Gleaner Heights – TEST
Stardew Valley wird nicht selten als beste Bauernhofsimulation gehandelt. Das Spiel überflügelte die jüngsten Ableger von Harvest Moon, Story of Seasons und Co bei Weitem. Dennoch gibt es Titel wie Gleaner Heights, die auch noch ein Stück vom Kuchen abhaben wollen.
Wer sich schon einmal auf eine Bauernhofsimulation eingelassen hat, dürfte die Ausgangslage von Gleaner Heights kennen. Uns wird ein heruntergewirtschafteter Bauernhof vorgesetzt, dem wir in den nächsten Jahren zu altem Glanz verhelfen dürfen. Mit dem Startkapital decken wir uns im örtlichen Laden der titelgebenden Ortschaft Gleaner Heights mit allerlei Samen ein, beackern das Feld, sähen die Saat und bewässern sie mit der Gießkanne. Im späteren Spielverlauf können wir auch Tiere wie Hühner oder Schafe halten, um die Gewinne mit Eiern und Wolle in die Höhe schnellen zu lassen. In dieser Disziplin funktioniert Gleaner Heights genauso wie alle anderen Bauernhofsimulationen und muss das Rad nicht neu erfinden.
Es ist stets motivierend, eine ertragreiche Ernte einzuholen und unsere Tierchen bei Laune zu halten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Titeln des Genres sind unsere Fähigkeiten nicht nur von der Qualität der Werkzeuge abhängig, sondern auch von unserem Können selbst. Wenn wir zum Beispiel oft genug Holz hacken, ist der Umgang mit unserer Axt wesentlich effizienter. Das ist auch bitter nötig, denn vor allem in den ersten paar Spielstunden fällt uns negativ auf, dass unsere selbst erstellte Spielfigur nur über geringe Energiekapazitäten verfügt. Zwar bessert sich dieser Umstand mit jeder Spielstunde, doch ist das anfangs sehr mühselig, da uns teilweise schon um elf Uhr vormittags die Kräfte verlassen.
Illustres Städtchen mit komischen Charakteren
Immerhin werden so mit der Zeit auch Nebenbeschäftigungen wie das Angeln am Fluss oder das Bekämpfen von Monstern in der Mine immer angenehmer und attraktiver. Allerdings ist die Spielgeschwindigkeit von Gleaner Heights sehr, sehr gemächlich. Das liegt vor allem an den fehlenden Tipps und Hinweisen, denn nützliche Kniffe oder gar Verweise auf etwaige Spielziele verrät uns die Bauernhofsimulation nicht. So irren wir nicht selten durch die stellenweise viel zu große Spielwelt von einem Ort zum anderen, verlieren die für uns wichtigen Nicht-Spieler-Charaktere zu häufig aus den Augen und wissen oft auch nicht, womit wir uns noch die Zeit vertreiben sollen.
Gleaner Heights fehlt es bei elementaren Elementen an Feinschliff und verschenkt unnötig Potenzial. Das ist vor allem deshalb schade, da die Bewohner des Städtchens zum Großteil sehr interessant geschriebene Persönlichkeiten sind. Sie verbergen Geheimnisse, die wir nach und nach aufdecken wollen. Von der Atmosphäre lassen sich diese Figuren wohl am ehesten mit den Charakteren aus Deadly Premonition vergleichen, die wiederum stark von der Fernsehserie Twin Peaks inspiriert sind. Deren makabere Angewohnheiten oder Charaktertiefe erreichen die Bewohner von Gleaner Heights zwar nicht ganz, doch wer solche Mystery-Elemente mag, wird die Atmosphäre des Spiels noch mehr mögen.
Zurück zu den Genre-Anfängen
Für Spiele wie Gleaner Heights ist es schwer, auch nur ansatzweise in die Nähe des von Eric Barone entwickelten Genre-Primus Stardew Valley zu kommen. Barone hat mit seinem Werk die Messlatte sehr hoch angesetzt und legt sie unaufhörlich mit regelmäßigen und umfangreichen Updates höher. Der durchschnittliche Stardew-Valley-Fan wird in Gleaner Heights viele wichtige Komfortfunktionen vermissen. Beispielsweise gibt es nur eine einzige Vorratskiste im Bauernhaus, nicht aber in der Werkstatt, wo wir unser Handwerk betreiben und auf Ressourcen angewiesen sind. Auch lassen sich derlei Kisten nicht frei auf dem Hof platzieren, so dass das ständige Ablatschen des Geländes unserer ökonomischen Arbeit im Weg steht – und damit an die Ursprünge von Harvest Moon auf Game Boy und Super Nintendo erinnert.
Das Harvest-Moon-Seriendebüt von 1996 ist im Übrigen auch das visuelle Vorbild für Gleaner Heights, denn wer nur einmal das Design von Häusern, Charakteren oder Zäunen erblickt, geht auf eine nostalgische und hübsche 16-Bit-Reise. Hinzu kommt ein gelungener Soundtrack, der die landwirtschaftliche Idylle mit angenehmen und im Wandel der vier Jahreszeiten unterschiedlichen Klängen ausschmückt. Wer der englischen Sprache mächtig ist, kommt mit Gleaner Heights in den Genuss einer andersartigen, aber dennoch angenehmen und spaßigen Bauernhofsimulation, der es jedoch an entscheidenden Stellen leider an Feinschliff fehlt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Gleaner Heights fällt in die Kerbe der mittlerweile sehr populären Bauernhofsimulationen. Nachdem Harvest Moon in der Bedeutungslosigkeit versinkt und das eigentliche Franchise in Story of Seasons halbwegs weiterlebt, hat Stardew Valley das Genre neu definiert. Gleaner Heights versucht mit ähnlichen Mitteln das Treppchen zu erklimmen, behindert sich dabei allerdings selbst. So wirkt die Spielwelt viel zu groß und häufig auch zu leer. Zudem fehlen an vielen Stellen entscheidende Komfortfunktionen, die ich nach unzähligen Stunden in Stardew Valley und Co einfach nicht missen möchte. Besonders gut gelungen sind Entwickler Emilios Manolidis jedoch die Figuren, die entfernt an Deadly Premonition und Co erinnern und in Gleaner Heights damit ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Durch die wirklich hübsche 16-Bit-Grafik und den angenehmen Soundtrack bin ich aber gerne bereit, noch mehr Zeit im Spiel zu verbringen. Ich hoffe jedoch sehr, dass Manolidis das Potenzial seines Titels bewusst ist und er es über die Zeit hinweg ähnlich gut weiterentwickeln wird, wie es Eric Barone mit Stardew Valley bereits vormacht.