Fire Emblem Engage – TEST

Am 20. Januar 2023 erschien mit Fire Emblem Engage der nunmehr siebzehnte Teil der langlebigen und beliebten Strategie-Rollenspiel-Reihe von Intelligent Systems auf der Nintendo Switch. Die Entwickler haben sich dabei nicht auf dem kommerziell erfolgreichen Three Houses ausgeruht, sondern präsentieren klassisches Fire-Emblem-Gameplay gewürzt mit einigen interessanten Neuerungen. Diesmal übernehmen wir die Rolle des göttlichen Drachen Alear und beschützen die Welt Elyos mit der Hilfe der Geister von alten Serienhelden vor dem korrumpierenden Einfluss des wiedererweckten dämonischen Drachen Sombron.


Im Jahr 1990 erschien das erste Fire Emblem auf dem Nintendo Famicom. Seitdem sind über 30 Jahre vergangen und die bekannte Strategie-Rollenspiel-Serie hat seitdem immer wieder Wandlungen vollzogen. So rückten in den letzten Serienteilen insbesondere die Beziehungen zwischen den Charakteren in den Vordergrund. Gerade das 2019 erschienene Fire Emblem: Three Houses setzte neben den typischen Taktik-Gefechten auf ausladende soziale Interaktionen mit unseren Mitstreitern und simulierten Schulalltag, der dem der neueren Titeln der Persona-Reihe recht nahe kam. Auch wenn nicht allen Serienfans das Drücken der Schulbank im Kloster Garreg Mach gefiel, mauserte sich das Spiel zum kommerziell erfolgreichsten Teil der Serie mit fast vier Millionen verkauften Exemplaren. Aus diesem Grund könnte man denken, dass Fire Emblem Engage in die Fußstapfen von Three Houses tritt und noch mehr soziale Interaktionen, Romanzen und Aktivitäten außerhalb der taktischen Schlachten bietet, doch weit gefehlt. Der neue Teil schraubt dies alles drastisch herunter und bietet ein Abenteuer, das mehr an die klassischen Teile der Serie erinnert denn an den erfolgreichen Vorgänger.

Fire Emblem Engage wurde am 13. September 2022 in einer Nintendo Direct vorgestellt, nachdem bereits ein paar Monate zuvor Leaks im Internet kursierten, die vor allem wegen der doch recht auffälligen Haarpracht des Chauptcharakters Alear für einigen Diskussionsstoff sorgten. Überraschenderweise wurde der Release dann auch schon für den 20. Januar 2023 angekündigt, und so mussten sich Serienfans nicht lange gedulden, bis sie sich wieder in herausfordernde Taktik-Schlachten stürzen konnten.

Wyrmgott im tausendjährigen Schlaf

Die Geschichte von Fire Emblem Engage beginnt mit einem Rückblick und zeigt, wie Wyrmgott beziehungsweise Wyrmgöttin Alear (das Geschlecht unseres Charakters dürfen wir am Anfang selbst bestimmen) in einer finalen, verlustreichen Schlacht den Dämonendrachen Sombron besiegt und danach in einen tiefen Schlaf fällt. Als wir in der Rolle von Alear schließlich aus dem langen Schlummer erwachen, sind in der Welt Elyos 1000 Jahre ins Land gezogen. Leider hat uns der lange Schlaf sämtliche Erinnerungen geraubt, und so müssen wir von unseren Beschützern, den Geschwistern Clanne und Framme, sowie dem Ritter Vander erst einmal auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Rückkehr des Dämonendrachen kündigt sich nämlich an. Seine Fußtruppen, marodierende Horden untoter Barbaren, ziehen plündernd und brandschatzend durch das Land und bedrohen die friedliebende Bevölkerung. Nach dem ersten Scharmützel mit den Horden des Dämonendrachen treffen wir auch unsere Mutter Lumera, die Drachenkönigin des heiligen Landes Lythos wieder. Diese klärt uns dabei über die sogenannten zwölf Emblemringe auf. Diesen wohnen Embleme inne. Das sind die Geister von Kriegern aus anderen Zeiten und Welten, welche beschworen werden können, um uns im Kampf zur Seite stehen. Bei diesen Emblemen handelt es sich um die bekannten Helden aus vergangenen Fire-Emblem-Episoden wie Marth, Celica, Roy oder Lyn. Während wir ein paar Embelmringe direkt von Anfang an zur Verfügung haben, dreht sich ein Großteil des Abenteuers um die Suche nach den restlichen Ringen auf den verschiedenen Kontinenten von Elyos. Dabei treffen wir selbstverständlich auf eine große Anzahl unterschiedlicher Charaktere mit persönlichen Geschichten, die wir für unsere Sache rekrutieren können.

