Camp Sunshine – TEST

Mittels der verschiedenen Versionen der Software RPG Maker entstehen seit den späten 1990er-Jahren Rollenspiele von und für Genrefans. Dass mit dem Videospielbaukasten auch andere Genres bedient werden können, beweist das Survival-Horror-Spiel Camp Sunshine.


Horror kann viele verschiedene Formen annehmen. Abartige Bestien, welche uns zerfleischen wollen, oder geistartige Wesen, die unseren Verstand täuschen, sind nur zwei von unzähligen möglichen Varianten. Camp Sunshine, das 2016 bereits für den PC erschienen und im Oktober 2024 für die Nintendo Switch nachgereicht wurde, entscheidet sich hingegen für den Weg des gestörten Massenmörders. Übernatürliche Geschehnisse bleiben hierbei jedoch nicht aus. Wir schlüpfen in die Rolle des Jugendlichen Jez, der von seiner Mutter im titelgebenden Ferienlager abgegeben wird. Hier soll er eine ganze Woche totschlagen.

Hätten Jez oder seine Mutter gewusst, welch traumatische Ereignisse schon in der ersten Nacht auf den Teenager zukommen, wären sie sofort nach Hause gefahren. Erschöpft von der Fahrt schläft Jez sofort ein – und wacht mitten in der Nacht wieder auf. Blut am Boden, Blut an den Wänden und verstümmelte Leichen überall zeichnen ein gar schreckliches Bild. Jez lässt sich davon aber nicht unterkriegen und beschließt, Hilfe zu holen. Leider ist das aber gar nicht so einfach, denn der überwiegende Teil der Bewohner im Ferienlager sind bereits tot – und die wenigen Überlebenden trauen sich gegenseitig nicht mehr und erwarten von Jez Gefallen, bevor sie ihm helfen. Ein Alptraum auch für uns, denn wir erledigen fast nur ermüdende Botengänge.

Schmalspuriges Gameplay

Camp Sunshine spielen wir aus der leicht versetzten Vogelperspektive. Also genau so, wie es sich für den RPG Maker MV gehört, mit dem das Survival-Horror-Abenteuer laut Herstellerangaben entwickelt wurde. Bewaffnet mit einer lichtspendenden Taschenlampe sind wir daher stets auf der Suche nach neuen Batterien, damit wir in der pechschwarzen Nacht auch etwas erkennen. Wir können euch an dieser Stelle aber beruhigen, denn auch wenn ihr tatsächlich keine der großzügig verteilten Batterien finden solltet, habt ihr immer noch einen kleinen, aber ausreichenden Sichtbereich. Nur wenige Elemente sind derart im Schatten versteckt, dass wir sie ohne elektrisches Licht nicht sehen können.

Neben Batterien finden wir auch Nahrung und zahlreiche Sammelgegenstände, die wir für die Nebenaufgaben einsacken müssen. Uns fällt hierbei positiv auf, dass wir die meisten Quests in einer beliebigen Reihenfolge abschließen dürfen. Mehr als dass wir besondere Items finden oder dass wir zu einem bestimmten Ort gelangen erwartet das Spiel von uns allerdings nicht. Abweichungen im Gameplay gibt es nur selten. Beispielsweise spielen wir an einem Arcade-Automaten eine schlecht umgesetzte Variante von Pac-Man oder verschieben in einem Lagerhaus diverse Kisten, um das nächste gesuchte Objekt zu erhalten. Spielerisch ist das weitgehend altbacken und etwas einschläfernd.

Adrenalinstoß dank Massenmörder

Jetzt fragt ihr euch sicherlich, warum ihr Camp Sunshine denn spielen solltet, wenn die Mechaniken sich selbst für ein Spiel im Pixelgewand schnell abnutzen. Die Antwort liegt ganz klar an der dichten Atmosphäre, für die vor allem der umherstreifende Massenmörder verantwortlich ist. Mit einer Bärenmaske auf dem Kopf taucht dieser plötzlich und unerwartet immer mal wieder in den einzelnen Hütten, im Lager oder den umliegenden Arealen auf – und macht natürlich Jagd auf uns. Wer Survival-Horror-Spiele wie Clock Tower oder Yomawari: Lost in the Dark gespielt hat, kennt das Prozedere: Es gilt die Beine in die Hand nehmen!

