Labyrinth of Galleria: The Moon Society – TEST

Am 17. Februar erschien mehr als zwei Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in Japan mit Labyrinth of Galleria: The Moon Society die Fortsetzung des charmanten Dungeon-Crawler-Rollenspiels Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk von Nippon Ichi Software aus dem Jahr 2016. Hier übernehmen wir die Rolle einer in einer magischen Laterne lebenden wandernden Seele, welche mit Hilfe eines jungen Mediums, einer alten Hexe und einer Armee aus Puppen ein tiefes und gefährliches Labyrinth erforschen soll, um daraus für einen mysteriösen Grafen magische Artefakte zu bergen.


Obwohl das Genre der Dungeon Crawler, immerhin die klassischste Variante des digitalen Rollenspiels, heutzutage eher ein Nischendasein fristet, wird die kleine, aber eingeschworene Fangemeinde dieses Genres in regelmäßigen Abständen mit Spielen versorgt. Auch 2023 dürfte ein interessantes Jahr für Fans gepflegten Kerker-Kloppereien werden. Nicht nur, dass im Sommer die Remaster der ersten drei Teile der beliebten Etrian-Odyssey-Reihe erscheinen, bereits im April veröffentlichen PQube und Acquire mit Labyrinth of Zangetsu ein weiteres, potentiell interessantes Spiel für Freunde klassischer Dungeon Crawler. Allerdings müssen sich Fans des Genres eigentlich gar nicht mehr gedulden, denn mit Labyrinth of Galleria: The Moon Society erschien bereits am 17. Februar ganz still und leise ein Spiel, das schon etwas länger auf sich warten ließ. Labyrinth of Galleria: The Moon Society von Nippon Ichi Software erschien ursprünglich bereits im Jahr 2020 in Japan und wurde dort zunächst lediglich für die PlayStation Vita veröffentlicht. Es handelt sich dabei um die Fortsetzung des 2016 erschienenen Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk, das 2018 unter anderem auch auf der Nintendo Switch erschien.

Eine Hexe, ein Medium und ein Geist in einer Laterne


Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen Eureka de Soleil sei ein wenig naiv, denn als die junge Dame aus gutem Hause in ihrer Heimatstadt eine Stellenausschreibung mit einer recht kryptischen Job-Beschreibung liest, ist sie hin und weg. Sind doch die einzigen Voraussetzungen für die Stelle verlorene Dinge wiederzufinden und sich mit Margeriten auszukennen. In beidem hat Eureka eine Expertise, also heuert sie kurzerhand eine Kutsche an und reist schnurstracks zu einem alten Herrenhaus mit dem Namen Galleria Manor mitten in einem tiefen dunklen Wald, wo sich der mysteriöse Arbeitgeber befinden soll. Dort angekommen macht die etwas blauäugige junge Frau Bekanntschaft mit der alten Hexe Marta, die das Haus mit einigen Angestellten bewohnt und im Auftrag eines Grafen mysteriöse Artefakte aus einem tiefen Labyrinth bergen soll, dessen Eingang sich in einem magischen Kleiderschank befindet. Das einzige Problem dabei: jeder, der das Labyrinth durch diesen Kleiderschank betritt, kommt lediglich in gut portionierten Hackfleisch-Stücken wieder heraus. Die Lösung für dieses Problem ist Eureka. Die Gute ist nämlich, wie sich herausstellt, ein Medium, die mit der Geisterwelt Kontakt aufnehmen kann.

Hier kommen endlich wir ins Spiel, denn wir übernehmen die Rolle einer wandernden Seele, die in dem Herrenhaus umherspukt und sich in einer magischen Lampe, der Lanterne de Fantasmagorie, niederlässt. Wir haben nun als „Fantie“, wie Eureka uns nennt, die Aufgabe, das lebensfeindliche Labyrinth zu erforschen. Hilfe erhalten wir dabei von magischen Puppen, denen wir Leben einhauchen und durch die düsteren Gänge des Dungeons führen. Dabei lernen wir Stück für Stück mehr über das Labyrinth selbst, die Artefakte nach denen wir suchen und die verschiedenen illustren Bewohner von Galleria Manor. Die Geschichte nimmt im späteren Verlauf einige recht unerwartete Wendungen, wird dabei auch mitunter düster und bewegt sich in Richtungen, mit denen wir anfangs gar nicht gerechnet hätten. Im Gegensatz zu manch anderen Dungeon Crawlern nimmt die Story in Labyrinth of Galleria: The Moon Society recht viel Raum ein und wird mit längeren, an Visual Novels erinnernden Dialogszenen fortgesponnen.

