Yomawari: Lost in the Dark – TEST

Am 28. Oktober 2022 erschien mit Yomawari: Lost in the Dark der nunmehr dritte Teil von Nippon Ichi Softwares niedlich-gruseliger Horror-Reihe, die im Jahr 2015 mit Yomawari: Night Alone auf der PlayStation Vita und dem PC ihren Anfang nahm. Auch im aktuellen Spiel übernehmen wir die Rolle eines kleinen Mädchens, das nachts allein und verloren nur mit einer Taschenlampe bewaffnet durch die finsteren Straßen einer japanischen Kleinstadt wandert und dabei furchterregenden Geistern ausgeliefert ist.


Der japanische Spiele-Entwickler Nippon Ichi Software ist den meisten Spielern in westlichen Gefilden vor allem durch die Disgaea-Reihe und diverse Rollenspiele ein Begriff. Tatsächlich zeichnet sich das Studio auch für eine ganze Reihe von Horror-Spielen wie die Visual-Novel-Reihe Hayarigami oder dem Adventure Closed Nightmare verantwortlich, welche es jedoch alle bis jetzt leider nicht aus Japan herausgeschafft haben. Einzige Ausnahme ist die Yomawari-Reihe, die im Jahr 2015 mit Yomawari: Night Alone auf der PlayStation Vita ihren Anfang nahm und ein Jahr später zeitgleich mit seinem Release in den USA und Europa auf den PC umgesetzt wurde. In Yomawari: Night Alone steuern wir ein kleines Mädchen im Grundschulalter auf der Suche nach ihrem Hund und ihrer älteren Schwester durch eine von bizarren Geistern heimgesuchte nächtliche japanische Wohngegend. Die im Jahr 2017 erschienene Fortsetzung Yomawari: Midnight Shadows erweiterte das Spielprinzip konsequent und wartete gleich mit zwei kleinen Protagonistinnen auf, welche in der nächtlichen Stadt getrennt werden und wieder zueinander finden müssen. Beide Spiele wurden schließlich im Jahr 2018 zusammen in der Yomawari: The Long Night Collection auf der Nintendo Switch veröffentlicht. Passend zu Halloween erschien mit Yomawari: Lost in the Dark der dritte Teil der Reihe, der ein weiteres kleine Mädchen auf eine alptraumhafte Reise durch die finstere Nacht schickt.

Ein Fluch und verlorene Erinnerungen

Nach einer kurzen Eröffnungssequenz, in der wir das Aussehen unserer Protagonistin leicht verändern und ihr einen Namen verpassen können, finden wir uns in einer düsteren Schultoilette wieder. Hierhin sind wir augenscheinlich vor unseren grausamen Klassenkameraden geflohen, von denen unsere Protagonistin unablässig gequält wird. Es folgt ein kurzer Prolog, bei dem wir die recht simple Steuerung erklärt bekommen und uns durch die überhaupt nicht einladend wirkenden Korridore der Schule führt, während wir grausames Mobbing über uns ergehen lassen müssen. Am Ende steht das Mädchen in der Abenddämmerung auf dem Dach der Schule und ist nach einem Kameraschwenk und der Einblendung des Spieltitels verschwunden. Hat sie sich in ihrer Verzweiflung vom Dach des Schulgebäudes gestürzt?

Wir kommen in einer nächtlichen Schneelandschaft wieder zur Besinnung und haben unsere kompletten Erinnerungen verloren. In der Nähe finden wir eine Taschenlampe und erlernen weitere Details der Steuerung. Bald treffen wir auf ein anderes junges Mädchen, das uns von einem Fluch erzählt, der auf uns lastet. Die einzige Möglichkeit, diesen Fluch loszuwerden, sei es, sehr wichtige, verlorene Erinnerungen vor dem Morgengrauen wiederzufinden, andernfalls würde er ewig auf uns lasten. Schon bald finden wir uns nur mit der gefundenen Taschenlampe ausgerüstet auf den nächtlichen Straßen der kleinen japanischen Stadt wieder und stellen uns den Schrecken, welche in der Dunkelheit lauern.

