Chronus Arc – TEST

Wenn einer die Bastion der letzten klassischen japanischen Rollenspiele hält, dann ist das mit regelmäßigen Veröffentlichungen definitiv Kemco. Der japanische Publisher schickt mit dem Titel Chronus Arc aber ein Spiel ins Rennen, das es nicht einmal auf die Zielgerade schafft.

 


Chronus Arc spielt in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt, in der alle paar Jahre das Fest zum Rücklauf der Zeit gefeiert wird. Während dieses mysteriösen Ereignisses werden wie durch Geisterhand zerbrochene Gegenstände repariert, was die Bewohner von Kiribay jedes Mal aufs Neue fasziniert. Um das Fest zu feiern, werden der junge Loka und sein Meister Teth in die naheliegende Höhle geschickt, um die ominösen Chronusfragmente zu beschaffen. Der Ausflug in die Höhle entpuppt sich als Tutorial, in dem die wichtigsten Elemente des Spiels erklärt werden. Allerdings endet die Einführung abrupt damit, dass Schüler und Lehrer voneinander getrennt werden.

Sowohl die Charaktere als auch die Handlung verspielen hier großes Potenzial, denn während die ersten Minuten des Abenteuers noch durchaus interessant und spannend gestaltet sind, entpuppt sich die Story in den folgenden Spielstunden eher als müde Aneinanderreihung von nur wenig zusammenhängenden Begebenheiten. Stetig werden die Helden von einem Ort zum anderen geschickt und müssen sich mit Nichtigkeiten befassen, anstatt ihr Hauptziel, den verschollenen Teth zu finden, eindrücklich zu verfolgen. Immerhin kann der seichte Humor in den ebenso leicht zu verstehenden Dialogen halbwegs überzeugen.

Spieldesign eines Klassikers

Neben dem Besuch von verschiedenen Städten, die allesamt sehr einfach gestaltet sind, steht in Chronus Arc das Durchforsten von diversen Dungeons stets an der Tagesordnung. Höhlen und Türme unterscheiden sich insofern vom Einheitsbrei japanischer Rollenspiele, indem sie in vielen Räumen mit reichlich Puzzles gespickt sind. Grundsätzlich wäre daran auch nichts auszusetzen, da die Schiebe- und Schalterrätsel sicher eine wohltuende Auflockerung für jeden Abenteurer sein dürften. Schade ist nur, dass diese Denkeinlagen mit frappierender Ähnlichkeit an Lufia II: Rise of the Sinistrals erinnern. Tragbare Krüge, umzulegende Hebel und mehrere zu betätigende Bodenplatten kennen wir bereits aus der 16-Bit-Ära. Ebenso der im Super-Nintendo-Klassiker vorhandene Ursprungszauber ist in Chronus Arc mit von der Partie, denn wenn einmal ein Block unwiderruflich in eine Ecke verschoben wurde, kann das Rätsel auf Knopfdruck zurückgesetzt werden.

Schämen müssen sich die Entwickler dafür nicht, denn das Vorbild gilt vor allem im deutschsprachigen Raum als eines der besten Super-Nintendo-Rollenspiele aller Zeiten. Wir hätten uns aber gewünscht, dass die Entwickler zumindest ein wenig Eigenkreativität in das Spiel gepackt hätten. So bleibt unterm Strich eine Verbeugung vor dem Vorbild, das uns aber nicht über einige Macken des restlichen Spieldesigns hinwegtäuschen kann.

Unverhältnismäßig hoher Schwierigkeitsgrad

Ebenfalls aus Lufia II stammen die Bewegungsmuster der in den Dungeons jederzeit sichtbaren Monster, die hin- und herflitzen, sobald wir selbst einen Schritt wagen. Wie in rundenbasierten Rollenspielen üblich, öffnet sich bei Feindkontakt ein Kampfbildschirm, in dem die Helden ihren Gegnern ins Auge sehen. Hier dürfen wir neben normalen Angriffen auch spezielle Kommandos erteilen, Magie wirken, Gegenstände verwenden, verteidigen oder notfalls die Flucht ergreifen. Auch in dieser Disziplin scheint Chronus Arc zumindest anfangs alles richtig zu machen, doch schon beim Betreten des zweiten Dungeons bringen uns die Feinde zum Fürchten.

