! + Boxgirl! vor allem aufgrund seines immensen Umfangs eine absolute Empfehlung für Neulinge, die bisher noch keinen Kontakt mit der Serie gehabt haben. Kenner müssen sich hingegen zunächst durch zu viel bekannte Inhalte kämpfen, um Zugang zu den Neuerungen zu bekommen. Wer damit kein Problem hat, darf aber auch diesmal zuschlagen, denn Spaß macht der Geschicklichkeitstitel definitiv!