Little Briar Rose – TEST
Manche Spiele wie Ōkami oder gleich mehrere Ableger der The-Legend-of-Zelda-Reihe können auf den ersten Blick vor allem aufgrund ihrer besonderen Grafikstile identifiziert werden. Das Point-and-Click-Adventure Little Briar Rose gehört zu dieser Videospielkategorie und macht mit seinem einzigartigen Bleiglasfenster-Look auf sich aufmerksam.
Little Briar Rose basiert – wie es der Titel des Spiels vermuten lässt – vage auf dem deutschen Märchen „Dornröschen“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, das von der Erzählung „Die schlafende Schöne im Wald“ von Charles Perrault beeinflusst wurde. Der französische Schriftsteller hat seine Inspiration wiederum vermutlich vom Märchen „Sonne, Mond und Talia“ vom Italiener Giambattista Basile genommen. Auch der englische Prosaroman „Perceforest“ hatte einen Einfluss auf die Entstehungsgeschichte des Märchens. Beim Videospiel Little Briar Rose des italienischen Entwicklerstudios Elf Games handelt es sich also weniger um ein deutsch, sondern mehr um ein europäisch geprägtes Werk.
In dieser kunterbunten Mischung schlüpfen wir in die Rolle des Prinzen, der einen verwunschenen Wald durchqueren muss. An dessen Ende wartet ein mit Dornen überzogenes Schloss auf uns, in dem wir ganz schlicht die Prinzessin aus ihrem Schlummer mit einem Kuss wecken müssen. Was anfänglich nach einer klischeebeladenen Handlung klingt, entpuppt sich im Verlauf des rund dreistündigen Abenteuers als fantasievolles Sammelsurium kleinerer Geschichten. So müssen wir zum Beispiel zerstrittenen Gnomen dabei helfen, eine Bibliothek zu errichten. Eine Fee wiederum will sich zu einem Ball herausputzen. Wir werden hierbei auserkoren, ihr Outfit zu bestimmen.
Planlos durch den Märchenwald
So amüsant die einzelnen Geschichten von Little Briar Rose auch sein mögen, so unklug sind sie miteinander verzahnt. Meistens dann, wenn wir glauben, der Lösung einen Schritt näher gekommen zu sein, stoppen unsere Gesprächspartner die Dialoge abrupt. Wir erhalten in den seltensten Fällen einen Hinweis darauf, welchen Ort wir als nächstes aufsuchen sollten. Auch wenn die Spielwelt mit acht kleinen Schauplätzen überschaubar ausfällt, ist das ständige Abklappern bereits besuchter Areale eine äußerst nervige Angelegenheit. Wer keine Lust darauf hat, alle Gebiete erneut zu besuchen und wieder alle Figuren anzulabern, kann das Spiel auch jederzeit um einen Hinweis bitten.
Um einen Tipp zu bekommen, muss jedoch ein kleines Puzzle gelöst werden. Anschließend wird der nächste Zielpunkt hervorgehoben, sofern wir uns am richtigen Ort befinden. Andernfalls ertönt ein akustisches Signal. Dann müssen wir so oft auf den Hinweisknopf drücken, bis wir im richtigen Gebiet angelangt sind. Hier ist Little Briar Rose fair genug und lässt uns das Rätsel nicht wiederholen. Nichtsdestotrotz ist dies leider genau dann der Fall, wenn wir den nächsten Tipp benötigen. Pro Kapitel kommen wir im Übrigen nur in den Genuss eines einzelnen Puzzles. Wer – wie wir – zu oft Gebrauch von der Hinweisstellung machen, wird dem Feature und selbst dem Spiel schnell überdrüssig.
Abenteuer für die Hosentasche
Wer diese Tortur durchhält, kommt in den Genuss kleinerer Schiebepuzzles oder Minispiele. Abseits dessen fällt das Gameplay von Little Briar Rose jedoch marginal aus, da häufig reine Dialoge das nächste Ereignis auslösen. Mehrere Dialogoptionen kommen bis auf ganz wenige Ausnahmen überhaupt nicht vor und auch das Kombinieren von Gegenständen ist nur an vorgegebenen Stellen möglich. Hier verschenkt Entwicklerstudio Elf Games unnötig viel Potenzial. Dass Point-and-Click-Adventures selbst ohne ausgeprägte Gameplay-Mechaniken auskommen und trotzdem überzeugen können, hat The Lion’s Song von Mi’pu’mi Games bereits bewiesen.