Während der direkte Vorgänger Fire Emblem: Three Houses noch eine vielschichtige und dramatische Geschichte über Verrat, Intrigen und moralischen Entscheidungen sowie gleich drei verschiedene Kampagnen bot, kommt die von Fire Emblem Engage recht konventionell und klassisch daher. Auch wenn die Story einige Wendungen und dramatische Momente bereithält, bleibt sie doch recht vorhersehbar.

Taktische Gefechte mit Waffendreieck und magischen Ringen

Die taktischen Gefechte nehmen diesmal im Gegensatz zu Fire Emblem: Three Houses wieder eine weitaus vordergründigere Stellung ein. Einen Großteil der Spielzeit sind wir damit beschäftigt, serientypisch unsere Einheiten rundenbasiert und abwechselnd mit den Gegnern über das aus einzelnen Feldern bestehende Schlachtfeld zu ziehen. Dabei spielt das aus den älteren Serienteilen bekannte Waffendreieck nun wieder eine wichtige Rolle, nachdem es in den letzten Serienteilen immer mehr in den Hintergrund gerückt war und in Fire Emblem: Three Houses quasi keine Rolle mehr spielte. Im Grunde genommen funktioniert das Waffendreieck nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip: Schwerter sind besonders effektiv gegen Äxte, Äxte eignen sich wiederum besonders gut gegen Lanzen, und Lanzen sind besonders gut gegen Schwerter geeignet. Neu ist, dass waffenlose Kampfkünste einen Vorteil gegenüber Bögen, Magie und Dolchen haben, die außerhalb des Waffendreiecks stehen und ganz eigene Vorteile gegenüber bestimmten Klassen mit sich bringen. Eine weitere neue Mechanik in Fire Emblem Engage ist der sogenannte Break-Status, den wir verursachen, wenn wir eine Waffengattung angreifen, die unserer gegenüber im Nachteil ist. Der Break-Status bewirkt, dass der Gegner keinen Angriff mehr kontern kann, bis er wieder am Zug ist. Ein kluges Zusammenspiel unserer Einheiten ist also der Schlüssel zum Sieg. Der aus der Fire-Emblem-Reihe bekannte Perma-Death von Charakteren ist wieder mit dabei, kann aber auf Wunsch abgeschaltet werden, so dass wir uns keine Sorgen machen müssen, wenn einer unserer Charaktere das Zeitliche segnet. Zudem können wir dank einer Rückspul-Funktion auch Züge wiederholen, sollten sie zu einem schlechten Ausgang führen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Schlachten ist diesmal das bereits angesprochene Emblem-System. Mit den Ringen, denen die Helden aus vergangenen Serienteilen innewohnen, können wir unsere Charaktere ausrüsten, die durch die Seelen der bekannten Helden mächtige Waffen und einzigartige Fähigkeiten bekommen. Mit der „Engage“-Funktion können wir unsere Mitstreiter mit den Emblem-Kriegern fusionieren lassen, was sich nicht nur in neuen Kostümen zeigt, sondern auch in Spezialfähigkeiten, die wir in der Schlacht aber nur begrenzt ausführen können. So können wir beispielsweise je nach Emblem über die Karte teleportieren, einen mächtigen Heilzauber sprechen oder von brachialen Spezialangriffen Gebrauch machen. Insgesamt bekommen die Schlachten durch die Emblem-Mechanik eine ganz eigene Dynamik, und ein kluger Einsatz der Fähigkeiten der alten Helden ist oftmals entscheidend für einen Sieg. Zudem verbessert sich nach und nach auch die Verbindung zwischen Helden und den Emblemen, was sich beispielsweise durch Boni auf die Charakterwerte bemerkbar macht.

Entspannung in der fliegenden Festung Somniel

Abseits der taktischen Schlachten können wir in unsere Basis, die fliegende Festung Somniel zurückkehren. In den verschiedenen Bereichen der Festung gehen unsere Verbündeten in Zivil ihren Alltagsbeschäftigungen nach. Im Café können wir beispielsweise unsere Mitstreiter auf ein Schwätzchen einladen und durch Geschenke unsere sozialen Beziehungen verbessern. Im Fitnessstudio können wir etwas Sport treiben um unsere Charakterwerte kurzzeitig anzuheben, Angeln gehen oder im Arsenal und im Item-Shop Ausrüstung für kommende Scharmützel kaufen oder auch neue Outfits und Kostüme erwerben. Später können wir auch in einem kleinen Management-Part Spenden an die unterschiedlichen Königreiche von Elyos verteilen und somit Nebenstories und Sidequests freischalten.

