Harvest Moon 64 – TEST

Wollten wir in der Vergangenheit ins simulierte Bauernhofleben eintauchen und dabei noch allerhand soziale Beziehungen im Rollenspielkorsett erleben, konnten wir (besonders mit den früheren) Spielen der Harvest-Moon-Reihe nie etwas falsch machen. Europäische Nintendo-64-Besitzer schauten aber in die Röhre, denn Harvest Moon 64 erschien hierzulande nicht.


Dieser Umstand hat sich mit der Aufnahme des Spiels in das europäische Virtual-Console-Angebot der Wii U Mitte Februar 2017 schlagartig verändert. Nach fast zwei Jahrzehnten können wir endlich auch den versäumten Nintendo-64-Ableger nachholen. Am Konzept des Spiels hat sich, wie Fans bereits vermuten, allerdings nichts verändert. Unser Großvater hat kurz vor Spielbeginn das Zeitliche gesegnet und uns seine Farm vererbt. Als wir in der ländlichen Idylle ankommen, ist von seinem Hof allerdings kaum mehr etwas zu sehen. Die Farm ist dermaßen heruntergewirtschaftet, dass wir sie fast von Grund auf neu errichten müssen.

Davon lassen wir uns aber nicht entmutigen und schließen mit den illustren Gestalten im Nachbardorf Freundschaften. In unzähligen Gesprächen erfahren wir Informationen über das Landleben und Hintergründe über die verschiedenen Charaktere. Hin und wieder werden sogar kurze Zwischensequenzen in Spielgrafik genutzt, um mit dramaturgischen Effekten die Aufmerksamkeit auf die Figuren zu ziehen. Da will uns Ann von der benachbarten Ranch ein Pferd aufs Auge drücken, während zeitgleich ihr Bruder Gray uns nicht für würdig erachtet. An anderer Stelle erleben wir, wie Karen, die Tochter des Weinbauers, aus der ländlichen Welt fliehen will und sich nach einem wesentlich turbulenteren Leben in der Stadt sehnt.

Old MacDonald hat ’ne Farm


Spätestens wenn wir uns mit den Bewohnern des Dorfes vertraut gemacht haben, geht es frisch ans Werk. Mit unserer Axt verarbeiten wir Baumstümpfe im wahrsten Sinne des Wortes zu Kleinholz, mit dem Hammer zerbröseln wir hinderliche Felsen auf dem Feld und mit der Hacke ebnen wir uns unseren Acker. Da fällt uns auf, dass wir noch gar kein Saatgut im Inventar haben. Also laufen wir schnell zur Floristin, decken uns mit den letzten Groschen mit Steckrüben- oder Kartoffelsamen ein, sähen sie anschließend auf dem Feld und bewässern sie mit Wasser aus unserer Gießkanne. Der grundlegende Arbeitsalltag eines Bauers ist schnell erklärt und verinnerlicht.

Vorbildlich ist, dass uns das Spiel im allgemeinen Spielverlauf keine ellenlangen Einführungen vorsetzen möchte. Während sich Harvest-Moon-Veteranen ohnehin sofort heimisch fühlen dürften, haben Einsteiger und Neulinge die Möglichkeit, kurze und verständliche Tutorien vom Titelbildschirm auszuwählen. Mit dem Bestellen des Feldes ist es allerdings nicht getan. Wenn wir unser Vermögen maximieren möchten, kommen wir um das Halten von Nutztieren nicht herum. Dazu heißt es erst einmal Gras anpflanzen, damit wir für Kühe und Schafe auch immer ausreichend Futter haben. Hinzu kommt, dass wir die Tiere stets gut behandeln sollten. Glückliche Kühe geben logischerweise höherwertigere Milch.

Rasante Tagesabläufe

Beachten sollten wir außerdem, dass der Tag nur 24 Stunden hat und diese gehen in Harvest Moon 64 verdächtig schnell vorbei. Kaum haben wir im Laden eingekauft, die Tiere gefüttert, das Feld bestellt und im besten Falle noch ein wenig mit den Dorfbewohnern gequatscht, geht von einer Minute auf die andere die Sonne unter – und das 120-mal pro Jahr. Verpackt ist das Gameplay des Spiels nämlich in die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zu jeder Jahreszeit herrschen verschiedene Temperaturen und Wetterbedingungen vor, die das Anbauen von verschiedenen Gemüsesorten limitieren. Außerdem feiern die Bewohner auf dem Land diverse Feste, die den harten Arbeitsalltag auflockern.

Dadurch, dass die Tage in Harvest Moon 64 – anders als im Super-Nintendo-Vorgänger – wesentlich schneller vergehen, wirkt das Spiel ebenso dynamischer und trotz einiger Wiederholungen im Ablauf nicht mehr ganz so repetitiv. Dennoch hat auch Harvest Moon 64 ein paar Schattenseiten. So stören am Bildschirmrand durchgehend aufpoppende Bäume oder Häuserfragmente. Ebenso nervt es, wenn wir ein Haus verlassen, die Musik aufhört zu spielen, nur um danach dasselbe Stück des Soundtracks wieder aufzunehmen. Fehler, die bereits 1999 bei der Erstveröffentlichung vermeidbar gewesen wären. Kleine Defizite, die den eigentlichen Spielspaß aber kaum trüben.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Lange habe ich darauf gewartet, Harvest Moon 64 einmal selbst spielen zu können. Als armer Realschüler hatte ich damals nämlich nicht das Geld, um mir den Titel aus den USA zu importieren. Das Warten hat sich jedoch gelohnt, da sich das Spiel zum Glück – und wie ich auch nicht anders erwartet habe – wie die ersten Serienteile anfühlt. Unnötige Feinheiten, die nicht richtig erklärt werden, gibt es nicht. Von Anfang an ist das Gameplay verständlich und jeder, der sich noch nie an einen Ableger der Harvest-Moon-Reihe getraut hat, wird das Gameplay dank einfacher Tutorien kinderleicht verinnerlicht haben und den Arbeitsalltag auf der Farm jeden einzelnen Tag genießen. Einzig und allein ein paar technische Defizite trüben das sonst stimmige Gesamtbild. Davon sollte man sich aber wirklich nicht abschrecken lassen, denn ansonsten ist Harvest Moon 64 nämlich einer der besten Serienableger, zu dessen Stärken sich heutige Titel der Reihe ruhig einmal besinnen dürfen.