Final Fantasy: Crystal Chronicles – Remastered Edition – TEST

Nachdem Square mit dem Kinofilm Final Fantasy: Die Mächte in dir an den Kinokassen leider nicht sonderlich erfolgreich war, folgte gezwungenermaßen die Fusion mit Enix. Um auch für die Zukunft finanziell gewappnet zu sein, entwickelte Square Enix sogar wieder für Nintendos Konsolen. Eines der ersten Projekte war Final Fantasy: Crystal Chronicles im Jahr 2003.


Es ist kaum zu glauben, aber dennoch wahr: Nach der Veröffentlichung von Final Fantasy VI im Jahr 1994 kehrte Square Enix mit der Final-Fantasy-Reihe Nintendo den Rücken zu. Die nächsten Teile erschienen allesamt für Sonys neue PlayStation. An diesem Umstand änderte sich erst 2003 etwas. Kawazu Akitoshi, der sich unter anderem auch für Romancing SaGa 2 und Romancing SaGa 3 verantwortlich zeichnet, entwarf mit Final Fantasy: Crystal Chronicles erneut ein gänzlich neues Spiel. 17 Jahre nach der Erstveröffentlichung, im Zuge zahlreicher Remakes und Portierungen, bescherte uns Square Enix ein Remaster des ehemals exklusiv für den GameCube erhältlichen Spiels. Großartige Änderungen solltet ihr allerdings nicht erwarten, denn grundsätzlich handelt es sich hierbei noch immer um denselben Titel.

Crystal Chronicles spielt in einer nicht näher bezeichneten Fantasy-Spielwelt, in der sich vier Völker mit den Auswirkungen des tödlichen Miasmas herumschlagen müssen. Die Clavats, Liltys, Yukes und Selkies leben friedlich und zurückgezogen in kleineren und größeren Siedlungen, geschützt von großen magischen Kristallen. Diese Kristalle müssen jedoch einmal im Jahr mit dem ominösen Myrrhetau, das aus Myrrhebäumen gewonnen wird, aufgeladen werden. Also schicken diese Ortschaften Jahr für Jahr sogenannte Kristallkarawanen in die Welt hinaus, um Myrrhetau zu sammeln, damit die Gemeinde noch ein weiteres Jahr lang überleben kann.

Nebensächliche, aber mit Details gespickte Story

Nachdem wir uns manuell einen Charakter über einen rudimentären Baukasten erstellt haben, führen wir eine dieser Kristallkarawanen an. Aus unserem Heimatdorf Tipa, dem wir wahlweise auch einen anderen Namen geben können, ziehen wir in die Welt hinaus. Über eine arg begrenzte Weltkarte ziehen wir über die Straßen von einem Dungeon zum nächsten, sammeln Myrrhetau und kehren, sobald wir drei Tropfen im Kristallkelch, den wir jederzeit mit uns herumschleppen, aufgenommen haben, automatisch nach Tipa zurück, womit ein Jahr im Spiel endet. Bis wir dem Endboss das Handwerk gelegt haben, vergehen mindestens fünf dieser Jahre, in denen wir Dungeons erkunden und in diesen den Kelch mit uns herumschleppen.

Die dabei erzählte Geschichte ist zwar nicht sonderlich spannend und bietet ehrlich gesagt auch erst im Finale so etwas wie eine gewisse Tiefe, doch sind die Erlebnisse bis zu diesem Moment immerhin unterhaltsam gestaltet. So lernen wir verschiedene Charaktere kennen, die uns immer mal wieder über den Weg laufen, uns zum Lachen bringen oder uns gar mit hilfreichen Items unterstützen. In den Dialogen erfahren wir zudem immer mehr über die Spielwelt und die einzelnen Völker. Unter anderem lernen wir, dass die kleinen Liltys einst den ganzen Kontinent erobert haben. Visuelle Elemente ergänzen die Geschichtsstunde. So gelangen wir im ersten Spieldrittel in ein zerstörtes Dorf, dessen Karawane wohl nicht zurückgekehrt ist. Solche Details bohren die Atmosphäre von Crystal Chronicles gehörig auf.

Auf der Suche nach dem passenden Zauberspruch

Im Gegensatz zur langlebigen Hauptreihe des Final-Fantasy-Franchises handelt es sich bei Crystal Chronicles um ein Action-Rollenspiel. Sobald wir einen Dungeon betreten, läuft das Geschehen voll und ganz in Echtzeit ab. Goblins, Orks, Schleimmonster, Behemoths und anderes Getier der Vorlage treten in leicht verniedlichter, aber immer noch bedrohlicher Form in Erscheinung und machen bei Blickkontakt Jagd auf uns. Wir erwidern die Begrüßung mit Waffengewalt oder Magie. Damit wir Zaubersprüche wirken können, müssen wir erst mühsam die dazugehörigen Magiekugeln aufsammeln, die besiegte Gegner fallen lassen. Besitzen wir zwei oder mehr dieser Kugeln, können wir sie im Pausenmenü auch miteinander verknüpfen.

