Gunbrella – TEST
Aus dem Hause Devolver Digital kommen die merkwürdigsten Spiele, die aber mit ihrem Gameplay in vielen Fällen überzeugen können. Gunbrella von Entwicklerstudio Doinksoft geht in diese Richtung, fühlt sich etwas wie ein Anime an und zitiert allerhand Videospiele.
Ein Mann kehrt von seinem Ausflug in den Wald zurück und sieht aus der Ferne, dass sein Haus in Flammen steht. Die Sorge um seine geliebte Frau ist groß. Er eilt zurück. Bei seiner Ankunft ist das Grauen vorbei. Der Mann findet seine Frau blutüberströmt und leblos inmitten der Flammen. Neben ihrer Leiche liegt eine kuriose Waffe: Halb Schrotflinte, halb Regenschirm. Der Namenlose heult sich die Augen aus und schwört Rache. Es folgt ein Szenenwechsel. Inzwischen ist der Protagonist mit einem Boot über einen Fluss transportiert worden. Seine Reise führt ihn in die nächste Stadt. Er will den Mörder seiner Frau und den Besitzer des ominösen Mordinstruments, der titelgebenden Waffe Gunbrella, aufspüren.
Wir schlüpfen in die Rolle des Suchenden und erleben das Geschehen durchweg aus der zweidimensionalen Seitenansicht. Um die mitreißende Handlung voranzutreiben, unterhalten wir uns in den Ortschaften der Spielwelt mit verschiedenen Charakteren, die uns mehr über das Universum verraten und uns zum nächsten Zielort leiten. Die wichtigsten Aufgaben werden als Nebenquests im Notizbuch vermerkt, sodass wir immer einen Überblick darüber haben, wohin die Reise als nächstes geht. Auf Bequemlichkeiten wie Questmarker oder eine Karte verzichtet der Titel jedoch. Das ist aber gar nicht schlimm, denn die Spielwelt bleibt zumeist sehr übersichtlich.
Waffe und Schild in einem
Unserer Meinung nach fühlt sich die Rachegeschichte, nicht zuletzt aufgrund der Waffe, wie die Story zu einem Anime an. Die erwachsen wirkende Handlung, die sich um Mord, einen seltsamen Kult und übermenschliche Wesen dreht, bleibt stets unterhaltsam und motiviert bis zur letzten Minute. Zum Teil spielt Gunbrella darüber hinaus mit makabrem Humor, was dem Action-Adventure eine ganz eigene Note verleiht. In puncto Gameplay laufen wir durch die zweidimensionale Spielwelt, springen über Abgründe und feuern auf alles, was nicht gleich bei Drei auf den Bäumen ist. Mit der Regenschirmschrotflinte können wir auf gefräßige Hunde, überdimensional große Wespen und mörderische Kuttenträger feuern. Die meisten Gegner sind durchaus wendig, weshalb auch wir entsprechend schnell agieren müssen.
Somit fällt das Spieltempo von Gunbrella sehr hoch aus. Jeder Sprung muss genau überlegt sein, da die künstliche Intelligenz der Feinde durchaus clever agieren kann. Neben der Funktion, Angreifer mit Schüssen abzuwehren, können wir auch den Schirm öffnen, um Attacken abzuwehren oder sogar Projektile zu reflektieren. Mit ein wenig Einarbeitungszeit können wir mit dem Schirm auch durch die Luft flitzen. Ähnlich wie in Nintendos Kirby-Reihe ist es dann sogar auch möglich, gemütlich zum Boden zu gleiten, um einmal kurzzeitig zu verschnaufen.
Zitieren von Videospielen
Adrenalingeladene Kämpfe sind jedoch bei Weitem nicht das einzige, was wir in Gunbrella absolvieren müssen. Zwischendurch lösen wir kleinere Schalterrätsel, plündern Truhen, zerstören Kisten und stecken Geld oder Items ein. Mit erbeuteten Goldmünzen können wir bei Händlern Heilmittel kaufen, die aber auch bitter notwendig sind. Vor allem die Bosskämpfe sind selbst auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden heftig. Hier fragt Gunbrella quasi ab, ob wir das Spielprinzip auch verstanden haben.