Je nach Ort kann uns ganz schön die Pumpe gehen, da wir vor dem Killer zwar abhauen können, unsere Ausdauerleiste aber begrenzt ist. In den meisten Fällen reicht es aber vollkommen aus, einfach ins nächste Gebäude zu fliehen oder das Areal zu wechseln. Wir schon einmal in Eigenregie Spiele mit irgendeiner Version des RPG Makers entwickelt hat, kennt nämlich die Stärken und die Schwächen des Programms. Entwicklerstudio Fossil Games hat zwar grundlegend eine gute Levelarchitektur entworfen, die sich aber dennoch oft leicht austricksen lässt. Trotzdem sorgt das Auftreten des Mörders immer wieder für einen kurzen Adrenalinschub, für den wir gerade in verschachtelten Innenräumen unsere Ausdauer größtenteils aufsparen.

Gruselige Atmosphäre im RPG-Maker-Stil

In technischer Hinsicht haben die Entwickler von Fossil Games jedoch viel aus der RPG-Maker-MV-Engine herausgekitzelt. Obwohl der Bildschirmausschnitt auf das 4:3-Format beschränkt ist, merken wir davon nur in seltenen Fällen etwas. Das liegt an der niedrigen Helligkeitsstufe und dem dezenten Einsatz von Nebeleffekten in Camp Sunshine, weshalb wir tatsächlich nur das direkte Umfeld von Jez und etwaige Lichtquellen gut erkennen können. Außerdem sind viele Elemente wie die zu untersuchenden Möbelstücke oder die Charaktere der Auflösung entsprechend detailliert gestaltet.

Ebenso gefällt uns die Klangkulisse, die uns vor allem bei den englischen Sprachfetzen beim Auftauchen des Killers den Puls in die Höhe schnellen lässt. Die einzelnen Musikstücke tun ihr Übriges und hauchen dem Abenteuer reichlich Atmosphäre ein. Damit nicht genug sorgt auch die limitierte Steuerung in nur vier Himmelsrichtungen für ein leicht klaustrophobisches Gefühl. Trotz schmalspurigem Gameplay kann uns das Spiel bei Laune halten, da wir durch gefundene Tagebuchseiten immer mehr über die schaurige Vergangenheit verschiedener Figuren erhalten. Zu guter Letzt entdecken wir hin und wieder markante Anspielungen auf bekannte Horrorfilme wie Halloween III oder Shining. Horrorfilmfans profitieren beim Spielen von Camp Sunshine also gleich doppelt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Camp Sunshine wirkt im ersten Moment wie ein bescheidenes RPG-Maker-Spiel. Auf den ersten Blick mag das auch stimmen, macht der Titel spielerisch und visuell im Vergleich zur Genrekonkurrenz schließlich nicht so viel her. Dieser Eindruck täuscht jedoch – zumindest ein wenig. Die Entwickler haben die RPG-Maker-MV-Engine geschickt genutzt, um mit geringen Mitteln ein dennoch atmosphärisches Survival-Horror-Spiel zu entwerfen. Eingewickelt in eine einfache Story um einen Teenager, der ein Ferienlager besucht und plötzlich den nackten Horror am eigenen Leib erlebt, erfahre ich durch das Sammeln von Tagebucheinträgen immer mehr dunkle Geheimnisse. Auch das Verstecken vor dem Massenmörder im Lager macht bis zu einem gewissen Grad Laune. Wer die Grenzen auch nur irgendeiner RPG-Maker-Version kennt, weiß sie genauso gut auszutricksen, womit der Spielspaß teilweise steht und fällt. Dennoch machen diese beiden Aspekte im Gegensatz zum Gameplay deutlich mehr Spaß, denn die Mechaniken basieren überwiegend auf dem simplen Beschaffen von Sammelgegenständen. Wer damit kein Problem hat und noch dazu viele Horrorfilmreferenzen inhalieren will, sollte sich den Titel anschauen. Trotz aller Unkenrufe ist Camp Sunshine ein kleiner wie kurzweiliger Geheimtipp geworden.