Allein in der Dunkelheit

Wie in den beiden Vorgängern durchstreifen wir also ganz auf uns alleine gestellt die menschenleeren, von Geistern heimgesuchten finsteren Straßen und Hinterhöfe der namenlosen japanischen Kleinstadt, die in einer isometrischen Perspektive dargestellt ist. Dabei sind wir auf der Suche nach Gegenständen, die uns dabei helfen, unsere Erinnerungen wiederzufinden. Die Stadt ist recht offen begehbar und oft können wir selbst entscheiden, welchen Hinweisen wir zuerst nachgehen wollen. Angrenzend an die Stadt besuchen wir zudem im Verlauf des Spiels einige andere dungeonartige Gebiete wie eine verlassene Schule, ein Geisterschiff und einen Friedhof, welche allesamt mit verschiedenen Puzzles und Geisterbegegnungen aufwarten. Eine Automap zeichnet dabei unseren Weg nach. Neue Gebiete entdecken wir durch einen Blick auf die in der Umgebung verstreuten Stadtkarten, auf denen wichtige Gebäude und Orte eingezeichnet sind. Unterwegs finden wir immer wieder die verschiedensten Gegenstände und Notizen, von denen einige die Story voranbringen, andere aber nur als Collectibles dienen.

Eine Autosave-Funktion besitzt das Spiel nicht. Stattdessen müssen wir über die Karte verstreute Jizō-Statuen finden, an denen wir speichern können, wenn wir eine Zehn-Yen-Münze opfern. Diese Münzen finden wir unterwegs bei unseren Erkundungen. Glücklicherweise sind diese nicht so selten wie die Gegenstände bei anderen Survival-Horror-Spielen, welche auf ähnliche limitierte Speicherfunktionen setzen. Eigentlich haben wir immer genug Münzen zum Speichern übrig. Sollten wir dennoch keine Münzen mehr in unserem Inventar haben, können wir in unserem Zuhause, das wir relativ früh im Spiel wieder finden, kostenlos speichern. Die Jizō-Statuen dienen zudem auch als praktische Schnellreise-Punkte, sobald wir sie entdeckt haben. Sie helfen uns dabei, die mitunter langen Laufwege drastisch zu verkürzen.

Augen zu und durch

Wie auch in den beiden Vorgängern werden die nächtlichen Straßen wie bereits erwähnt von einer Schar bizarrer, angsteinflößender Geister heimgesucht. Diese sind allesamt wunderbar verstörend designt und basieren zum Teil auf den mannigfaltigen Spukgestalten der japanischen Folklore. Das Aussehen reicht dabei von schwarzen, jammernden Schattengestalten bis hin zu tentakelbewehrten und mit zahlreichen Augen ausgestatteten grotesken Wesen. Die Geister werden zudem nur dann sichtbar, wenn wir sie mit der Taschenlampe anstrahlen und ihre Verhaltensweisen sind auch ganz unterschiedlich. Während ein paar der Geister, wie beispielsweise ein riesiger Kopf, der in der Mitte der Straße auftaucht, lediglich unseren Weg versperrt, trachten eine große Anzahl der verlorenen Seelen nach unserem Leben.

Wie bei diversen anderen Vertretern des Survival-Horror-Genres wie zum Beispiel Amnesia: The Dark Descent, SOMA oder Outlast gibt es in der Yomawari-Reihe keine Waffen, mit denen wir uns gegen die diversen furchteinflößenden Gegner verteidigen können. Dies ist auch bei Yomawari: Lost in the Dark nicht anders, und wir müssen versuchen, mit verschiedenen Tricks den Geistern aus dem Weg zu gehen. So finden wir zunächst in der Stadt verstreut diverse Gegenstände wie Steine oder Papierflieger, mit denen wir die Spukwesen kurz ablenken können. Manchmal hilft dies jedoch auch nicht und wir müssen an den Geistern tatsächlich vorbei. In diesem Fall können wir uns die Augen zuhalten, indem wir die beiden hinteren Schultertasten gedrückt halten. Dies verringert unseren Sichtradius auf die unmittelbare Umgebung der Protagonistin. Die Geister werden schemenhaft als rote Nebelschwaden sichtbar und unser Herzschlag wird lauter und schneller, je näher wir den Spukwesen kommen. Unweigerlich halten wir beim Spielen den Atem an und hoffen, dass wir unbeschadet an den Geistern vorbeikommen. Werden wir nämlich von ihnen berührt, führt dies zum sofortigen Ableben, was uns an die zuletzt besuchte Jizō zurückbringt.