Diese sind so stark, dass sie die Helden mit zwei bis drei Schlägen ins virtuelle Nirwana pusten. Um den frühen Tod zu vermeiden, müssen in Chronus Arc unzählige Stunden ins Aufstufen der Spielfiguren investiert – und noch dazu Materialien gesammelt werden, die in das Verbessern von bestehender Ausrüstung investiert werden können. Waffen- und Rüstungsläden im herkömmlichen Sinne gibt es nicht, einzig und allein der Schmied kann hier für Abhilfe sorgen und den Kampf gegen das Böse auf eine erträgliche Stufe hieven. Die eigentlich recht kurze Spielzeit wird so unnötigerweise gestreckt und dazu auch die Bedeutung der wenig wendungsreichen oder überraschenden Handlung ad absurdum geführt.

Licht- und Schattenseiten

Selbst wenn die K(r)ämpfe für das Aufstufen in Kauf genommen werden, passiert im Verlauf des Spiels das immer wieder und wieder. Ärgerlich ist das vor allem deshalb, da der Titel über Mikrotransaktionen verfügt, die der Publisher frech aus dem Free-to-play-Status der Mobile-Fassung übernommen hat. Wer die dreifache Menge an Erfahrungspunkten verdienen oder gar den doppelten Schaden bei Gegnern anrichten möchte, darf jeweils fünf Euro zusätzlich zum Kaufpreis des Spiels berappen. Dies ist nichts weiter als eine Dreistigkeit und ein Schlag ins Gesicht von Fans klassischer Rollenspiele, die von Kemco – auch trotz einiger halbgarer Titel – einfach Besseres gewohnt sind.

Vor allem optisch und akustisch weiß der Titel zu gefallen. Umgebungsgrafiken und Charaktermodelle erinnern an eine gute Mischung aus Breath of Fire II und Seiken Densetsu 3, auch wenn vor allem die Städte sehr detailarm gestaltet sind und den Eindruck eines halbfertigen Produkts hinterlassen. Obwohl die Musikstücke auf Dauer nerven können, lassen sie uns schon nach kurzer Zeit mitsummen. Komfortfunktionen wie eine Schnellreise, eine Erhöhung auf die doppelte oder gar dreifache Kampfgeschwindigkeit, die Möglichkeit jederzeit zu speichern, zu laden oder gar von einem Dungeon auf die Oberwelt zurückzukehren, machen den Titel unterm Strich zwar irgendwo noch zu einem Genuss, der aber prompt vom Schatten der Mikrotransaktionen verdeckt und verschlungen wird.

Geschrieben von Eric Ebelt

 

Fazit:

Kemco ist häufig eine gute Anlaufstelle, um das eine oder andere klassische japanische Rollenspiel erleben zu können, wie es heute wohl von kaum einem Entwickler mehr programmiert wird. Leider verspielt der japanische Publisher mit Chronus Arc die eine oder andere Chance, obwohl reichlich Potenzial im Spiel steckt. Das liegt vor allem an den versteckten Mikrotransaktionen, die das Spielgefühl insofern verbessern können, dass tatsächlich so etwas wie ein Gameflow entstehen kann und das Spiel dann auch wesentlich mehr Spaß bereitet. Wer über diese Dreistigkeit hinwegsieht und auch die ermüdende Storyline in Kauf nimmt, bekommt immerhin ein nettes Spiel mit toller, wenn auch abgekupferter, Rätselmechanik und halbwegs feinem Design. Wer aber noch nie ein Rollenspiel von Kemco gespielt hat, sollte jedoch lieber nicht mit dem halbgaren Chronus Arc beginnen. Es gibt definitiv bessere Alternativen von Kemcos Entwicklerstudios!