Wollen wir beispielsweise die Magie Blitzra wirken, die eine verstärkte Form des Zauberspruchs Blitz ist, müssen wir zwei Kugeln mit Blitz kombinieren. Für den Zauber Sanctus ist es wiederum erforderlich, die Zauber Engel und Eis miteinander zu verbinden. Im Online-Modus, dazu gleich mehr, müssen hingegen zwei Spieler zwei Zauber gleichzeitig anwenden. Das Konzept ist so oder so einzigartig und macht eine ganze Zeit lang auch sehr viel Spaß. Schade ist jedoch, dass beim Beenden oder Verlassen eines Dungeons alle Kugeln sofort wieder verloren gehen. Somit starten wir bei jedem Besuch eines Dungeons bei Null. Es gibt zwar Artefakte, die uns einen Zauberspruch ohne das Sammeln der jeweiligen Kugel ermöglichen, diese wachsen aber nicht an Bäumen und müssen erst einmal aufgespürt werden.

Repetitives Dungeon-Abklappern

Magische Artefakte stellen in Crystal Chronicles im Übrigen den Spielfortschritt dar, denn die aus Rollenspielen gewohnten Erfahrungspunkte gibt es nicht. Je mehr Artefakte wir in einem Dungeon sammeln, desto mächtiger sind wir. Mit ansteigender Spielzeit macht sich das in einem Dungeon und insbesondere bei den teils harten Bosskämpfen sofort bemerkbar. Sobald wir einen Bossgegner besiegt haben, müssen wir jedoch – ähnlich wie bei den für die Zaubersprüche nötigen Magiekugeln – Abschied von den Artefakten nehmen. Behalten dürfen wir nur eines, was uns je nach Ausbeute gelegentlich sauer aufstößt. Mit jedweden Artefakten verstärken wir die Angriffskraft, die Verteidigung, die Zauberkraft oder die Lebensenergie unseres Charakters. Ebenfalls dürfen wir unsere Kommandoleiste erweitern, womit Platz für einen weiteren hilfreichen Zauber oder ein wichtiges Item mehr bleibt.

Grundsätzlich ist diese Art des Spielfortschritts interessant, doch zieht sich das Abenteuer dadurch vor allem zum Ende hin unnötig wie Kaugummi in die Länge. In puncto Schwierigkeitsgrad ist Crystal Chronicles weitgehend leicht angesetzt, doch spätestens sobald wir den letzten Dungeon betreten, bemerken wir, dass das Spektakel auf wiederholtes Abschließen der einzelnen Dungeons ausgelegt ist. Solisten, die nicht ständig Online-Ausflüge mit anderen Spielern wagen wollen, dürften an dieser Stelle entweder kapitulieren oder müssen wohl in den sauren Apfel beißen. Im Mehrspielermodus verkommt das Spiel hingegen zu einem recht albernen Spaziergang.

Unterwegs in den Weiten des Internets

Während wir für den Multiplayer-Modus auf dem GameCube noch vier Game Boy Advances inklusive vier Verbindungskabeln zum Übertragen der Daten benötigen, verzichtet das Remaster von Crystal Chronicles auf der Switch auf so einen Firlefanz. Allerdings lässt sich das Spiel nicht mehr offline zusammen spielen. Um die klar auf Mehrspielerpartien ausgelegten Dungeons gemeinsam anzugehen, müssen wir uns online ins Getümmel werfen. Das funktioniert mit fremden Spielern grundsätzlich gut, ist im Spiel mit Bekannten aber mit einem kleinen, aber feinen Problem behaftet.

Wollen wir mit Freunden spielen, sodass jeder den gleichen Fortschritt erzielt, müssen wir einen Dungeon mehrfach abschließen, da der Fortschritt nur beim Leiter der Online-Sitzung gespeichert wird. Das ist altbacken und sollte mit einem Patch unbedingt behoben werden. Ganz umsonst ist der Online-Ausflug aber nicht, denn immerhin dürfen wir ein Artefakt behalten und sind so für spätere Dungeons besser gewappnet. Außerdem ist so das Tragen des Kristallkelchs angenehmer, da sich abgewechselt wird. In technischer Hinsicht sieht das Remaster deutlich besser respektive weniger verwaschen aus als das Original. Lediglich so manches Charaktermodell wirkt etwas zu klobig. Dafür entschädigt die sehr schöne Musik, die in jedem Dungeon mit neuen Akzenten auf sich aufmerksam macht. Das Remaster von Crystal Chronicles ist zwar nicht auf ganzer Linie geglückt, ein recht spaßiges Multiplayer-Abenteuer ist es im Jahr 2020 aber immer noch.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Final Fantasy: Crystal Chronicles – Remastered Edition bietet mir im Grunde fast dieselbe Spielerfahrung, die ich schon vor vielen Jahren auf dem GameCube gemacht habe. Es macht mir sehr viel Spaß, die abwechslungsreichen Gebiete nach Artefakten abzusuchen, mich mit allerhand Gegnern zu messen und mein Dorf vor dem drohenden Untergang zu retten. Allerdings finde ich es schade, dass mich das Spiel bis zum letzten Dungeon mit sehr wenigen Ausreißern regelrecht unterfordert und auf der Zielgeraden auf einmal so stark anzieht, dass ich um das mehrfache Besuchen der einzelnen Dungeons nicht herum komme. Hier zwingt mir das Spiel den Mehrspieleraspekt auf. Da die Artefakte der Ersatz für Erfahrungspunkte respektive Level-ups sind und ich nur eines am Ende eines Dungeons behalten darf, dauert es entsprechend lange, bis ich mich gegen den Endboss behaupten kann. Es ist wirklich sehr schade, dass das Spiel für Singleplayer-Enthusiasten so deutlich an Reiz verliert. Wer gerne und vor allem viel online spielt, wird also deutlich besser unterhalten. Darauf muss sich jeder, der sich auf das Remaster, das ohne (!) Offline-Mehrspielermodus auskommt, einlassen können.