Aber nicht alle Geister lassen sich durch Augenzuhalten austricksen. Manche verschwinden, wenn sie direktem Licht ausgesetzt sind, oder wir ihnen den Rücken zudrehen. Dies bringt ein wenig Taktik und Abwechslung in die Begegnungen mit den übernatürlichen Feinden. Manchmal kommt es zudem zu Begegnungen mit besonderen Geistern. Diese könnten wir mangels einer besseren Bezeichnung als „Bosskämpfe“ ansehen, wobei wir auch hier natürlich nicht wirklich kämpfen müssen. Vielmehr müssen wir eine gewisse Zeit ihren Attacken widerstehen, mit bestimmten Taktiken ihren Angriffen ausweichen oder vor ihnen flüchten. Hier liegt aber unserer Meinung nach der Haupt-Kritikpunkt an Yomawari: Lost in the Dark. Viele dieser Bosskämpfe basieren auf einem Trial-and-Error-Prinzip, wobei uns eine einzige Berührung mit dem Geist oder eines der Objekte über den Jordan schickt und uns die Begegnung wieder ganz von vorne beginnen lässt. Dies sorgt mitunter für viel Frust. Zwar sind die Speicherpunkte gnädigerweise direkt in der Nähe einer solchen Geisterbegegnung zu finden, aber die Tatsache, dass wir einen mehrere Phasen umspannenden Boss immer wieder von neu beginnen müssen, wenn wir in der letzten Phase das Zeitliche segnen, kann schon wirklich nerven. Hier wäre es vielleicht gut gewesen, unserer Protagonistin die Möglichkeit zu geben, mehrere Treffer auszuhalten, um dem Frust entgegenzuwirken.

Hübsche Grafik und bedrohliche Soundkulisse

Die handgezeichnete Grafik von Yomawari: Lost in the Dark weiß genau wie in den Vorgängern durch viele liebevolle Details zu überzeugen. Auch die teilweise niedlichen Darstellungen der Heldin und anderen Figuren passen wunderbar zu der Prämisse, dass wir es hier mit einer Horrorgeschichte aus den Augen eines Kindes zu tun haben. Oft steht die niedliche Optik auch im direkten Kontrast mit der sehr emotionalen Geschichte, den verstörenden Geschehnissen und grotesken Geisterdesigns, was uns gerade deshalb sehr gut gefällt.

Zu überzeugen weiß auch die Soundkulisse. Genau wie die anderen Spiele der Reihe kommt auch Yomawari: Lost in the Dark fast komplett ohne Musik aus und setzt seinen Fokus komplett auf die Umgebungsgeräusche. Zirpende Grillen, das elektrische Summen von Straßenlaternen oder den in Japan so omnipräsenten Getränkeautomaten gepaart mit dem Schlurfen und Stöhnen der geisterhaften Gegner sorgt für eine unglaublich dichte, gruselige Atmosphäre. Da das Spiel schon direkt am Anfang das Nutzen von Kopfhörern empfiehlt, zeigt, dass der Sound ein wesentlicher Bestandteil der bedrohlichen Atmosphäre des Spiels darstellt. Die Stille gepaart mit den nächtlichen Geräuschen wird von dem Spiel zudem für ein paar sehr effektive Jump-Scares genutzt, die jedoch sparsam eingesetzt werden und schreckhaftere Naturen nicht das Spielerlebnis vermiesen dürften.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Von der auf den ersten Blick niedlichen Grafik von Yomawari: Lost in the Dark sollte sich kein gestandener Horror-Veteran abschrecken lassen. Statt Unmengen an Blut und Gore-Effekten wartet das Spiel mit einer sehr stimmungsvollen und gruseligen Atmosphäre und einer Geschichte mit einigen emotionalen Höhepunkten auf. Besonders gut haben mir auch die grotesken und furchteinflößenden Designs der zahlreichen verschiedenen Geister gefallen, die allesamt wirklich abwechslungsreich gestaltet wurden und mit ihren unterschiedlichen Verhaltensweisen für zusätzliche Puzzle-Elemente sorgen. Einziger Wermutstropfen sind die teilweise etwas frustrierenden Begegnungen mit den Boss-Geistern, die designtechnisch etwas besser gelöst hätten werden können. Auch die komplette Wehrlosigkeit der Hauptfigur dürfte nicht jedem gefallen, auch wenn ich es als sehr passend für die Thematik des Spiels empfinde. Zwar sind die spielerischen Neuerungen gegenüber den beiden Vorgängern relativ gering, aber dies sollte Serienkenner nicht davon abhalten, einen erneuten Ausflug in die alptraumhafte Welt von Yomawari zu wagen. Auch Neulinge und interessierte Horror-Fans, die bisher noch keinen Teil der Reihe gespielt haben, dürfen zuschlagen, wenn sie eine gewisse Toleranz gegenüber den frustigen Trial-and-Error-Passagen aufbringen können. Ansonsten ist Yomawari: Lost in the Dark ein wirklich schönes Spiel für die schaurige Jahreszeit.