Lasst die Puppen tanzen

Spielerisch gesehen ähnelt Labyrinth of Galleria: The Moon Society sehr dem Vorgänger Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk. Erst im Detail werden einige Änderungen offensichtlich. Unsere Basis ist Galleria Manor, wo wir beispielsweise unsere Party zusammenstellen, in einem kleinen Shop einkaufen gehen oder in der Küche mit Hilfe eines Alchemie-Kessels unsere Waffen verbessern oder neue herstellen können. Da es sich ja bei unseren Mitstreitern wie bereits erwähnt um zum Leben erweckte Puppen handelt, rekrutieren wir diese nicht Genre-typisch in einer Taverne, sondern stellen sie aus verschiedenen Materialien wie Holz und wandernden Seelen her. Zunächst stehen sechs verschiedene Charakter-Klassen für unsere hölzernen Gesellen zur Verfügung, weitere werden im Verlauf des Spiels freigeschaltet. Typisch für die Spiele von Nippon Ichi ist die Charakter-Erschaffung sehr detailliert und lässt uns sogar Details wie ein Lieblingstier oder die Charaktereigenschaften selbst bestimmen, wobei anfangs nicht immer ersichtlich ist, wofür die einzelnen Fähigkeiten denn nun gut sind. Überhaupt dürften einige Spieler mit den vielen verschiedenen Begriffen und Spielsystemen, die gerne von den Disgaea-Entwicklern in ihre Spiele gepackt werden, etwas überfordert sein. Zwar erschließen sich die einzelnen Systeme nach und nach, aber hier hätten wir uns vielleicht etwas mehr Zugänglichkeit gewünscht.

Haben wir unsere Gruppe von wagemutigen Marionetten zusammengebastelt, machen wir uns an die Erforschung des Dungeons. Als Fantie erforschen wir das weiträumige Labyrinth unter dem Herrenhaus in klassischer Dungeon-Crawler-Manier. In der Ego-Ansicht bewegen wir uns Schritt für Schritt vorwärts und können uns immer um 90 Grad drehen, eine Karte wird automatisch mitgezeichnet, damit wir nicht den Überblick verlieren. Mit der Hilfe von eingesammeltem Mana, das wir an vielen Stellen des Dungeons finden, schalten wir nach und nach verschiedene Fähigkeiten frei, sogenannte Fantiebilities, welche die Erkundung des Dungeons erleichtern und uns erlauben, in bisher unerforschte Gefilde vorzudringen. So lernen wir beispielsweise über Abgründe zu springen, Gegner sichtbar zu machen oder sogar Wände zu durchbrechen. Letzteres erweist sich als besonders praktisch. Da nahezu alle Wände zerstörbar sind, können wir so nicht nur versteckte Räume finden, sondern uns auch praktische Abkürzungen schaffen und besonders starke Gegner einfach umgehen. Unbegrenzt einsetzen können wir diese Fähigkeit allerdings nicht. Wie einige Fähigkeiten im Kampf kosten unsere Abriss-Aktionen Reinforcement-Punkte, die erst nach der Rückkehr aus dem Dungeon wieder aufgefüllt werden.

Treffen wir auf einen Gegner, wird in einen separaten Kampfbildschirm umgeschaltet und wir stellen uns den Monstern in einem rundenbasierten Kampfsystem. Hier greifen wir mit unseren Puppen an, benutzen als Donum bezeichnete Magie oder verstärken mit den bereits erwähnten Reinforcement-Punkten für eine Runde unsere Angriffs- oder Verteidigungswerte. Der besondere Clou daran ist das bereits aus dem Vorgänger bekannte Coven-System. Unsere Puppen teilen wir dabei in einzelne Coven ein. Jeder Coven hat dabei unterschiedliche Fähigkeiten und kann eine bestimmte Anzahl an Puppen aufnehmen. So bilden wir quasi „Unter-Parties“ in unserer Party, so dass wir im späteren Verlauf des Spiels mit einer wahren Puppen-Armee auf Dungeon-Erkundung gehen.

