Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains – TEST

In den 1990er-Jahren haben Rollenspiele eine ganze Generation geprägt. Leider war dies auch eine Zeit, in der ein Großteil der Genrevertreter gar nicht den Weg nach Europa fand. Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains ist einer dieser Titel, den wir verpasst haben.


Von der Xuan-Yuan-Sword-Reihe dürften allerhöchstens eingefleischte Rollenspieler etwas gehört haben, denn die Serie fasste in Europa erstmals mit der siebten Episode von 2020 Fuß. Die früheren Teile, die bis ins Jahr 1990 zurückreichen, wurden bislang nicht lokalisiert. Mit Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains hat sich dieser Umstand Anfang Dezember 2023 leicht geändert. Hierbei handelt es sich um den dritten Hauptteil der Reihe des taiwanesischen Entwicklerstudios Softstar von 1999, der in die Riege japanischer Rollenspiele wie Chrono Cross fällt, die auf vorgerenderte Hintergründe setzen.

Wer sich gar nicht mit der langlebigsten Rollenspielreihe Taiwans auskennt, muss nicht verzagen. Da so gut wie jeder Serienteil in einer anderen Zeitepoche spielt, sind Vorkenntnisse nicht zwingend erforderlich. Bei der titelgebenden Waffe handelt es sich um das legendäre Schwert, mit dem sich der mythische Kaiser Huángdì gegen die Kreatur Chīyóu behauptete und damit China rettete. Seither wird die Waffe von Generation zu Generation weitergegeben, um immer wieder böse Mächte abzuwehren, die die Menschheit bedrohen. Diesmal fällt das Los auf Sàitè beziehungsweise Septem, wie er in der englischen Fassung genannt wird. Der Krieger, in dem deutsches wie chinesisches Blut fließt, bereist Eurasien und muss den Untergang der Welt abwenden.

Konstruierte Historizität

Beim Gameplay wagt Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains keine Experimente und das muss das Rollenspiel auch nicht. Es setzt derart stark auf Genrekonventionen, sodass sich jeder Rollenspieler mit einem Herz für die Titel der 1990er-Jahre sofort zurechtfindet. So bereisen wir Eurasien, entdecken Städte wie Venedig, Bagdad oder Luòyáng und lernen unterschiedliche Kulturen und Religionen kennen. Auch politisch wird es zuweilen, wenn plötzlich historische Ereignisse wie die abbasidische Revolution thematisiert werden. Auch begegnen wir historischen Persönlichkeiten wie dem Hausmeier Pippin dem Jüngeren oder dem General Lǐ Jìng.

Gemischt ist all das natürlich mit einer kräftigen Portion Fantasy, sodass sich all das in der Weltgeschichte nicht genau so abgespielt hat, wie es uns Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains vielleicht vorgaukelt. Nichtsdestotrotz gefällt uns die Geschichte, da sie wendungsreich, interessant und spannend geschrieben ist. Das Rollenspiel ist jedoch lediglich auf Englisch spielbar. Grundsätzlich kein großes Problem, doch ist die Übersetzung an manchen Stellen etwas holprig und etwas unglücklich geschrieben. Auch fehlen häufig im Satz Leerzeichen und manchmal sind Textüberreste von Formatierungen zu sehen. Obwohl all das vermeidbar gewesen wäre, stehen diese Fehlerchen dem Spielspaß keinesfalls im Weg.

Klassisches Rollenspiel

Während wir in den Dungeons und auf der Oberwelt im Rahmen von rundenbasierten Zufallskämpfen gegen dutzende Monster kämpfen, durch die wir den Level von Septem und seinen Verbündeten steigern, geben wir in den Städten respektive bei Händlern das erbeutete Geld für neue Waffen und Rüstungen aus. So werden wir nach und nach stärker und pulverisieren unsere Feinde der Reihe nach. Gut, eigentlich machen wir das bereits von Anfang an, denn sonderlich schwierig oder besonders anspruchsvoll ist der Titel selten. Höchstens wenn dann schon einmal ein Bossgegner auftaucht, kann dieser ein Gruppenmitglied mit einem kritischen Treffer schon mal ins Nirwana pusten.

Hier hätte der Schwierigkeitsgrad ruhig ein wenig ausgeglichener sein können. Trotzdem fallen die Kämpfe, die wirklich häufig auftreten, erfreulich kurz aus. Die Auto-Battle-Funktion erspart dann sogar nerviges Knöpfchendrücken. Neben normalen Angriffen erlernen die Helden von Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains auf bestimmten Stufen neue Zaubersprüche, die gerade in späteren Spielstunden ordentlich reinhauen können. Hinzu kommt, dass im Kampf parallel eine ultimative Attacke aufgeladen wird, die gerade in brenzligen Situationen die Wende bringen können. Schnell fühlen wir uns dabei ins goldene Zeitalter der Rollenspiele zurückversetzt. Echt herrlich!

Kleinod mit Schönheitsflecken

Optisch setzt das Spiel auf vorgerenderte dreidimensionale Hintergründe. Die zweidimensionalen Charaktermodelle fügen sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Lediglich, dass die Figuren in den Städten wie in einem Ameisenlaufen wild durcheinanderlaufen, grenzt an Reizüberflutung. Schlimm ist das deshalb, da wir uns selten merken können, mit welchem Nicht-Spieler-Charakter wir schon gesprochen haben. So können wir Nebenquests verpassen, die immerhin übersichtlich in einem kurzen Journal verzeichnet werden. Komfortfunktionen wie Questmarker oder ähnliches gibt es in Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains natürlich nicht; dafür ist das Spiel schlicht zu alt. So muss vieles selbst herausgefunden werden, was ungeduldigen Naturen ein Dorn im Auge sein könnte. Wer sich darauf einlässt, bekommt so aber immerhin ein immersives Erlebnis vorgesetzt.

Durchweg positiv fällt hingegen der Soundtrack auf, der die europäischen, west- und ostasiatischen Areale wunderbar einfängt. Völlig rund läuft das Spiel aber leider nicht ganz. So startet bei der Musik ein beendeter Track nach einer sekundenlangen Pause wieder von vorn. Auch kann das Spiel einfrieren oder abstürzen. Immerhin funktioniert die Autosave-Funktion tadellos. Genrefans, die über die Macken hinwegsehen, finden in Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains ein waschechtes Kleinod!

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Um klassische Rollenspiele, vor allem wenn sie in den 1990er-Jahren entwickelt wurden, komme ich einfach nicht herum. Bei Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains handelt es sich um einen Genrevertreter, der mit dem viel zu niedrigen und manchmal zu heftigen Schwierigkeitsgrad, dem wirren Städtergewusel in den Ortschaften und schlicht der Technik einiges falsch macht. Trotzdem gelingt es dem Rollenspiel mit seinem optischen Charme, der tollen Musik und seiner interessanten Geschichte regelrecht zu verzaubern. Auch wenn das Spiel hin und wieder einfriert oder abstürzt, starte ich das Spiel gerne neu und bin dank tadelloser Autosave-Funktion schnell wieder im Geschehen drin. Auch dass ich jederzeit speichern kann, macht das Spiel zu einem wunderbaren Abenteuer für zwischendurch oder Bus- und Bahnfahrten. Wenn ihr euch für die Rollenspiele der frühen bis späten 1990er-Jahre interessiert und davon nicht genug bekommen könnt, solltet ihr bei Xuan Yuan Sword – Mists beyond the Mountains zuschlagen. Ansonsten könntet ihr ein echtes Juwel verpassen, in dessen Kern wirklich sehr viel Liebe steckt.