Wer nach mehreren Bildschirmtoden wie in Demon’s Souls und Co immer wieder aufsteht und schlussendlich über den Bossgegner triumphiert, wird mit einer Ausschüttung von Glückshormonen belohnt. Das ist zwar nett, doch uns fehlen in Gunbrella richtige Belohnungen. Diese sind rar gesät und gibt es vor allem für den Abschluss von Nebenquests in Form von Herzhälften, die ähnlich wie in den Episoden der The-Legend-of-Zelda-Reihe zusammengesetzt die Lebensenergieleiste erweitern. Mit gesammelten Metallteilen können wir hingegen ab einem bestimmten Zeitpunkt Angriffskraft und Nachladegeschwindigkeit der Waffe erhöhen. The Last of Us lässt grüßen! Allgemein bedient sich Gunbrella frech an berühmten Marken. Unter anderem taucht ein Händler auf, der an den fettleibigen Duke aus Resident Evil VIII: Village erinnert – mitsamt des Wagens.
Spiel im Retro-Action-Gewand
Technisch läuft das im Retro-Pixel-Look gehaltene Gunbrella auf Nintendos Hybridkonsole grundlegend angemessen. Wir behalten stets die Kontrolle über den namenlosen Rächer, auch wenn die Bildwiederholrate gerade in den Momenten, in denen viel auf dem Bildschirm passiert, ein wenig in die Brüche geht. Visuell können wir in den Optionen darüber hinaus mit Filmkorn und Lichteffekten spielen, um das Geschehen weiter zu individualisieren. Dadurch kommt der schöne 8-Bit-Stil noch ein wenig mehr zur Geltung. Der Soundtrack unterstreicht viele Situationen mit den passenden Klängen. Egal ob wir uns in einer Villa, einer Kanalisation oder auf einem Schrottplatz herumtreiben, die Atmosphäre ist stets stimmig.
Auch dass die Figuren beim Quasseln nur vor sich hin babbeln statt richtig zu sprechen, macht sehr wohl den Charme von Gunbrella aus, aber keine Sorge: Es gibt echte Dialoge, die in Textform ablaufen. Die deutsche Übersetzung des Action-Adventures ist definitiv gelungen. Deshalb gibt es auch keinerlei Verständnisprobleme. Genau genommen gibt es nur sehr wenig am Spiel auszusetzen. Das größte Problem dürfte die Heilmechanik sein, denn wenn wir unsere Wunden verarzten wollen, dauert das mehrere Sekunden. Dies ist aber nur der Tropfen auf dem heißen Stein. Gunbrella macht zwar wirklich nicht alles, aber doch sehr, sehr viel richtig!
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Ein charmanter Retro-Look, durchweg eingängige Ballerei und eine Spielwelt, die regelrecht zum Erkunden einlädt. Das klappt auch ohne die typische Metroid-Formel, wie Gunbrella beweist. Die Rachegeschichte erfindet das Spiel zwar nicht neu, aber das muss es auch nicht, denn die illustren Figuren der Spielwelt gleichen den Mangel an Originalität wieder aus. Auch die Gestaltung der Waffe ist, zumindest weitgehend, unverbraucht. Es macht Spaß, in recht hohem Tempo durch die Level-Architektur zu hüpfen, Gegner abzuschießen und kleinere Rätsel zu lösen. Schade finde ich nur, dass der Härtegrad selbst auf der mittleren Schwierigkeitsstufe etwas zu hoch ausfällt. Das Spiel speichert automatisch an ungewöhnlichen Stellen und alles, was seither passiert ist, muss ich erneut absolvieren – oder mühselig zurück zum letzten Ruhepunkt laufen, an dem ich manuell speichern kann. Hier hätte ich vom Entwicklerstudio ein wenig mehr Feingefühl statt repetitive Mechaniken erwartet. Zudem verlangen die Bossgegner etwas Geduld. Wer die nicht aufbringen kann, dürfte mit Gunbrella nicht so viel Spaß haben. Trotzdem sollten gerade Fans von Action-Adventures, die einen hohen Action-Anteil mögen, einen Blick riskieren.