Komplexes Dungeon Crawling verpackt in charmanter Grafik und passender Soundkulisse

Optisch kann Labyrinth of Galleria: The Moon Society auf ganzer Linie überzeugen. Takehito Harada, Charakterdesigner der Disgaea-Reihe und vieler anderer Spieleserien von Nippon Ichi kann auch hier mit seinem typischen Stil überzeugen. Eureka, Marta und alle anderen Charaktere sind genau wie die Charakter-Portraits der einzelnen Charakterklassen hübsch gezeichnet. Daneben begeistert die abwechslungsreiche Schar an Monstern ebenso mit fantasievollen Designs. Auch die gemalten Hintergründe der Locations in und um Galleria Manor sind wunderbar detailliert und unterstreichen die zur Geschichte passende mysteriöse Atmosphäre. Die Dungeons selbst fallen dabei allerdings optisch etwas ab. Auch wenn sich die einzelnen Abschnitte des Labyrinths durchaus unterscheiden, sind sich die Korridore und Gänge doch mitunter etwas ähnlich.

Die Dialoge sind allesamt vertont und wir können je nach Vorliebe zwischen der original japanischen und der ebenfalls gelungenen englischen Sprachausgabe umschalten. Die Texte sind jedoch lediglich in englischer Sprache verfügbar, so dass interessierte Spieler schon des Englischen mächtig sein sollten. Auch der Soundtrack weiß zu überzeugen. Die mitunter an Zirkusmusik oder Halloween erinnernden Musikstücke passen perfekt zur Optik des Spiels und wirken dabei mitunter sogar recht unheimlich und unterstützen die Atmosphäre, die Labyrinth of Galleria: The Moon Society erschafft.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

 

Den Vorgänger Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk habe ich damals sehr gerne gespielt. Als Fan von klassischen Dungeon Crawlern hatte mich das Spiel auch dank seines charmanten Garfikstils, der interessanten Story und dem teilweise sehr schwarzen Humor sofort in seinen Bann gezogen. An eine Übersetzung der Fortsetzung hatte ich nach mittlerweile drei Jahren Wartezeit eigentlich nicht mehr geglaubt, aber so erfreuter war ich, als das Spiel dann für das Frühjahr 2023 angekündigt wurde. Ich habe mich wirklich sehr auf Labyrinth of Galleria: The Moon Society gefreut und auch diesmal wurde ich nicht enttäuscht. Auch der zweite Dungeon-Crawler-Ausflug der Disaea-Macher hat mich sofort gefesselt. Das liegt nicht zuletzt an der tollen Story, die diesmal noch etwas nuancierter ist als die des Vorgängers. Im Verlauf wartet sie mit einigen sehr unerwarteten Wendungen auf und geht später in eine Richtung, die ich so nicht erwartet hätte. Was das Spiel selbst angeht muss allerdings gesagt werden, dass es sich klar an ein ganz spezielles Genre-affines Publikum richtet. Typisch für moderne japanische Dungeon Crawler wartet nämlich auch Labrinth of Galleria: The Moon Society ähnlich wie das 2021 erschienene Mary Skelter Finale mit einer Reihe von zunächst verwirrend erscheinenden Systemen auf, die Nippon-Ichi-typisch mit ganz eigenen Begriffen für Verwirrung sorgen. Gerade am Anfang des Spiels wurde ich mit Tutorials überschüttet. Nachdem ich dieses System-Wirrwarr jedoch erst einmal beiseite geschoben hatte und mich auf das Spiel und die Story eingelassen hatte, entfaltete sich die typische Dungeon-Crawler-Atmosphäre und es hatte mich in seinen Bann gezogen. Zwar erfindet Labyrinth of Galleria: The Moon Society das Rad nicht neu und ist im Kern ein typischer Dungeon Crawler, aber die charmante Präsentation, die sympathischen Charaktere und nicht zuletzt die tolle Story sorgen dafür, dass sich das Spiel von anderen Genre-Vertretern wohltuend abhebt. Freunde des Genres greifen sowieso bedenkenlos zu, aber auch andere Rollenspiel-Fans, die sich nicht von zunächst kryptisch erscheinenden Spielsystemen abschrecken lassen, sollten definitiv einmal einen Blick riskieren!