Besonders wichtig für ein Point-and-Click-Adventure ist eine eingängige Steuerung. Diese gefällt uns in Little Briar Rose allerdings nur zum Teil. Zwar lässt sich unser Prinz sehr leicht mit dem linken Analog-Stick durch den Märchenwald manövrieren und auch alle anderen Angaben werden direkt erkannt, doch ist das vor allem bei Puzzles und Minispielen eine fummelige Angelegenheit. Glücklicherweise unterstützt das Spiel den Touchscreen der Nintendo Switch und lässt sich somit zumindest im Handheld-Modus wesentlich besser spielen. Hier reicht ein Tippen oder Ziehen mit dem Finger auf den Bildschirm aus, um alle Aktionen umzusetzen. Vor allem Switch-Lite-Besitzer sollten sich dem nützlichen Feature bewusst sein.
Englisch will gelernt sein
Um in den Genuss des vollen Spielspaßes zu kommen, sind gute Englisch-, Französisch, Italienisch- oder Spanischkenntnisse erforderlich. Eine deutsche Übersetzung gibt es leider nicht. Oft haben wir uns dabei ertappt, wichtige Begriffe in Wörterbüchern nachzuschlagen. Dies ist vor allem den einzelnen Item-Bezeichnungen geschuldet, zumal ausführliche Beschreibungen fehlen. Sollen wir an einer bestimmten Stelle die Schere einer Krabbe verwenden, denken wir in der englischen Übersetzung an den Begriff „claw“, da dieser Gegenstand mitsamt Bild im Inventar dementsprechend katalogisiert ist. Die Nicht-Spieler-Charaktere im Märchenwald sprechen hingegen vom Begriff „pincer“.
Insbesondere bei einem Point-and-Click-Adventure sind konkrete Beschreibungen und Schlüsselbegriffe unabdingbar, was die Entwickler von Elf Games leider an zu vielen Stellen nicht beachtet haben. Falsche Entscheidungen können im schlimmsten Fall zum Tod der Spielfigur führen. Schlimm ist das aber nicht, da wir daraufhin mit einem neuen Prinz starten dürfen, der auf demselben Kenntnisstand wie der vorherige ist. Dies ist im Übrigen auch für das Finale wichtig, was wir aus Spoiler-Gründen aber nicht weiter erwähnen wollen. Bis der Abspann über den Bildschirm flimmert, müssen wir den angenehmen, aber oft repetitiven Soundtrack überleben. Da der Bleiglasfenster-Grafikstil aber so schön ausfällt, beißen wir in Little Briar Rose die Zähne gerne einmal mehr zusammen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Spiele, die mit einem besonderen Grafikstil auf sich aufmerksam machen, haben bei mir direkt einen Stein im Brett. Little Briar Rose hat es deshalb bereits mit dem Trailer geschafft, mich zu verzaubern. Leider ist das fertige Produkt, so märchenhaft es an manchen Stellen auch erzählt sein mag, recht mittelmäßig geworden. So mag ich zwar die einzelnen Geschichten der ulkigen Bewohner, doch finde ich es schade, dass diese Erzählungen kaum miteinander verwoben sind und ich viel zu oft das Hinweis-Puzzle absolviere. Nur so kann ich schließlich verhindern, dass ich nicht wieder die gesamte Spielwelt abgrasen und alle Nicht-Spieler-Charaktere erneut anquatschen muss. Schade ist auch, dass das Spiel keine deutsche Übersetzung spendiert bekommen hat und ich somit unbekannte Begriffe zu oft in Wörterbüchern nachschlagen musste. Vor allem Unterschiede in Item-Bezeichnungen im Menü und in Dialogen stoßen mir hier bitter auf. Kleinere Highlights sind für mich die Minispiele und Schiebepuzzles, die den drögen Alltag auflockern. Wirklich gut spielbar sind diese allerdings nur über den Touchscreen der Switch, weshalb ich Little Briar Rose – so wunderbar das Spiel mit seinem Bleiglasfenster-Look auf dem Bildschirm meines Fernsehers auch aussieht – nur im Handheld-Modus spielen will. Fans von Point-and-Click-Adventures, die mit den nervigen Macken von Little Briar Rose leben können, dürfen zuschlagen. Alle anderen sollten sich nach Alternativen umsehen.