Graveyard Keeper – TEST

In Gruselfilmen können Friedhöfe ganz schön unheimlich sein. In der Realität unterscheidet sich der Ort der letzten Ruhe hingegen häufig von seinen Filmpendants. Im Titel Graveyard Keeper von Lazy Bear Games ist es uns selbst überlassen, wie wir den Friedhof gestalten.


Graveyard Keeper erzählt keine große Geschichte: Der namenlose Protagonist des Spiels verlässt einen Supermarkt, ist im Anschluss auf dem Heimweg und freut sich darauf, den Abend mit seiner Partnerin zu verbringen. Aus dem gemeinsamen Kuscheln wird jedoch so schnell nichts, denn im Bruchteil einer Sekunde wird der Protagonist von einem Auto überfahren und landet kurz darauf in einer metaphysischen Zwischenwelt. Hier wartet ein Mann in einer Kutte auf den Helden, der ihm die Anweisung gibt, Gerry auf dem Friedhof auszugraben. Einen Moment später befindet er sich dann auch schon in seiner Hütte und muss feststellen, dass er der neue Friedhofswärter des Ortes ist.

Kaum ist Gerrys Grab gefunden, springt ein sprechender Totenkopf in bester Planescape-Torment-Manier aus dem Boden und leitet ins Spiel ein. Kurz darauf kreuzt auch noch der Bischof auf und verlangt, dass der Friedhof gepflegt sein soll, damit die Kirche daraufhin wieder geöffnet werden kann und die Dorfbewohner zur Messe strömen. Dieser Zusammenhang ergibt ungefähr so viel Sinn wie das sprechende Pferd mit seiner kommunistischen Ausdrucksweise, das Tag für Tag eine Leiche nach der anderen anschleppt, die auf dem Friedhof begraben werden soll. Irgendwann möchte das Pferd auch noch Karotten für die Anlieferung, da es ansonsten den Dienst verweigern würde. Graveyard Keeper ist an allen Stellen maßlos überdreht.

Berufsübergreifende Arbeit

Damit sich der Aufwand für das Begräbnis auch lohnt, kann die Leiche zuvor ausgenommen werden. Fleisch, Haut, Blut und was sonst noch alles zum menschlichen Körper gehört, können wir im Rahmen einer Autopsie entfernen und später sogar verkaufen. Anschließend können wir die Leiche präparieren; je reiner der oder die Verstorbene am Ende ist und je schöner das Grab auf dem Friedhof gestaltet wurde, desto höher ist die Bewertung von Friedhof und Kirche. Was in der Theorie nach einem angenehmen System klingt, ist in der Praxis im Großteil des Spiels allerdings sehr anstrengend.

Andauernd müssen in der Spielwelt Sträucher zerstückelt, Bäume gefällt, Gestein abgebaut oder Blumen gesammelt werden, damit die nötigen Rohstoffe vorliegen. Dies ist für langjährige Fans von Harvest Moon, Stardew Valley und ähnlichen Vertretern des Simulationsgenres nichts Neues, allerdings ist Graveyard Keeper auf Dauer eine sehr, sehr mühselige Angelegenheit. Diverse Objekte verschlingen zur Herstellung gleich so viele Ressourcen, dass das fertiges Produkt teilweise Stunden benötigt, bis es hergestellt wurde. Irgendwann führt der Protagonist viel zu viele berufsfremde Tätigkeiten parallel zueinander aus. Holzfäller, Steinmetz, Landwirt und Fischer haben fast nichts mit seinem eigentlichen Job zu tun, erledigt werden müssen diese Aufgaben für den Spielabschluss trotzdem.

Überladenes Spielprinzip

Für jede erfolgte Aktion im Spiel hagelt es auf der einen Seite drei Arten von Fähigkeitspunkten, die auf unterschiedliche Fertigkeitsbäume verteilt werden können. Nur so ist es möglich, dass der Protagonist neue Aktionsmöglichkeiten erlernt und sich die Spielwelt öffnet. Auf der anderen Seite verbraucht der Friedhofswärter Energie, die mit einer Übernachtung im eigenen Bett wieder aufgefüllt werden kann. Letzteres Element scheint aber zumindest noch fragwürdig zu sein, da der Protagonist ohnehin nie müde wird und praktisch unendlich lange wach bleiben kann. Das stört genauso sehr wie viele stumme Nicht-Spieler-Charaktere, die in der mittelalterlichen Welt herumwuseln.

Nur mit wenigen Figuren können Gespräche geführt und Freundschaften aufgebaut werden. Da Hexenverbrennungen an der Tagesordnung stehen, was schon fast ein richtiges Ereignis für die Dörfler ist, hätten die Entwickler diesen sozialen Aspekt ruhig ausbauen dürfen. Unterm Strich bleibt ein großer Spielplatz mit reichlich Wirbel um nichts. Zwar bietet Graveyard Keeper viele Individualisierungsmöglichkeiten, doch gerade diese Optionsvielfalt wird nach dem viel zu kurzen Tutorial nicht vernünftig erläutert – ein Problem, durch das auch die namhafte Monster-Hunter-Reihe potenzielle Spieler verloren hat. Fortgeschrittene Spieler finden sich schnell zurecht, Anfänger werden hingegen von Beginn an vergrault.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Warum bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Friedhofssimulation zu entwickeln und mit Elementen virtueller Bauernhöfe zu kombinieren, ist eine interessante Frage. Graveyard Keeper möchte diese mit seinem Gameplay am liebsten zufriedenstellend beantworten, es hapert jedoch an vielen Stellen noch an der einen oder anderen Design-Entscheidung. Für Anfänger ist es unglaublich schwierig, sich in der Spielwelt zurechtzufinden, da nicht nur der Friedhof gewartet werden will, sondern die nötigen Rohstoffe zuvor erst einmal mit Werkzeugen beschafft werden müssen. Das führt sehr oft zu unnötig langen Laufwegen und einem abstrusen Zeitaufwand. So artet das Spiel in mühseliger Arbeit aus anstatt in kürzeren Intervallen zu belohnen. Viel zu schnell sinkt die Motivation, was auch daran liegt, dass der soziale Aspekt zu stark in den Hintergrund rückt. Graveyard Keeper bleibt im Endeffekt eine Spielwiese, in die viel Zeit gesteckt werden muss, damit die Elemente so ineinandergreifen, dass angemessener Spaß aufkommen kann.