Zudem können wir auch verschiedene Tiere wie Schafe, Hasen, Katzen oder Hunde im Gehöft in Somniel ansiedeln, die wir zuvor auf unserer Reise durch Elyos aufgegabelt haben. Die Interaktionsmöglichkeiten mit diesen Tieren sind zwar recht begrenzt, doch können wir in deren Nähe immer wieder bestimmte Materialien finden, was es oftmals erleichtert, an seltene Materialien zu kommen.
Nicht alle der in Somniel verfügbaren Aktivitäten und Minispiele sind für den weiteren Spielverlauf notwendig. Wir können einfach den Aktivitäten nachgehen, die uns Spaß machen. Zudem sind die Ausflüge nach Somniel wesentlich kürzer als die ausladenden Szenen im Kloster Garreg Mach im Vorgänger Fire Emblem: Three Houses.

Überzeugende Technik, gewöhnungsbedürftiges Charakterdesign

Was sofort auffällt, ist dass die Grafik vor allem im Gegensatz zu Fire Emblem: Three Houses sehr bunt ist. Waren im Vorgänger noch gedeckte Farben Programm, so überwiegen in Fire Emblem Engage knallige, poppige Bonbonfarben. Dies schlägt sich auch in den Charakterdesigns nieder. Schon Protagonist Alear sorgte im Vorfeld mit seiner zweifarbigen Haarpracht und seinen zwei Augenfarben für viel Gesprächsstoff und Zahnpasta-Vergleiche. Bei den anderen Charakteren ist dies nicht anders: Unzählige Accessoires, grelle Frisuren und ausladende Outfits sind Programm, so dass wir bei einigen Mitstreitern eher an J-Pop-Idole denn an Magierinnen oder kampfgestählte Krieger denken. Dies fällt vor allem dann auf, wenn wir die alten Helden beschwören, deren Aussehen glücklicherweise in ihrem ursprünglichen Zustand belassen wurde und mit ihren weitaus zurückhaltenderen Outfits einen starken Kontrast zu den neuen Helden bilden.

Haben wir uns an den bunten Look des Spiels gewöhnt, können wir aber ohne Zweifel sagen, dass die neueste Episode von Intelligent Systems` beliebter Serie die bisher hübscheste ist. Saubere Präsentation, detaillierte Animationen und abwechslungsreiche Schauplätze mit vielen liebevollen Details sorgen für ein tolles Spielerlebnis, das auch im Handheld-Modus der Switch keine Einbuße hat. Auch der Soundtrack mit seinen mal ruhigen und mal dramatischen Musikstücken weiß zu gefallen und passt zur allgemeinen Fantasy-Atmosphäre. Die wichtigen Dialoge sind wahlweise englisch oder japanisch vertont, ansonsten kann der Rest des Spiels unter anderem auf Deutsch eingestellt werden. Insgesamt können Strategie-Fans über 40 Stunden mit Alears Reise durch Elyos verbringen. Weitere Abenteuer bietet ein Erweiterungspass, der 30 Euro kostet und neben neuen Emblemen wie den Charakteren aus Fire Emblem: Three Houses auch eine weitere Story-Kampagne enthält, die Ende des Jahres erscheinen soll.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Ich muss zugeben, ich bin etwas zwiegespalten. Fire Emblem: Three Houses hat mir damals richtig gut gefallen. Vor allem die Charaktere und die dramatische Geschichte mit ihren zahlreichen Wendungen haben mich beim Spielen gepackt. Allerdings empfand ich die sozialen Verpflichtungen und den Schulalltag abseits der Kämpfe oftmals etwas zu ausladend und auf Dauer etwas ermüdend. Bei Fire Emblem Engage ist es jetzt genau anders herum. Ich freue mich sehr, dass sich das Spiel wieder an den älteren Teilen orientiert und viele klassische Elemente der Strategie-Reihe wieder zurückholt. Man kann die Entwickler nur dafür loben, dass sie sich nach dem kommerziell so erfolgreichen Three Houses nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben, sondern mit neuen Ideen frischen Wind in die Taktik-Kämpfe bringen. Das Emblem-System macht Laune, und auch die Rückkehr des Waffendreiecks und dessen Überarbeitung wertet die Strategie-Scharmützel deutlich auf. Soziale Interaktionen außerhalb der Kämpfe sind auf ein Wesentliches reduziert und lassen mich auf das konzentrieren, worum es bei Fire Emblem hauptsächlich geht: die Kämpfe. Auf der anderen Seite ist die Story von Fire Emblem Engage recht enttäuschend und klischeehaft. Die bunten Charakterdesigns sind auch Geschmackssache. Ich finde sie teilweise etwas zu überladen, obwohl ich eigentlich durchaus ein Freund von Anime-Optik bin. Insgesamt hat mir mein Ausflug in die Welt von Elyos aber durchaus sehr viel Spaß gemacht, was vor allem an den erwähnten, sehr interessanten Neuerungen und den Spielsystemen liegt. Wer mit der starken Anime-Ausrichtung und der blassen Story leben kann, bekommt hier ein tolles Taktik-Feuerwerk geboten, das für über 40 Stunden Spielspaß sorgt.